Das Zahnsystem.
Ich gebe zunächst eine Übersicht über die Zähne im Milch- und Ersatzgebiss einer
jeden Unterfamilie. Wo thunlich, sind schon hier, um die Übersichtlichkeit zu erleichtern,
die sich unmittelbar aus den mitgeteilten Thatsachen ergebenden Resultate zusammengefasst.
Diesem Abschnitte folgt eine Darstellung der historischen Ausbildung des Zahnsystems der
Erinaceidae, teils des Zahnsystems als Ganzen, teils der einzelnen Zähne; hieran schliessen
sich Untersuchungen über die stammesgeschichtliche Bedeutung des Milchgebisses und Uber
einige allgemeine Fragen, welche durch das Studium des Zahnsystems beantwortet werden.
Für die einzelnen Zahnteile ist eine Terminologie gewählt worden, welche nicht missverstanden
werden kann und von keiner theoretischen Voraussetzung ausgeht.
T h a t s a c h e n m a t e r i a l .
I. Gymnurini.
Die Zahnformel der zur Verkalkung kommenden Zähne ist bei den lebenden Gymnurini:
l . / f g l ä 1. . 1. 2. 3. 4. 1. 2. 3.
i. 2. 3-') i. 2. 3. 4.
I s) C P M.
■■ 2. 3. I. 2. 3. 4.
1, 2. 3. 1. F 2. 3. Jiji ,: . 1.- 2. 3.s)
Das Milchgebiss der fossilen N e c ro g ym n u ru s und G a le rix ist nicht bekannt; die
Formel ihres Ersatzgebisses ist dieselbe wie die der recenten. Das vollständige Gebiss von
L a n th a n o th e rium und T e t r a c u s ist nicht bekannt.
Litteratur Selbständige Darstellungen des persistierenden Gebisses von Gymnura haben früher
G.bü/dlr ge£eben B la in v ille (39), Owen (40)4), Giebel (63), Mivart(66) und D o b so n (82); das Milch-
G ym n u r in i. ___________________
1) Oberer Id 3 nur bei Gymnura beobachtet.
2) I bedeutet Schneide-, C Eckzahn, P Prämolar und M Molar; die entsprechenden Milchzähne sind als Id,
C d und P d bezeichnet.
3) In dieser Formel sind die Milchzähne durch kleineren, die Ersatzzähne durch grösseren Drück angegeben.
4) Blainville und Owen bilden offenbar dasselbe Exemplar ab.
gebiss ist untersucht worden von T h om a s (92), W o o dw a rd (96) und mir (97). Das persistierende
Gebiss von Hylomys hat Anderson (74) beschrieben, das Milchgebiss ich (97). Die
Litteraturangaben über das Gebiss der fossilen Gymnurini sind in der folgenden Darstellung
berücksichtigt.
Zähne des Zwischen- und Oberkiefers.
Uvist höher1) als 12 und 13, bei G ym n u ra (Fig. 7) fast doppelt so hoch als 12, bei
O b e r e S c h n e i -
d e z ä h n e d e s
Hylomys (Fig. 1) ist der Unterschied geringer. Während I I bei Gymn. fast den Habitus
eines Raubtier-Eckzahnes hat, ist er beiHyl. mehr prämolarenartig mit nur angedeuteter oder
(seltener) vollständig ausgebildeter hinterer Basalspitze, von welcher ich bei Gymn. nur einmal,
und zwar nur einerseits, eine Andeutung fand.
12 beiHyl. besitzt manchmal (2 Exemplare) eine hintere Basalspitze; bei Gymn. ist sie,
wenn vorhanden, nur angedeutet. Bei keinem Exemplare von Gymn. finde ich die von Dobs
o n 2)'beschriebene vordere Basalspitze.
13, der schwächste der Schneidezähne, fiat im nicht abgenutzten Zustande beiHyl. eine
deutliche, bei Gymn. eine schwächere hintere Basalspitze. Der Zahn wird bei älteren Individuen
von Gymn. durch Abnutzung gegen den unteren C regelmässig auf einen Stumpf reduziert
oder fällt aus.
Von den Schneidezähnen des N e c ro g ym n u ru s sind nur die Alveolen bekannt, und
soll, nach diesen zu urteilen, I I stark entwickelt sein (Filhol 84 pag. 1); über die oberen
Schneidezähne bei G a le rix wissen wir nichts.
Die Milchschneidezähne (Fig. 3, 5, 12 a) zeigen ein anderes Grössenverhältnis, als die persistierenden:
I d 1 und I d 2 sind etwa gleich hoch. Beide sind mit einer hinteren Basalspitze,
stärker beiHyl. als bei Gymn., versehen; Id 2 zeigt bei einem Exemplare von Gymn. ausser-
dem eine schwache vordere Basalspitze. Die Wurzel des Id 2 bei Hy 1. (Fig. 5) ist mit einer Furche8)
versehen; die übrigen persistierenden und Milch-Schneidezähne haben ungefurchte Wurzeln.
I d 3 dürfte bei Gymn. regelmässig, wenn auch stets rudimentär, auftreten. Auf allen
Stadien, wo er überhaupt zu erwarten, konnte ich ihn nachweisen: so an einem Schädel von
45 mm Basilarlänge (Fig. 12 a)4) und in den Schnittserien eines neugeborenen und eines etwas
älteren TieresB). Hierbei ist zu bemerken, teils, dass bei den fraglichen Exemplaren der Zahn
jedenfalls nie das Zahnfleisch durchbrochen haben würde, teils, dass seine Ausbildung individuell
variiert, indem er bei den beiden ältesten Individuen relativ gross und mit Schmelz versehen
ist, während er beim neugeborenen Individuum eine ganz winzige, schmelzlose Zahnscherbe
repräsentiert. An meinem Material von Hyl. habe ich allerdings keinen verkalkten I d 3 ge-
i s t i e r e n -
d e n G e b i s s e s .
b e r e S c h n e i e
z ä h n e d e s
M i l c h g
e b i s s e s .
1) Mit Zahnhöhe ist hier und im folgenden die Ausdehnung des Zahnes in vertikaler Richtung, mit Zahnläng
e diejenige in der Richtung des Kiefers gemeint.
2) D o b so n (82) pag. 20.
3) Wo von einer Furche an der Wurzel die Rede ist, wird stets eine solche in vertikaler Richtung gemeint.
4) Auf dieses Exemplar stützt wohl auch T h om a s (92 pag. 505) seine Angaben.
5) Von Woodward (96 pag. 565, Fig. 10) ebenfalls in Schnitten nachgewiesen; er bezeichnet das von ihm
untersuchte Exemplar von 205 mm Totallänge als Foetus, was sicher auf einem Irrtum beruht.
T.]'