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 Chamäleo.  Die  Verhältnisse  liegen  hier  grösstenteils  so  klar,  dass  die  Streitfrage  nach  der  
 Entstehung  des  Mesoderms  bei  den  Reptilien  dadurch  wohl  eine  endgültige  Erledigung  erhalten  
 dürfte.  —-  Bevor  ich  auf  die  Mesoblastentwickelung  eingehe,  schildere  ich  nochmals  
 das  jü n g s te   von  mir  beobachtete  Stadium  (Figg.  182—184). 
 Der  kreisförmige  Embryonalschild,  an  dessen  Rändern  sich  die  ringförmige  Amnionfalte  
 erhebt,  setzt  sich  aus  zwei  wohl  entwickelten  und  völlig  von  einander  getrennten Keimblättern, 
   dem  ä u s s e r e n   und  dem  in n e r e n 1)  zusammen;  das  e r s t e r e   stellt im Bereiche  des  
 Embryonalschildes  ein  kräftige  Platte  von  beträchtlicer Dicke,  zusammengesetzt  von  cylinder-  
 förmigen  Zellen  dar.  Charakteristisch  ist  es  für  Chamäleo,  dass  das  a u s s e r em b ry o n a le   
 E k to b la s t  in  dieser  frühen  Zeit  schon  fast  das  gesamte  Ei  umwachsen  hat;  nur  eine  ganz  
 kleine Stelle,  die  dem Embryonalschild ungefähr diametral gegenüber  liegt und  auch beinahe  dieselbe  
 Grösse  besitzt  wie  dieser,  der Umwachsungs-  oder D o t t e r n a b e l ,  ist noch  frei von  ihm. 
 Das  u n te r e   K e im b la tt  stellt  in seinem  em b ry o n a le n  Abschnitt überall  eine  dünne  
 aber wohl entwickelte Lamelle dar; ,nur in seinen m e d ia le n  und v o rd e r e n  Partieen  sind seine  
 oberflächlichen —  dem  Ektoblast  zugewandten—  mesenchymatösen Zellen  noch  locker gefügt  
 (Fig.  184).  Ich  wiederhole  nochmals,  dass  das  untere  Keimblatt  an  k e in e r   Stelle  mit  dem  
 oberen - zusammenhängt;  auch  von  dem  Dotter  lässt  es  sich  leicht  abheben,  weil  unterhalb  
 des  Embryonalschildes  sich  schon  die  su b g e rm in a le   H ö h le   ausgebildet  hat.  Die  Zellen  
 des  a u s s e r em b ry o n a le n   Entöblast  werden  distalwärts  allmählich  immer  dotterreicher;  
 auf  das  Verhalten  derselben  komme  ich  weiter  unten  nochmals  zurück. 
 An  demjenigen Teil  des  Schildes,  welcher  dem  späteren  kaudalen  Ende  des  Embryos  
 entspricht,  macht  sich  eine  Verdickung  des  ä u s s e r e n   K e im b la tte s   bemerkbar,  es  ist  die  
 P r im it iv p la t te   oder  der  P r im itiv s tr e if ;  vorne  schmal,  verbreitert  er  sich  an  seinem  
 kaudalen  Ende  beträchtlich.  Von  ihm  sprossen  Zellen  f r e i  in  den  Raum  zw isch en   
 ä u s s e r em   u n d   in n e rem   K e im b la tt  h in e in   (Fig.  182).  Dieselben  stellen  den  ersten  
 Anfang  des  m ittle r e n   Keimblattes  dar,  das  sich  zunächst  s e itlic h   und  nach  h in te n   ausbreitet, 
   wodurch  bei  der  Ansicht  von  der  Fläche  die  Gestalt  einer  S ic h e l  hervorgerufen  
 wird  (Fig.  177).  Ausserdem  dehnt  es  sich  in  der M e d ia n lin ie   aber  auch  nach  v o rn e   aus  
 und  bildet  hier, einen  hinten  breiten,  vorne  aber  ganz  spitzen  K o p f f o r t s ä tz ,  der  nicht  nur  
 von  dem  oberen,  s o n d e rn   au ch   v o n   dem  u n te r e n   K e im b la tt  d u r c h a u s   f r e i  b le ib t.  
 (Fig.  177,  183). 
 In  s p ä te r e n   Stadien  wuchert  das  mittlere  Keimblatt  zunächst  ausserordentlich  stark  
 in  den  h in te r e n   und  s e itlic h e n  Partieen  des Embryos  und  gelangt  von  hier  aus  sehr  bald  
 weit  auf  den D o tte r  s a c k ,  wo  es  sich  überaus  frühzeitig  in  zwei Lamellen  zerlegt,  in  deren  
 unteren  sofort  die  Anlage  von  Blut  und  Blutgefässen  vor  sich  geht.  Ausserdem  wächst  es,  
 namentlich  von  dem  kaudalen  und  oberen  Abschnitt  des  Primitivstreifens  aus,  auch  in  die  
 Amnionfalten  hinein,  breitet  sich  darin  aus  und  ist  dort  an  der  dorsal-lateralen  Seite  des  
 Embryonalschildes  in  der  Regel  stark  verdickt  (Fig.  188— 192  lvin.). 
 In  Übereinstimmung  mit der  raschen  Entwickelung  des  mittleren Keimblattes  in  diesen  
 Teilen  der  Embryonal-Anlage  dehnt  sich  der  Primitivstreif  weit  nach  hinten  hin  aus  und  in 
 *)  Icli  gebrauche  die  Ausdrücke:  äusseres,  inneres,  mittleres  Keimblatt;  Ecto-,  Ento-,  Mesoblast  und  Ecto-,Ento-,  
 Mesoderm  abwechselnd  in  g l e i c h e r   Bedeutung. 
 späteren  Stadien  biegt  sein  v e r b r e i te r t e s   kaudales Ende  sogar  dorsal  herum,  so  dass  auch  
 von  hier  fortwährend  Zellen  des  äusseren  Keimblattes  zur  Bildung  des  mittleren  in  grossem  
 Umfange  herauswuchern  (Fig.  202—205  am i). 
 Gleichzeitig  mit  diesen  Vorgängen  nimmt  der  K o p f fo r ts a tz   des  Mesoblast  ebenfalls  
 an  Länge  und  Umfang  zu,  anfangs  sich  immer  noch  fre i  zwischen  äusserem  und  innerem  
 Blatt  ausbreitend;  dann  aber  v e r lö t e t   sein  v o r d e r s t e r   in  der  Medianlinie  gelegener  
 Abschnitt  mit  den  dort  befindlichen,  oben  bereits  erwähnten,  lose  gefügten  Zellen  des;  
 Entöblast. 
 Während  bis  dahin  der  Kopffortsatz  noch  dauernd  so lid e   war,  bildet  sich  nunmehr  
 als  ein  weiteres Entwickelungsstadium an  dem'  vordersten Ende  des Primitivstreifens  eine E in s 
 tü lp u n g   aus,  die  in  den  Kopffortsatz  hineindringt  und  auf  diese Weise  einen  „U rd arm “  
 oder  ein  „Meso’d e rm s ä c k c h e n “  (0.,':Hertwig.)  darstellt. 
 In  dem  Masse,  wie  der  Kopffortsatz  nach  vorne  weiter  wächst  Tp  wobei  sich,  ich  
 wiederhole  es,  sein Vorderer  und  medialer  Teil  derart  mit  dem  Entöblast  m is c h t,  dass  es  
 nicht  mehr  zu  entscheiden  ist,  ob  die  an  jener Stelle  gelegenen  Zellen  zu  dem  unteren  oder  
 dem  mittleren  Keimblatt  zu  zählen  s in d [^ 9  vereinigen  sich  fortschreitend  seine  f r e ie n   
 l a t e r a l e n   P a r t ie e n ,  die  „M e so d e rm flü g e l“ ,  sei  es,  dass  sich dieselben von vorne herein  
 nicht  mit  dem  Entöblast  vereinigt,  sei  es,  dass sie sich später von ihm wieder  losgelöst haben,,  
 mit  den  peripheren  Teilen  des  dorsal  im  Amnion  liegenden  Mesoblast,  sodass  nunmehr  der  
 Embryo  im  Querschnitt  von  einem  vollständigen  Ring  des  Mittelblattes  umgeben  ist.  Hievon  
 macht  in  frü h e n   Stadien  nur  der  v o r d e r s te   Teil  des  Kopfforsatzes  eine  Ausnahme,  
 indem  er  anfangs  noch  von  den  dorsalen  Mesoblastmassen  gesondert  bleibt  (Fig.  189  und  
 190);., . 'D 
 er  im  Kopffortsatz  befindliche  Urdarm  b r ic h t  nun  n a c h   u n te n   d u rc h   und  zwar,  
 wie  es  mir  scheint,  nur  an  einer  bestimmten  Stelle,  an:  jener  nämlich,  an  welcher  ursprünglich  
 die  erste Verlötung  des  vordersten Endes  des  noch  völlig  soliden Kopffortsatzes  mit dem  
 Entöblast  sich  vollzog. 
 Die  ganze  Art  und  Weise  der  ersten Mesoblastentwickelung  zeigt,  abgesehen  von den.  
 Komplikationen,  welche  durch  das  frühzeitige  Amnion  hervorgerufen  werden,  unverkennbar  
 eine  grosse  Ähnlichkeit  mit  jener  der  Vögel,  weswegen  ich  auch  die  alten  Bezeichnungen  
 beibehalten habe,  die bei  der Vogelentwickelung von jeher zur Anwendung  gekommen sind.  Sie  
 befindet  sich  ausserdem  aber  auch  in  Übereinstimmung  mit  meinen  Anschauungen,  die  ich-  
 bereits  vor  längerer  Zeit  zum  Ausdruck  gebracht  habe1)  und  die  auch  neuerdings  von Gerh 
 a r d t 2)  und  O.  H e r tw ig   zum  grossen  Teil  angenommen  sind. 
 Es  steht  bei  Chamäleo  zunächst  vollständig  fest,  dass  das  mittlere  Keimblatt  sich  im  
 Bereiche  eines  P r im itiv s tr e if e n s   entwickelt  u n d 's e in e  E n ts te h u n g   e in z ig   u n d   a lle in   
 dem  o b e re n   K e im b la tt  v e r d a n k t,  da  es  anfangs  an  k e in e r   Stelle  mit  dem  unteren  
 zusammenhängt. 
 ■ ■)  j-j.  S c k a u i n s l a n d .   Beiträge  zur  Biologie  und  Entwickelung  der  Hatteria  nebst  Bemerkungen  über  die  
 Entwickelung  der  Sauropsiden.  Anat.  Anz.  Bd.  XV,  1899. — Die  Abbildungen  der  Präparate,  auf welchen  die  dort  auf-  
 gestellten  Behauptungen  fussten,  sind  weiter  unten  in  dem  II.  Beitrag  reproduziert  worden. 
 2)  U.  Ge r h a r d t .   Die  Keimblattbildung bei  Tropidonotus  natrix.  Mit  einem  Vorwort von Oskar Hertwig.  Anat.  
 Anz.,  XX.  Bd.,  1901.