
selben Abend kehrten wir nach Ain Tine zurück, und nahmen unser Nachtlager
bei dem Scheich des Dorfes, bei dem sich bald die Vornehmsten
versammelten , um dem Gonsul und ihren Schubäsi’s ihre Aufwartung zu
machen. Sie erzählten uns, dass Ain Tine, so wie die ganze Umgegend,
früher eine ganz christliche Bevölkerung gehabt habe, deren Oberherr
einst ein Sultan (König, Fürst) Tüma ( Thomas) gewesen sei. Dieser soll
selbst zu dem Islam übergetreten se in , und die Unterthanen veranlasst
haben, seinem Beispiele nachzufolgen. Nach einer ändern Mittheilung
aber, welche mir der melchitische Patriarch von Damascus, Maximos,
machte, war die Ursache ihres Uebertritts zu dem Islam ihr Prieste r, der
sie auf alle Weise drückte. Um sich seiner zu entledigen, entschlossen sie
sich, Muhammedaner zu werden; kaum aber war dies geschehen, als auch
er denselben Schritt that, und wieder bei ihnen als Imam angestellt wurde.
Nahe vor dem Hause des Scheich war am Abhange des Berges auch noch
eine Buine, welche von einem Kloster herstammen soll. Aus einer griechischen
Inschrift, welche verkehrt auf einem der eingemauerten Steine zu
sehen war, erkannte ich allerdings, dass dieser Stein von einem christlichen
Gebaüde genommen war; er war aber von den ändern, welche die Inschrift
vervollständigt hatten, losgerissen, und verkehrt wieder eingemauert worden,
so dass ich nur einzelne unzusammenhängende Worte darauf lesen
konnte.
So wie schon in Sidnaya, sah ich hier vor dem Hause des Scheich
schön aufgethürmte Lohkuchen, die sich aber bei genauerer Besichtigung
als Kuchen von Pferde - und Bindvieh-Dünger erwiesen. Derselbe.wird
mit Wasser zu einem Brei geknetet, und in Kuchenform der Sonne ausgesetzt,
um später zur Fenerung benutzt zu werden. Uebrigens ist das
Dorf in einem gewissen Wohlstände, hat keinen Bettler, und verdankt
diess theils dem Fleisse seiner Bewohner, theils zwei Quellen, welche die
kleinen Besitzungen eines Jed en abwechselnd stundenweise bewässern.
Hier sind die letzten, aber auch, nächst Haleb, besten Pistacien; in Menin
finden sich deren zwar noch wenige, weiter südlich aber kommen sie nicht
mehr vor.
Am nächsten Mittag ritten wir wieder fort, trafen in Dawäni lagernde
Beduinen, und kamen gegen Sonnenuntergang vor Sidnaya an, „um die
Zeit, wenn die Weiber pflegen herauszugehen und Wasser zu schöpfen,“
vgl. 1. B. Mos. 24, 11. Sie zogen mit ihren hohen irdenen Krügen auf der
Achsel gleich der Bebecca (a. a. O. V. 15.), und wir Hessen uns, wieElieser,
von ihnen zu trinken geben. Gegen 8 Uhr Abends gelangten wir nach
Menin, übernachteten daselbst, und ritten noch vor Sonnenaufgang gen
Damascus, wo wir um @sl|| Uhr Vormittags glücklich eintrafen.
Kurz nach unserer Eückkehr begann der längst vorbereitete und gefürchtete
Feldzug des Seraskiers gegen die Drusen, welcher voraussichtlich
nicht zu einem günstigen Besultate führen konnte. Die Veranlassung dazu
war folgende:
Die Drusen haben eine eigenthümliche Beligion, welche sie vor Jedem
geheim h a lten , so dass sie noch sehr unbekannt ist. Aeusserlich aber bekennen
sie sich zu dem Islam, unterwerfen sich, wenn es sein muss, der
Bescbneidung, gehen in die Moscheen, um dort die den Muhammedanern
vorgeschriebenen Gebete zu verrichten, und thun Alles, was sie vor den
Augen der Moslems als ihre echten Glaubensgenossen documentiren kann.
Da nun bisher das Gesetz bestand, dass nur die muhammedanischen U nterthanen
des türkischen Beichs zu dem Kriegsdienst zugezogen werden sollten,
die Zahl derselben aber alljährlich sich vermindert, weil die türkische
Ba?e offenbar, die der angesessenen Araber wenigstens scheinbar im Aussterben
begriffen ist, auch Beduinen und Kurden sich fortwährend der
Aushebung von Rekruten widersetzen: so ist nichts natürlicher, als dass
die Regierung auch Alle diejenigen zu dem Militärdienst heranzieht, welche
zwar nicht Muhammedaner sind, wie die Drusen und Nosairier, aber doch
dafür gehalten sein wollen; und in so fern ist sie in ihrem unbestreitbaren
Rechte. Wenn man aber auf der ändern Seite bedenkt, dass die erste
und vornehmste Pflicht einer jeden Regierung ist, ihren Unterthanen Sicherheit
und Schutz gegen Ueberfälle von aussen zu gewähren, die türkische
aber in Betreff der Drusen dieser ihrer Verpflichtung keineswegs nachkam,
sondern die Vertheidigung ihrer Ländereien gegen die sie umschwärmenden
Beduinen ihnen selbst gänzlich überliess: so war es nicht zu verwundern,
dass sie ihre Jü n g lin g e , welche ihnen zu ihrer Selbstvertheidigung nöthig
waren, als Rekruten zu stellen sich weigerten. Einige von ihnen, welche
zerstreut in einzelnen Ortschaften nördlich von Damascus an dem Antilibanon
wohnen, hatten sich natürlich der Aushebung nicht widersetzt, ein
anderer Theil in den südlichen Districten des Libanon/und Antilibanon war
durch die Gewandtheit und imponirende Unerschrockenheit des zu ihnen
gesandten Obristen Feizy Bey (Kollmann, siehe oben S. 59.) bewogen