so würde hieraus folgen, dass jenes Emporrücken bei der Mehrzahl der Arten am Kopfe
unvollständig vollzogen wäre, während es nur innerhalb dieser Gruppe zu einer vollständigen
Vereinigung der beiderseitigen Teile gekommen wäre. Die Mitglieder der vorliegenden Gruppe
wären also in dieser Beziehung weiter gegangen, würden somit ein höheres Stadium repräsentieren
als die übrigen E.-Arten.
Weiter differenziert als die vorige Gruppe ist die vorliegende auch darin, dass der Gesichtsschädel
etwas kürzer ist1). Dass der längere Gesichtsschädel innerhalb der Gattung
Erinaceus die primitivere Form darstellt, geht aus dem Vergleiche mit den Gymnurini hervor.
Dass die Stämme I und II ursprünglicher sind als die übrigen, erhellt auch daraus,
dass der untere P d 4 (bei j e r d o n i, a 1 b u 1 u s, a u r i t u s) die am schwächsten entwickelte
d. h. ursprünglichste Form darbietet, welche mit derjenigen der G ym n u r in i am meisten übereinstimmt
(siehe oben pag. 26, 40).
Alle Formen dieses Stammes zeichnen sich durch ihre langen Ohren aus und weichen
nur in so geringfügigen Organisationsverhältnissen (Fussballenbeschaffenheit, Farbe und Länge
der Stacheln und dergl.) von einander ab, dass D o b s o n die ArtVerschiedenheit von co 1-
l ä r i s , a lb u lu s und m e g a lo t i s beanstandet. Hier wie in den übrigen von mir aufgestellten
Gruppen scheint'es mir aber keinem Zweifel zu unterliegen, dass die fraglichen Formen sich
zu getrennten „Arten“ entwickelt haben, da die geringen morphologischen Verschiedenheiten
mit dem benachbarten, aber doch geographisch getrennten Wohngebiete zusammenfallen. Die
Mitglieder d e s s e lb e n Stammes sind somit das, was man -als „vikariierende“ Arten bezeichnet
hat.
In diesem Zusammenhänge verdient auch der Umstand unsere besondere Beachtung,
dass eine Art Parallel-Ausbildung der Formen innerhalb dieses und des nächstverwandten
jerd o n i-S tam m es stattgefunden hat. So hat der jedenfalls am wenigsten differenzierte Repräsentant
des c o 11 a r i s - Stammes, E. c o 11 a r i s, dasselbe Wohngebiet (nordwestliches Indien)
wie derjenige der j e rdoni-Gruppe, E. j e r d o ni. Ferner verhält sich die am höchsten differenzierte
Form der vorliegenden Gruppe, nämlich m e g a lo ti s , in morphologischer wie geographischer
Beziehung zu den übrigen ebenso, wie m a c r a e a n th u s zu seinen Stammes-Ge-
nossen: d. h. er zeichnet sich durch seine bedeutendere Körpergrösse, seine grossen Ohren und
Stacheln aus und bewohnt ein an die orientalische Region grenzendes Gebiet (Afghanistan) der
paläarktischen Region.
Dem Wohngebiete von m e g a lo t i s schliesst sich dasjenige von a lb u l u s zunächst an.
Von c o l l a r i s unterscheidet sich a lb u lu s nur durch abweichende Färbung, längere Stacheln,
sowie durch den kleineren Processus coronoideus mandibulae; Schädel und Zahnkrone sind
völlig übereinstimmend. Jedenfalls mit Recht bemerkt D o b s o n 2), dass die blässere Färbung
des a lb u lu s durch dieselben Ursachen wie bei anderen Säugern, welche die trockenen, .'sandigen
Gegenden Zentralasiens bewohnen, hervorgerufen sind.
A u r itu s , welcher nur durch geringere Grösse und Anwesenheit eines hinteren Fuss-
ballens von den übrigen abweicht und in der Form des Processus coronoideus mit a lb u l u s
1) Jedoch ist zu bemerken, dass nach meinem Material zu urteilen der männliche Schädel von c o l la r i s dieselbe
verlängerte Form wie der weibliche von j e r d o n i und n ig e r hat.
2) 8 2 pag. 18.
übereinstimmt, zeichnet sich durch weitere Verbreitung vor allen übrigen Formen dieser
Gruppe aus, Wenn auch sein Vorkommen in einigen der oben angegebenen Länderstrecken
noch einer Bestätigung bedarf, so kann doch mit Sicherheit angenommen werden, dass sein
Verbreitungsgebiet mit keinem der übrigen Mitglieder dieses Stammes zusammenfällt.
III. Der Pictus- Stamm
umfasst 1) E. p i c tu s : nordwestliches Indien;
2) E. m ic r o p u s : südliches Indien, Ceylon (?);
3) E. s e n a a r e n s i s : südliches Tunis4), Massauah1), Senaar2) ;
4) E. d e s e r t i : Gabös1), „Sahara barbaresque“ 3) ;
5) E. d o r s a l i s : südliches Arabien.
Von den beiden vorigen Gruppen unterscheiden sich alle Mitglieder dieses Stammes
•dadurch:
1) dass die Tympanalregion den höchsten Grad der Komplikation erreicht (vergl. oben
pag. 55);
2) dass der Schädel viel breiter und kürzer als bei allen anderen E.-Arten is t;
3) dass der Processus postorbitalis stärker als bei den anderen Arten ausgebildet ist
(vergl. oben pag. 52);
4|\§|ass der obere P 3 rudimentär ist oder fehlt.
Von der Gruppe II unterscheidet sich die vorliegende ausserdem durch das Vorkommen
eines von Stacheln freien Längsstreifens in der Kopfmitte.
Mit Ausnahme von se n a a re n s is (und wohl auch dorsalis) sind die vorliegenden Formen
durch kleine Füsse und kurze Zehen ausgezeichnet; besonders bemerkenswert ist in dieser Beziehung
die Übereinstimmung zwischen p ic tu s und d e s e r ti4). Wahrscheinlich hat D o b so n 0)
recht, wenn er den Fussbau dieser Arten mit ihrer Lebensart auf sandigem Boden in Beziehung
bringt. Es könnte natürlich diese Übereinstimmung sehr wohl eine blosse Konvergenz
sein; bei der grossen Übereinstimmung der fraglichen Arten im übrigen, und da keine der anderen
E.-Arten, welche (wie z.B. albulus) Wüstenbewohner sind, sich diese Fussbildung angeeignet
haben, darf man aber wohl hierin eine durch Vererbung erworbene Eigenschaft sehen.
Aus den angeführten Eigentümlichkeiten dieser Gruppe geht unbestreitbar hervor,
dasö ih r e M itg lied er h ö h e r d iffe re n z ie rt sind a ls diejenigen der beiden v o rig en
G r u pp e n.
Die jetzige geographische Getrenntheit der diese Gruppe zusammensetzenden F o rm e n ^
einige gehören der orientalischen, andere der äthiopischen Region an — kann nach unserer heutigen
zoogeographischen Auffassung kein Bedenken gegen ihre intime genetische Zusammengehörigkeit
erwecken. Zwingen doch andere zoogeographische und paläontologische Befunde zur Annahme
des Vorhandenseins einer Landverbindung zwischen der äthiopischen und orientalischen
Region wenigstens so spät wie während der älteren Pliocänzeit. Zu Gunsten der Annahme
1) Nach Exemplaren im zootomischen Institut zu Stockholm.
2) Nach einem Exemplare im British Museum zu London.
3) Nach .L a t a s t e (87) pag. 5.
4) Vergleiche D o b so n (82) PI.III, Fig.9 und 11 .
5) D o b son (82) pag. 13.