Beschreibung einzelner Typen von Duftorganen.
Zerstreut stehende Duftschuppen auf den Flügeln.
Vertreter mit solchen Duftorganen sind zunächst die Männchen verschiedener Arten aus
der Familie der Pieridae. So können wir sie z. B. unter den einheimischen Arten finden bei
Pieris brassicae, P. rapae, P. napi, Aporia crataegi und Anthocharis cardamines. Allen ist gemeinsam,
dass ihre Duftschuppen an der Spitze einen feinen Haarbüschel tragen, weshalb ihnen
B a illif ja auch den Namen „plumules“ = „Federbuschschuppen“ gab.
Besonders zahlreich und verhältnismässig gross sind sie bei P i e r is n ap i ausgebildet,
weshalb ich mich bei der ferneren Betrachtung auf diesen Schmetterling beschränken will.
(Tafel L>
Die Federbuschschuppen haben bei Pieris napi länglich-lanzettliche Gestalt. (Fig. 1.)
Am Grunde (gr) sind sie nierenförmig eingebuchtet und mit einem für die Grösse der Schuppe
sehr zarten Stiele (st) am Flügel befestigt. Auf ihrer Oberfläche kann man feine Längsleisten (1)
von Chitin erkennen, welche sich oben in den Haarbüschel (h) fortzusetzen scheinen. An Länge
übertreffen sie die gewöhnlichen Schuppen, abgesehen von den langen Haar- und Fransenschuppen,
bedeutend. Eine gewöhnliche weisse Schuppe ist etwa 0,210 mm, eine schwarze
0,110 mm, eine Duftschuppe dagegen bis 0,350 mm lang. Die Federbuschschuppen überziehen
die Oberseite der Vorder- und Hinterflügel als ein zarter, weisserFlaum. Sie sind sohinfällig,
dass man sie selbst bei sanfter Berührung ’abstreift. Bringt man den Flügel in Alkohol, so
lösen sie sich ab und schwimmen oben auf der Flüssigkeit. Sind sie schon im frischen Zustande
ausserordentlich durchsichtig, so erweisen sie sich, in Kanadabalsam, Glycerin oder
andere Mittel eingebettet, als völlig glashell.
Die Duftschuppen stehen bei Pieris napi in regelmässigen Reihen zwischen den übrigen
Schuppen. Schon D e s c h am p s (2) bildet ein Stück Flügel mit den reihenweise angeordneten
Alveolen der Federbuschschuppen ab. Bei einigen Männchen'von Pieris napi fand.ich je eine
Reihe, bei anderen sogar je zwei Reihen Duftschuppen zwischen den übrigen Schuppenreihen.
(Fig. 2: d = Alveolen der Duftschuppen, g = Alveolen der gewöhnlichen Schuppen.)
Die Alveolen der Duftschuppen sind etwas kürzer als die der gewöhnlichen Schuppen, dafür
aber breiter; erstere sind 0,009 mm lang und 0,007 mm breit, letztere 0,012 mm lang und 0,003 mm
breit. So erscheinen erstere als breite Näpfe (Fig. 3), Der Boden (b) derselben ist convex
nach aussen gewölbt. In der Mitte (m) ist er durchbrochen, und dieser Öffnung sitzt das Stiel-
chen der Duftschuppe auf. Letzteres zeigt der Längsschnitt Fig. 4 bei st.
Schuppt man einen Flügel ab, färbt ihn etwa 24 bis 36 Stunden mit Boraxcarmin und
wäscht ihn dann gut aus, oder, was noch besser ist, färbt man ihn nach H e id en h a in , (wobei
er etwa 4 Tage im Eisenalaun, 1 bis P/2 Tag im Hämatoxylin liegen und dann gut differenziert
werden muss), so sieht man unter allen Alveolen, sowohl denen der Duftschuppen wie auch
denen der gewöhnlichen Schuppen, Protoplasma und Kerne. Unter den Duftschuppen ist aber
die lebende Zellsubstanz in viel reicherem Masse zu finden als unter den anderen Schuppen.
So liegen unter ersteren meist zwei grosse Kerne. Protoplasma ist soviel vorhanden, dass
der Flügel unter der Duftschuppenalveole aufgetrieben erscheint. Der Grössenunterschied
zwischen einer Duftschuppenzelle (D) und der Zelle einer gewöhnlichen Schuppe ist an Fig. 4
ersichtlich.
Diese grossen Zellen unter den Duftschuppen sondern eine leicht verdunstende, duftende
Substanz, jedenfalls ein ätherisches Öl, ab, welche durch die Schuppen austritt. Da die Zellen
bei frisch geschlüpften Weisslingen gross, bei älteren Exemplaren aber mehr oder weniger geschrumpft
erscheinen, so ist anzunehmen, dass es besonders kräftig angelegte Hypodermiszellen
sind, die hier als Drüsenzellen funktionieren, und dass diese Zellen allmählich aufgebraucht
werden. Eine Verbindung mit den Rippen, durch die eine .Stoffzufuhr zu jenen Zellen vom
Körper aus stattfinden könnte, oder auch ein Angefülltsein des Flügellumens mit Blut ist nicht
zu entdecken. Der Duft, der von den Duftorganen ausgeht, lässt sich bei Pieris [napi sehr
wohl durch unser Geruchsorgan wahrnehmen. Man braucht nur über den unversehrten Flügel
eines Männchens mit dem Finger zu streichen, so wird man an letzterem deutlich das Sekret
riechen. W e ism an n (18) vergleicht den Duft mit dem Gerüche von Citronen- oder Melissenblüten;
mir scheint er eher dem Gerüche des Saftes von unseren kultivierten Cruciferen zu
ähneln.
Wie nun eigentlich das Sekret zum Austritt gelangt, lässt sich schwer entscheiden, da
sich an den Duftschuppen infolge ihrer ausserordentlichen Pellucidität mit dem Mikroskope
schwerlich etwas erkennen lässt und wegen ihrer Hinfälligkeit beim Überführen in Flüssigkeiten
brauchbare Schnitte sich nicht anfertigen lassen.
So wird sich Weis mann s(18) Ansicht, dass feine Kanälchen die Schuppe durchziehen
und an der Spitze der Büschelhaare münden, kaum sicher beweisen lassen. Ausserdem stände
dieser Fall im Vergleich mit dem Bau der Duftschuppen anderer Lepidopteren ziemlich vereinzelt
da. Es ist an der Hand der Vergleichung eher anzunehmen, dass sich auf der Oberfläche
der Schuppen feine Poren finden, und dass der Haarbüschel dazu dient, eine grössere
Oberfläche zu schaffen und so die Verdunstung zu beschleunigen. Ja, wenn man die Hinfälligkeit
der Duftschuppen in Betracht zieht, könnte man sogar annehmen, dass gerade durch das
Abreissen derselben dem Sekret ein bequemer Ausweg geboten würde. Hierfür sprächen ferner
ihre exponierte Lage, der dünne Stiel, ihre ziemlich lockere Anheftung in weiten Alveolen (die
gewöhnlichen Schuppen dagegen sitzen tiefer in engeren Alveolen) und endlich die Thatsache,
dass länger fliegende Falter die Duftschuppen fast ganz verloren haben. Im Falle geschlechtlicher
Erregung kann der Weissling die letzteren leicht durch Aneinanderreiben der Flügel
abstreifen, wobei gerade die Haarbüschel geeignete Angriffspunkte böten.
Ferner sind es unter den Lepidopteren die Lycaeniden, welche auf den Flügeln zerstreut
stehende Duftschuppen besitzen. Wegen ihrer eigentümlichen Gestalt sind sie schon frühzeitig