Wir haben noch die psychologische Bedeutung der soeben von uns besprochenen
Tätigkeit der Hummeln zu berücksichtigen. Bewertet man die oben mitgeteilten Tatsachen
von diesem Gesichtspunkte aus, so ergibt sich in erster Linie, daß bei den Hummelweibchen
— selbst in denjenigen Fällen, wo die Auswahl des Materiales die höchste Stufe
der Komplikation und Vollkommenheit erreicht (oberirdische Nester), — d ie s e A u sw a h l
ihrem Wesen nach eine durchaus schwankende sein kann. So wird ein im
Walde ausgeschlüpftes Weibchen von B. muscorum, dessen Wiege aus trockenen Blättern
bestand, sein Nest in einer Tenne — aus Stroh, an schattigen Stellen des Waldes — nur
aus Moos allein verfertigen, u. s. w.
Aus diesem Umstande folgt, daß hier keinerlei „Wählen“ des Materiales in dem
Sinne, wie wir ihn für Fälle bewußter Tätigkeit verstehen, stattfindet noch stattfinden kann:
das „Wählen“ erfolgt bei den Hummeln ohne Vergleichung, da ja das Weibchen, indem es
nur ein e in z ig e s Mal in seinem Leb en ein Nest a n le g t , das Material mit nichts
vergleichen kann. Die Auswahl erfolgt auch ohne „Vorziehen“ eines Materiales vor einem
anderen, da z. B. das an dem einen Orte (da wo es vorwiegt) verwandte Blatt an einem
anderen Orte, wo Stroh oder Moos vorwiegt, nicht vorgezogen werden wird; hieraus folgt
wiederum, daß an jedem neuen Orte einem neuen M a te r ia le der V o r zu g g e geben
wird, oder mit anderen Worten, daß ein Baustoff einem anderen nicht als Material,
sondern auf Grund von Eigenschaften, die zum Begriffe „Material“ keinerlei Beziehungen
haben, vorgezogen wird.
Der Instinkt „in der Auswahl des Materiales“ repräsentiert demnach die Reaktionsfähigkeit
der Hummeln (bei dem Vorhandensein bestimmter innerer Antriebe), 8 - nicht etwa
auf solche Gegenstände der Umgebung, welche bestimmte Eigenschaften, Aussehen oder
Form besitzen — sondern auf solche, welche sich an einem bestimmten Orte vorfinden und
einer bestimmten A rb e it bestimmter O r g a n e je d e r b e t r e f fe n d e n Hummeln
spezies entsprechen. Auf der höchsten Stufe der Komplikation, wo die Auswahl des Materiales
differenziert ist und uns durch die scheinbare Tiefe des Kombinationsvermögens
der Arbeiterinnen überrascht, erweist sich dieser Instinkt als ein zweifacher: Im Anfänge der
Arbeit ist das Material von bestimmter Größe und bestimmtem Umfange, sodann aber wird
die Arbeit in anderer Weise fortgesetzt, und das nunmehr herbeigetragene Material wird infolgedessen
seiner Größe und seiner Art nach auch ein anderes sein.
C. Die Architektur des Nestes.
I n h a l t d e s A b s c h n i t t e s : i) D i e A r c h i t e k t u r d e s ä u ß e r e n N e s t e s
a) b e i d e n o b e r i r d i s c h e n H u m m e ln :
Die allgemeine Gestalt des N es tes ; seine Größe. Einrichtung des Nestes und die T e ile desselben. Die
Rolle des L ich te s bei dem Baue des N e s te s ; die Analpgie zwischen dieser Rolle und derjenigen, welche das
L ich t beim Nestbau der Spinnen spielt. D ie Psychologie der T ä t ig k e it der Hummeln bei der An lag e des Nestes.
b) B e i d e n u n t e r i r d i s c h e n H u m m e ln :
Die T e ile des Nestes und deren Entstehung. D ie T ie fe des Nestes.
2) D i e A r c h i t e k t u r d e s in n e r e n N e s t e s .
Die vegetabilische Schicht dieses Nestes und ihre biologische Rolle. Das Schwanken in diesem T e ile der A rch itektur
der Bauten. Die aus W a ch s bestehenden T e ile des Baues, welche bei der An lag e des Nestes von dem
Weibchen verfe rtigt werden. D a s Flugloch. D ie Abweichung des Instinktes in der Arch itektur des Nestes.
In den Nestern der Hummeln lassen sich folgende zwei Teile scharf unterscheiden:
Erstens das äußere Nest, zu dessen Bestände das darin angebrachte Flugloch gehört, und
zweitens das innere Nest, in welchem ich folgende Bestandteile unterscheide: die Wandung,
welche teils aus vegetabilischen Substanzen, teils aus Wachs besteht, und die Waben.
Wir wollen hier ein jedes dieser Architekturelemente einzeln besprechen, mit Ausnahme
des letzten — der Waben —, da diese ihren Ursprung nicht dem Weibchen allein,
sondern zum Teile den Larven, zum Teile erwachsenen Hummeln verdanken, und ihre Herstellung
daher nicht in die Gruppe der solitären, sondern in diejenige der sogen, sozialen
Instinkte gehört.
1) Die Architektur des äusseren Nestes der Hummeln.
Die komplizierteste Zusammensetzung und die höchste Vollkommenheit des äußeren
Nestes finden wir bei denjenigen Hummeln, welche ihre Nester an der Oberfläche der Erde
anlegen, die geringste Vollkommenheit bei den unter der Erde nistenden Hummeln.
Berücksichtigen wir jedoch die Reihenfolge in der Phylogenie, so werden wir nicht mit
den letzteren, sondern mit den ersteren beginnen müssen; der Grund hierfür wird seinerzeit
mitgeteilt werden.
a) Die Architektur des äusseren Nestes bei den oberirdischen Hummeln.
Die a llg em e in e G es ta lt des Nestes zeigt eine kleine Erhöhung über dem Boden,
deren Umfang an der Basis einen Durchmesser von ca. 13— 22 cm besitzt.
In Fig. 13 sehen wir schematische Darstellungen der Nester von B. muscorum,
welche uns auf eine lehrreiche Korrelation zwischen der Höhe des Nestes und dem Durchmesser
seiner Basis hinweisen (Nester B u. A): c.
je höher nämlich das Nest ist, desto geringer
ist der Durchmesser seiner Basis und umgekehrt.
Das Weibchen verwendet auf die
Anlegung des Nestes ein bestimmtes Quantum
V O n Kraft und Material; sobald dieses Quan- p jg jg Konturen dreier oberirdischer Nester von Bombus
tum verausgabt ist, beendigt das Weibchen muscorum. A. Kontur des Nestes e - d ; B. Kontur des
. Nestes e — f ; C. Kontur des Nestes a—b. sein Werk.
Es ist ebenso schwierig zu sagen, wodurch sich der Baumeister bei der Bestimmung
des Momentes für die Beendigung der Arbeit leiten läßt, wie es schwierig ist, zu sagen,
wodurch sich eine Wespe leiten läßt, welche Honig in eine von dem Beobachter unten angebohrte
Zelle einträgt, so daß der Honig herausfließt, und dennoch nach einer bestimmten
Anzahl von Ausflügen nach Nahrung ein Ei in die leere Zelle ablegt und die letztere verschließt,
als hätte sie ihr Werk in richtiger Weise ausgeführt. Dieselben Gründe, von
welchen sich die Wespe leiten läßt, nachdem sie ein bestimmtes Quantum von Kraft angewendet
und eine bestimmte Muskelarbeit geleistet hat, ohne die geringste Vorstellung davon
zu haben, inwieweit dieser Kraftaufwand der Bestimmung des ausgeführten Werkes
entspricht, — eben diese selben Gründe dienen augenscheinlich auch der Hummel als
Richtschnur in ihrem Tun.
Es ist klar, daß, wenn bei einem bestimmten Aufwand von Kräften die Höhe des