
letxung gebüsst werden, wenn auch nur Einer der Verwandten für die
Annahme derselben ist. Während meiner Anwesenheit in Damascus ereignete
es sich, dass auf einem Dorfe in der Nähe der Stadt zwei Bauem-
bursche in Streit geriethen, und der Eine den Ändern in der Hitze des Streits
mit seinem Messer erstach. Der Mörder wurde sogleich eingezogen. E r
war ein junger Mann von einnehmendem Aeussern, und in dem ganzen Dorfe
sehr beliebt. Obgleich nun alle seine Verwandten und Freunde zusammen-
«•etreten waren, und der Mutter des Ermordeten 12000 Piaster (gegen
750 Thlr.) als Lösegeld geboten hatten, so war doch weder sie, noch dessen
Frau und Schwester, als die einzigen noch übrigen Verwandten zu bewegen
gewesen, eine andere Sühne als den Tod anzunehmen. Der Sprneli erfolgte
früher durch die Pascha’s. welche volles Recht über Leben und Tod hatten-,
jetzt muss das Urtheil, nachdem vorher über den Criminalfall Bericht erstattet
worden ist, von Konstantinopel erfolgen. Der in diesem Falle auf Tod lautende
Ausspruch liess keine Gnade mehr zu, da die mehrfachen Versuche
der von Mitleid für den Unglücklichen ergriffenen Richter. des Tribunals,
und des Pascha selbst, die weiblichen Angehörigen des Getödteten zur Milde
und Barmherzigkeit zu stimmen, vergeblich waren, die Mutter vielmehr
unaufhörlich nach Blut schrie! Man suchte daher nach einem Menschen, der
das Amt eines Scharfrichters — da es hier eigentliche gesetzliche Vollstrecker
nicht «riebt — übernehmen wolle-; aber Niemand wollte sich mit dem Blute
dieses Delinquenten beflecken, bis sich endlich nach viellachen Aufforderungen
ein Polizist für 100 Piaster (etwa 6 Thlr.) dazu bereit erklärte.
Doch, als er in Gegenwart des Delinquenten das Schwerdt erprobte, fing
er an zu zittern, und lief davon. Endlich fand man Einen, der diesen trau-
ri<ren. ungewohnten Dienst für 150 Piaster leistete. Der Hinzurichtende
wurde nicht nach dem sonst für solche Exeeutionen bestimmten Süq el Cheil
d. i. ..Rossmarkt“, sondern nach dem am Meidän gelegenen Platz „Sena-
nije“ geführt. Bis auf die in die Höhe gezogenen, und am Halse zugebundenen
Beinkleider war er ganz entblösst, und die Arme so gebunden, dass
er sie nur zum Gebet erheben konnte. Unterwegs fiel sein ihn begleitender
Bruder der Mutter des Gemordeten zu Füssen, küsste ihre Pantoffeln, und
bat flehentlich um Gnade für seinen armen Bruder — aber „Blu t“ tönte es
aus ihrem Munde — und beschämt und traurig hüllte er sich in seinen
Mantel, um dem Unglücklichen schweigend zu folgen. Nachdem demselben
noch auf dem Richtplatz ein Glas Wasser gereicht war, kniete er mit dem
linken Fusse hin, indem er den rechten aufstützte, und liess sich die Augen
verbinden, worauf der ungeschickte Henker ihm den Kopf abhieb, oder
vielmehr abhackte; denn sechsmal soll er zugehauen haben, ehe derselbe
fiel!!! Die wüthende Mutter, deren Rachegelüste nun gestillt war, ging
darauf triumphirend zwischen dem blutenden Rumpf und Kopfe, hindurch!!
Doch wenden wir uns ab von diesem grausenhaften Bilde der Unmenschlichkeit
und Verworfenheit, welches auch dem Araber ein Gräuel ist. Denn
es fehlt ihm durchaus nicht an Tugenden, die ihn uns ehrenwerth machen.
Die Gastfreundschaft ist von jeher an dem Araber gerühmt worden ; selbst,
wenn er noch so fanatischer Moslem ist, wird er einem fremden Gjaur (Nicht-
muhammedaner), der ein Unterkommen bei ihm sucht, seine Thüre nicht
verschliessen*), und, wenn man seinem Wirth nicht recht traut, so muss
man ihn nur bitten, an dem Essen Theil zu nehmen: thut er diess , so ist
man sicher; verweigert er es aber, so kann man mit ziemlicher Sicherheit
annehmen, dass er Böses im Schilde führe. Aber bei dieser Gastfreundschaft
schimmert meist, namentlich bei den angesessenen und mehr verfeinerten
Arabern, wie ich schon oben bemerkte, ein gewisser Eigennutz durch
Nur der freie Bewohner der Wüste ist davon ausgenommen, u nd, wahrend
er selbst mit grösser Freigebigkeit den Fremden bewirthet, bleibt er auch
der geringsten Wohlthat, die er empfangen, stets eingedenk. Folgendes
Beispiel mag zum Beleg dieser Behauptung dienen : Einst — so erzählte mir
Mr Geoffrov, Kanzler des französischen Consulate zu Aleppo (Haleb)
machte ich mit Mr. Lesseps, dem Consul, einen Ausflug von Haleb nach
der Wüste. Wir erblickten von Weitem Beduinen, welche uns kaum bemerkt
hatten, als sie sich uns näherten, uns umzingelten, und nach dem Zelte ihres
Scheichs schleppten, wo wir ganz ausgeplündert wurden. Der Consuledte
sogleich in das Zelt, um den Scheich an den Gürtel zu fassen, und„Dac
. d. i- „ich flehe dich an“ z u ihm zu sagen. Wenn man diess thut,
so ist der Andere zum Beistände verpflichtet. Der Scheich, der die Absicht
des Gonsuls merkte, fasste ihn sogleich bei dem Arm, und warf ihn zum
Zelte hinaus. Während wir so in der hülflosesten Lage erzählte
Geoffroy weiter - vor dem Zelte standen, betrachtete ich die Beduinen
* ) E in e in z ig e s Mal is t mir aber doch a u f meiner R e ise zwischen T ib e r ia s m r d S a z a -
r eth, und . wenn ich d ie s s in A n s ch la g bringen d a r f, auch am Tage
b o z u k 's , d ie ans A lg ie r w a r en , und mich ffir einen Franzosen h ie lten , d ie g a s tlich e