
im Serai verwahrt werden. Jeder Sultan wird bei seiner Thronbesteigung
mit dem Schwerdt Muhammed’s umgürtet, und die Standarte nur herausgenommen,
wenn der Krieg gegen die Ungläubigen ausbricht, da dann
alle Gläubigen (d. h. Moslems) verpflichtet sind, um dieselbe sich zu schaaren.
Von jener Zeit an (also von der Zeit Selim’s I I . ), versicherte er weiter,
haben die türkischen Sultane den Titel ( C han) d. h. „Verräther“
erhalten. Gegen diese Erzählung ist zuerst einzuwenden, dass eine Wallfahrt
Selim’s II. nach Mekka geschichtlich gar nicht begründet ist; unter
allen Sultanen ist, so viel mir bekannt, nur Bajezid ü . gleich nach seinem
Regierungsantritt nach Mekka gezogen, und zweitens, dass Chan der tatarische
Titel der ersten Sultane schon war, auch nicht Chan,- sondern
Chajin im Arabischen einen Verräther bezeichnet. Das Ganze ist
eine arabisch - damascenische Erfindung, welche der Hass gegen die türkischen
Gewalthaber ihnen eingegeben hat. Nach Muradgea d’Ohsson’s
Schilderung des othom. Reichs im Auszug übersetzt von Chr. D. Beck,
Th I. S. 413 u. ff', kam die Fahne von den unmittelbaren Nachfolgern
Muhammed’s an die Chalifen der Umajaden und Abbasiden, und blieb bis
zum J . 1595 n. Chr. (1003 d. H.) in Damascus , wo sie Qodscha Sinan
Pascha, der Grossvezier Murad’s III. nach Konstantinopel bringen liess.
In der oben angebrachten Kapsel wird ein angeblich von dem Chalifen
Osman geschriebener Qor’an, und in dem Umschlag eiu anderer Qor’an, den
Omar geschrieben haben soll, nebst dem silbernen Schlüssel zu dem Heiligthum
der Kaaba aufbewahrt, welchen der Scherif von Mekka dem Sultan
Selim I. sum Zeichen der Unterwerfung, als derselbe in Aeegypten war,
überbrachte. Die Fahne, welche in Damascus sich findet, ist also wahrscheinlich
eine Nachahmung der erstem, und wohl aus der Zeit, als die
echte von da entführt wurde. Sie wird statt dieser alljährlich durch den
Emir el hadsch nach Mekka, und wieder zurückgebracht.
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Den 3ten Februar 1853 besuchte ich eine glänzende Abendgesellschaft
bei dem englischen Consul Mr. Wood, wozu sämmtliche europäische
Consulate mit Zubehör, und ausserdem christliche, jüdische und muhamme-
danische Notabilitäten eingeladen waren. Der sehr geräumige Hof dieses
Consulats ist ein wahrer Garten mit vielen Bäumen, Sträuchern und Beeten,
wie auch zwei grossen Wasserbassins, und ist grösser und schöner, als der
des Preussischen, wiewol die Empfangssäle nicht mit derselben Pracht ausgeschmückt
sind. Obgleich am meisten französisch und arabisch gesprochen
wurde, so herrschte doch eine wahre babylonische Sprachverwirrung in der
Gesellschaft, und man hörte neben und durch einander ausser jenen beiden
Sprachen auch englisch, deutsch, italienisch, ungarisch, griechisch und
türkisch reden. Die Europäerinnen — denn es war auch ein reicher Kranz
von Damen dabei, da es eigentlich ein Ball sein sollte erschienen in
säubern, aber einfachen Ballkleidern, die eingebornen Damen dagegen,
sämmtlich Jüdinnen, in glänzendem Aufzug. Ih r Kopfputz strotzte von
Diamanten, die vielen, die ganze Breite des Rückens herunterhangenden
Haarflechten waren von kleinen Goldstücken durchflochten, ein dicker persischer
Shawl war um die Hüften gewunden, und sie hatten so weite Pan-
talons, dass sie nicht gehen, vielmehr nur einherwatscheln konnten. Kurz
der ganze so überaus glänzende Anzug, welcher den Unterleib besonders
hervorhob, war in demselben Grade unschön und geschmacklos, und beleidigte
das Auge eines Europäers eben so seh r, als die sonderbare Mode der
Damen, die Augenbrauen abzurasiren, und sie durch einen mit einer selbstbereiteten
Farbe, Kochl genannt, gemachten Strich zu markiren,
womit auch das Innere der Augenlider gefärbt, und ein schwarzer Strich
von beiden Augenwinkeln nach den Ohren zu gezogen wird. - ^Nachdem
europäische T ä n z e , denen die Orientalen und Orientalinnen mit Verwunderung
zusähen, ohne daran Theil nehmen zu können, getanzt waren, führte
später der Gonsul — ein geborner Anatolier — mit einer Jüdin einen orientalischen
Tanz auf. Ohne dass Beide sich berührten r ; machten sie ganz
unabhängig von einander, wie ich schon oben mittheilte, ein einziges Pas
bei Fortepianobegleitung, und zugleich Schwenkungen der Arme neben
einem Vor- und Rückwärtsschreiten bald der einen, bald der ändern Hüfte.
Wie es scheint, ist diess der einzige Tanz, den die Araber kennen, obgleich
es hier auch Tänzerinnen giebt, die auf Verlangen für Geld in den Häusern
tanzen. Da ihre Tänze aber meist unzüchtiger Art sind, und sie selbst in
üblem Rufe stehen, so scheinen sie in Syrien und Arabistan fast ganz verpönt
zu sein; nur in Aegypten soll es deren Viele geben. Bei den Türken
sind es meist Zigeunerinnen, welche dieses Geschäft betreiben, und der
phlegmatische Charakter der Türken scheint es überhaupt nicht zu dulden,
dass sie selbst tanzen lernen. Ich, entsinne mich, dass ich einst in Berlin
einen türkischen Offizier in einer Gesellschaft, wp getanzt wurde, aufforderte,
selbst thätigen Antheil daran zu nehmen, von ihm aber mit verächtlicher