
Flortuch hielt, nachdem er sich selbst damit bekreuzigt hatte, an drei Stellen
aut die Erde, da wo Kopf, Brust undFüsse des Leichnams lagen: und damit
war die Ceremonie beendigt. Der Vater und die männlichen Verwandten
umstanden das Grab, und wurden von den übrigen Leidtragenden nach
orientalischer Sitte auf beide Schultern geküsst. Der Zug bewegte sich nun
langsam zurück, und die Frauen erhoben wieder Klagegesänge, wobei sie
als Befrain nach jeder Strophe ein Jammergeschrei ertönen liessen. Die
Mutter streute sich Erde auf den Kopf, und sie, wie die Frau und Schwester
, schlugen sich fortwährend mit Händen und Fäusten auf den Kopf.
Die Schwester namentlich ging meist rückwärts, jammerte, schrie, und
gebehrdete sich, als ob sie sinnlos geworden wäre. — Bei den Griechen und
griechischen Katholiken gehen die Frauen nicht mit nach der Grabstätte.—
Der junge Mann h a tte , wie man mir sagte, den Abend vorher so viel Eaqi
( . eine Art Branntwein, der aus Bosiuen, Feigen oder Datteln bereitet
wird) getrunken, dass er in der Nacht vom Schlage getroffen war — und
um Mittag schon wurde er beerdigt! Wie Viele mögen hier lebendig begraben
werden! Ein ärztlicher Todtenschein wird nicht verlangt, das Zengniss der
Priester reicht aus. Bei den Muhammedanern findet die Beerdigung noch
früher statt, und oft liegt ein Leichnam schon zwei Stunden, nachdem er
verschieden, im Grabe. Sie haben ordentb'che Särge mit Deckel, darüber
buntfarbige Tücher gebreitet werden; am Kopfende ist der Turban angebracht,
der, wenn der Todte ein Xach komme ihres Propheten war, von
grüner Farbe ist, und blinde Sänger, welche fortwährend das La ilah
illa Tlah singen, so wie Frauen in ihren weissen .1 r- Tzär, d. i. „Schleier“
g e h ü llt, folgen dem Sarge. Ein solches Leichenbegängniss sah ich wenigsten
einmal in Damascus. Es wurde mir auch erzählt, dass man wenige
Ja h re vorher ein neugebomes Kind lebendig aus dem Grabe herausgeholt
habe. Eine hochschwangere Frau war beerdigt worden. Einige Stunden nach
der Beerdigung waren Vorübergehende erstaunt, Kindergeschrei aus dem
Grabe zu hören. Nachdem sie sich überzeugt hatten, dass sie sich nicht
täuschten, setzten sie die Behörde davon in Keuntniss. Man öffnete das
G rab , und fand an der Seite der todten Mutter ein neugebomes Kind am
Leben.
Nichtunirte Armenier giebt es ebenfalls nur Wenige in Damascus. Der
Dragoman des preussischen Instructeurs, welcher selbst zu ihnen gehörte, versicherte
mir, dass sie kaum 10 Familien stark, und dass diese sämmtlich arm
seien; der melchitische Priester, Anton Bulad, dagegen behauptete, dass
ihre Seelenzahl sich auf ungefähr 300 belaufe, und Dr. Lautour endlich
schätzte dieselbe auf 150. Diese letzte Angabe scheint der Wahrheit am
nächsten zn kommen. Sie haben nur eine kleine, aber, wie es scheint, sein-
alte Kirche, welche vielleicht noch aus der vorislamitischen Zeit stammt.
mit einem dem heil. Jacob (von Nisibis) geweihten Altäre, zwei Geistlichen
und einer Schule. Sonntag, den 14ten December, besuchte ich ihre Kirche.
Es waren ungefähr 60 Menschen darin versammelt, unter denen allerdings auch
Kopten und syrische Jacobiten sein konnten. Zu beiden Seiten des Altars
standen zwei Männer, deren Einer einen W edel, der Andere einen langen Stock
tro g , welcher oben ein aufgespanntes Trommelfell von kleinen Glöckchen
umgeben zeigte. Letzterer wurde in kurzen Intervallen bewegt, um eine
Art Musik hervorzubringen. In der Mitte vor dem Altar sassen oder kauerten
vielmehr in orientalischer Weise eine Anzahl Chorknaben in weissen Talaren,
welcbeif auf den Bücken ein Kreuz genäht war, unter ihnen der Vorsänger,
dem sie accompagnirten. Vor dem Ende der Messe zeigte der Priester ein
kostbar geschriebenes und ebenso prachtvoll gebundenes Exemplar der Evangelien
vor, welches er mit einem schwarzen Flortuch anfasste, und Mehrern
der Anwesenden zum Küssen hinhielt. Während der Communion des Priesters
wurde ein Vorhang dicht vor den Altar gezogen. Kurz vor dem Schluss
brachte ein Diakonus mehrere dünne, runde und geweihte Brode, welche
gebrochen und bei dem Ausgang aus der Kirche denen,O ° ° die es wünschten,
gereicht wurden. — Ich wohnte auch der Bestattung einer Armenierin bei,
welche mit ihrem Bohne nach Jerusalem zu dem Osterfeste hatte wallfahrten
wollen, hier aber unterwegs gestorben war. Dem Zuge, welchen ein Geistlicher,
der die Litanei las, und ein Kirchendiener mit dem Rauchfass geleiteten,
schlossen sich Viele an. Die Leiche wurde, wie die des Jacobiten, ohne
Barg nur auf einer Trage, die mit einem langen Tuche überdeckt war, getragen,
und bloss mit einem weissen Hemde bekleidet in ein dazu gegrabenes,
schmales Loch gelegt, welches sogleich mit Erde bedeckt wurde.
Eine der bedeutendsten christlichen Gemeinden in Damascus ist die der
nichtunirten Griechen, deren Seelenzahl au f 3— 5000 geschätzt wird. Da
aber die letzte Zählung, welche vor 15— 2 0 Jahren staitgefunden haben
soll, allein 2200 männliche Individuen vom 15ten — lBten Lebensjahre an
ergab — denn nur diese wurden bisher in dem «smanisehen Reiche gezählt,
als allein Steuer- und, wenn sie Muhammedaner waren, militärpflichtig — :