
gleichsam auf Execution zu ihnen kommen, von jedem.Orte nach der Zahl
ihrer jüdischen Einwohner und nach deren Vermögen eine bestimmte
Summe von ihnen verlangen, sich von ihnen während ihres Aufenthalts
ernähren lassen, und, wenn sie die Summe nicht bekommen, die ganze
Gemeinde mit dem Cherem, dem Anathema, belegen, oder doch damit
drohen, wie diess einmal während meiner Anwesenheit in Bagdad geschah.
Diess flösst aber den Gliedern der Gemeinde gewöhnlich eine solche Furcht
und Schrecken ein, dass sie gern Alles, und mehr thun, als in ihren Kräften
steht. Dabei wirft man, ob mit Recht oder Unrecht, vermag ich nicht zu
entscheiden, den Vorstehern der Gemeinde vor, dass sie nicht ganz gewissenhaft
mit den Einkünften verfahren. Sir Moses Montefiore soll bei seinem
ersten Besuch von Palästina jedem armen Glaubensgenossen, der zu ihm
kam, einen Kronthaler gegeben haben, und war wie ein König aufgenommen
worden; später aber nahm er sich vor, statt dessen ein bleibendes Denkmal
zu hinterlassen, und ein grossartiges Hospital für die Juden zu gründen
und wurde excommunicirt, oder sollte es doch werden! Merkwürdig ist, dass
die Kunde von Rothsehild’s Geldmacht bis nach Persien gedrungen ist; und,
als ich mit dem Missionar Brühl dort war, wurden wir öfter gefragt, ob
wir nicht wüssten, w a n n Rothschild das neue jüdische Reich in Palästina
gründen werde?
Die talmudischen Juden theilen sich wieder in 2 verschiedene Secten,
welche keine Gemeinschaft mit einander haben, die Peruschim (Pharisäer)
und die Chasidim (die Frommen). Die Erstem sind spanische und deutsche
J u d e n , dessgleichen auch Viele aus Polen und Russland. Die Chasidim
kommen aus Russland; dort haben sie einen Ober-Rabbiner, welcher eine
genaue Eiste von allen Juden seiner Secte in Russland und Palästina führt,
alle Gelder zur Unterstützung für sie einnimmt, und dann unter sie vertheilt.
Diese Chasidim lesen weniger den Talmud, ob sie ihn gleich anerkennen,
desto mehr aber die Kabbala, welche dagegen von den Peruschim als christliche
Ideen verbreitend, was allerdings (s. oben S. 215.) nicht ganz unbegründet
ist weniger studirt wird. Die Chasidim haben ihre eignen Gebetbücher,
und gehen des Morgens erst 2 Stunden hach Sonnenaufgang in die Synagoge,
was die Peruschim gleich mit Sonnenaufgang thun. In Safed und Tabarija
giebt es fast nur Chasidim , in Jersalem aber weit mehr Peruschim. — Im
vorigen Jahrhundert trat in Wilna ein Rabbiner auf, welcher sich Baal
Schern nannte. Dieser behauptete, im Traume Offenbarungen erhalten zu
haben, und, wenn er den Namen Gottes ausspreche, Wunder verrichten zu
können. E r fand viele Anhänger und Gegner. In Palästina finden sich
seine Schüler, mit Ausnahme von 2 — 3, welche in Jerusalem wohnen, nur
in Hebron, und alle Juden Hehron’s gehören zu seiner Secte, welche wieder
eine besondere Abtheilung der Chasidim bildet, und sich Chabod (zusammengesetzt
aus HDSätl Chochma „Weisheit,“ nD"1! Binah „Einsicht“ und
Daath „Wissen,“ und zwar aus den Anfangsbuchstaben dieser 3 Wörter)
nennt. Diese studiren wieder mehr als die ändern Chasidim den Talmud;
Mysterien oder verschiedene Grade haben aber die Chasidim so wenig als
die Peruschim.
Die spanischen Ju d e n , welche mit den Maghrebinem d. h. den africa-
nischen zusammengerechnet werden, haben 5 öffentliche, dicht neben einander
liegende und zusammenhängende Synagogen (Bethäuser oder vielmehr
Betsäle), darunter eine sehr grosse, und sollen an 6 —8000 Seelen stark
sein; die russischen, welche,3 öffentliche Synagogen neben einander haben,
zählen etwa 800, die Warschauer, von ihnen getrennt, ugefähr 300 Seelen
mit 1 Synagoge. Diese Angabe stimmt nicht mit einer ändern halboffieiellen
überein, welche mir auf mein Bitten von der deutschen jüdischen Gemeinde
schriftlich überreicht wurde. Nach dieser soll die Gesammtzahl der spanischen
und der dazu gehörigen Juden der der deutschen, polnischen und russischen,
Peruschim und Chasidim zusammengerechnet ziemlich gleich sein,
und jede von beiden ungefähr 3000, zusammen also 6000 Seelen betragen.
Ausser diesen giebt es in Jerusalem noch einige Karaiten oder Karäer.
In der spanischen Synagoge trafen wir 3 von ihnen, die uns bereitwillig in
die ihrige führten. Diese ist unter der Erde, man steigt etwa 15 Stufen
hinunter, sehr klein, kleiner noch als die der deutschen Juden. Es wohnen aber
auch nur 9 Familien derselben in Jerusalem. Auf meine F ra g e , ob ihrer
viele seien, antwortete mir der Eine, wie es schien, ihr Vorsteher, 8— 10
Familien, um die wahre Zahl nicht auszusprechen. Es ist nämlich eine
allbekannte Sache, dass die Juden sich nicht zählen lassen. Der Grund davon
liegt in David’s Zählung seines Volkes (2. B. Sam. 24.), worauf, da sie aus
Hochmuth geschah, Gott dem Lande eine Pestilenz schickte. Desshalb geben
sie stets auf Befragen 2 Zahlen an, aus denen man die mittlere zu nehmen
hat. Früher soll die Zahl der Karäer in Jerusalem sehr bedeutend gewesen
sein; eine heftige Verfolgung aber, wie man mir sagte, von Seiten der spanischen
Juden, hatte sie daraus vertrieben. Je tz t haben sie, wahrscheinlich