Ersatzgebisseg,' als auch die Unterdrückung der Milchzähne bei den vorhandenen Ante-Molaren
zu erklären, denn die Zähne ohne entsprechende Repräsentanten im Milchgebiss sind offenbar,
in gewisser Beziehung rückgebildet. Doch mag auch hier erbliche Anlage die Rückbildung
teilweise unterstützen, da P d 2 schon bei den Gymnurini nur als einjsphmelzkiseä Rudiment
vorhanden ist.
Zum Ausgangspunkt für eine vergleichende Sichtung des Zahnsystems der verschiedenen
Mitglieder einer Tiergruppe ist a priori natürlich dasjenige Zahnsystem zu wählen, welches folgende
drei Forderungen erfüllt :
1) es muss selbstverständlich einem der historisch ältesten Repräsentanten angehören;
2) es darf, verglichen mit dem der übrigen Mitglieder der Familie, weder offenbar rück-
gebildet, noch
3) in einseitiger Richtung differenziert sein.
Schon eine flüchtige Bekanntschaft mit dem Gebiss eines der ältesten bekannten Eri-
naceiden, Necrogymnurus, genügt, um uns zu überzeugen, dass sein Zahnsystem diesen
Anforderungen in eminentem Grade genügt. Es enthält die für das unreduzierte Gebiss der
Placentalier gewöhnliche Anzahl Zähne von jeder Zahnart; zeigt keine auffällige Rückbildung
oder Spezialisierung irgend eines Zahnes; geschlossene Zahnreihe; C (wahrscheinlich) sehr wenig
differenziert; die unteren I und C haben nicht die geneigte Lage wie z. B. bei Hylomys, sondern
stehen mehr senkrecht zur Längsachse des Kiefers; vordere Prämolaren gleichartiger ausgebildet
als bei den übrigen Gymnurini; alle Prämolaren ausser P 1 mit zwei Wurzeln. Da,
wie gesagt, Necro g ym n u ru s ausserdem zu den ältesten bekannten Erinaceiden gehört, und
da es sich zeigen wird, dass das Zahnsystem a lle r übrigen bisher gefundenen Familiengenossen
von dem seinigen zwanglos sich ableiten lässt, so müssen wir, soweit d a s Z ab n sy stem
in B e tra ch t kommt, Necrog. als den S tam m v a te r de r ü b rig en h e u te b ek an n ten
E rin a c e id en b e tra c h te n .
Von N e c ro g ym n u ru s aus haben sich die Gebisse der übrigen Gymnurini in zwei
verschiedenen Richtungen entwickelt. Die eine Richtung ist von Galerix, L an th an o th e -
rium und Gymnura, die andere von Hylomys eingeschlagen worden.
Die mit G a lerix beginnende Reihe wird N e cro g ym n u ru s gegenüber dadurch gekennzeichnet,
dass die Ante-Molaren, besonders die oberen Schneidezähne, die oberen und unteren
Eckzähne und Prämolaren höher und kürzer, somit schlanker geworden sind. Hierbei ist ausdrücklich
zu bemerken, dass das Zahnsystem des mittelmiocänen G a lerix dem obereocänen
Necro g ym n u ru s viel näher steht als die recente Gattung G ymnura. Bei Ga 1 e rix (Fig. 20—25),
ebenso wie bei dem gleichalterigen L an th an o th e rium , hat die besagte Ausbildung eben erst
begonnen: so nimmt G a le rix (resp. L an th an o th e rium )in der Ausbildung der unteren Schneide-
und der oberen und unteren Eckzähne eine Mittelstellung zwischen Ne cro g ym n u ru s und Gymlichen
Erscheinungen nicht nach einer Schablone zu beurteilen sind. Vielleicht hat W in ge (82) das Richtige getroffen,
wenn er in der rasch erreichten Vollwüchsigkeit der S p it zm ä u s e die nächste Ursache des Ausfalls des Milchgebisses
bei diesen Tieren sieht. Ferner ist es mir nicht verständlich, weshalb unter den Talpidae das Milchgebiss bei T a lp a ,
S c a lo p s und C o n d y lu r a rückgebildet, während es bei U ro tr ich u s ausnehmend stark ist (vergl. meine früheren
Mitteilungen 97).
n u ra ein; P J und P2 haben bei Necro g ym n u ru s und G a lerix zwei, bei G ym n u ra eine
Wurzel; dagegen ist vielleicht G a lerix in der Ausbildung des P 3 noch etwas über Gym nura
hinausgegangen.
Einen Beweis für die Herkunft des Gymnura-Gebisses von dem des Necro g ym n u ru s G y
haben wir im Milchgebiss des ersteren. In diesem haben sich nämlich Zeugnisse dafür erhalten,
dass das Ante-Molarengebiss dieses Tieres einst mit dem des Ne cro g ym n u ru s näher übereinstimmte
als heutzutage: die Differenzierung der oberen Schneidezähne ist mehr ausgeprägt
im Ersatz- als im Milchgebiss; Cd und Cd kleiner im Verhältnis zu Id als im Ersatzgebiss;
P d 3 bei Gymn. steht vermittelnd zwischen P3 bei N ecrogymn. und dem bei Gymn.; P d 3
bei Gymn. stimmt am besten mit P 3 bei Necrogymn. und P d 4 bei Gymn. besser als P4
mit P 4 bei Necrogymn. (vergl. Fig. 12, 13 mit 14—19)1).
Als ein Ein wand gegen die Ableitung des Zahnsystems der Gymnura von dem des
N e cro g ym n u ru s kann die stärkere Ausbildung der hinteren Hälfte des M3 bei der letzteren
Form schwerlich angeführt werden. Die Verlängerung der Kiefer, durch die sich Gymnura
auszeichnet, hat nämlich eine progressive Entwicklung dieses Zahnes verursacht. Die Voraussetzung
für eine solche progressive Ausbildung, nämlich die Schmelzleiste und ihre knospenförmigen
Wucherungen am Ende der Zahnreihe, habe ich schon früher nachgewiesen2). Für
das thatsächliche Vorkommen auch sekundärer Vergrösserungen werden unten Belege angeführt
werden.
Es lä s s t sich somit völlig zwan g lo s das Z ahnsystem von Gymnura als ein
D iffe re n z ie ru n g sp ro d u k t von dem des Ne crogymnurus ab leiten, und zwar h ö ch st
w a h rsc h e in lic h u n te r V e rm itte lu n g von G a lerix 8), we lch e r ja auch zeitlich zwischen
Necrogymn. und Gymn. steht.
L an th an o th e rium ist, nach den allein bekannten Unterkieferzähnen zu urteilen, als Lan
eine von Galerix sich abzweigende Form zu betrachten, von letzterem nur durch Reduktion th
der vorderen Prämolaren verschieden.
Ein anderer Entwicklungsgang, von Necrogymnurus ausgehend, ist, wie erwähnt, vom Hy:
Zahnsystem des H y lom y s eingeschlagen worden, wobei es sich aber weniger weit von dem
Ausgangspunkt entfernt hat als das Gymnuragebiss (Fig. 1—5): Wir erkennen dies zunächst
im Gesamthabitus des Zahnsystems des Hylomys, indem die drei Ante-Molarenarten (I, C, P) weniger
von einander verschieden sind, somit die Differenzierung weniger weit gediehen ist als bei
G ym n u ra4). Ferner stimmen P J und P2 des Hyl. mit denjenigen bei N e c ro g ym n u ru s
1) Über die stammesgeschichtliche Bedeutung des Milchgebisses siehe meine früheren Ausführungen (95 pag. 140)
und unten.
2) L e c h e f | $ f f
3) Der e in z ig e Grund, G a le r ix eher als eine Nebenform, anstatt als eine Zwischenform zwischen Necrog.
und Gymn. aufzufassen, sollte in der erwähnten höheren Ausbildung des P 3 zu suchen sein.
4) Für die Ansicht, dass das Vorkommen einer Basalspitze an den oberen Schneidezähnen bei Hy lom y s
ursprünglich, nicht erst von diesem Tiere erworben ist, sprechen folgende Thatsachen. Eckzahn und vordere Prämolaren
sind ebenfalls mit Basalspitze ausgerüstet, während diese bei Gymnu ra fehlt; sie ist im Milchgebiss stärker als
im Ersatzgebiss und kommt im ersteren auch bei Gymnu ra vor; eine solche Basalspitze kommt auch an den oberen
Schneidezähnen anderer Insektivoren (Centetid ae, T a lp id a e ) vor, bei welchen sie ebenfalls im Milchgebiss (Centetid
a e ) stärker ausgebildet ist als im Ersatzgebiss (L e ch e 97)- Leider fehlen annoch die paläontologischen Zeugnisse
für die endgültige Entscheidung dieser Frage gänzlich.