
gekommen war, und sahen noch den folgenden Tag Blutspuren davon in
der Kirche. Die Veranlassung dazu hatten, wie wir später erfahren, die
Griechen gegeben, welche über den Cultus der Armenier, Abyssinier und
Kopten gespottet, und diese dadurch so sehr gereizt hatten, dass erst durch
Dazwischenkunft des Militärs die Parteien aus einander getrieben werden
konnten. — Da unser Consul, Dr. Kosen, noch nicht eingetroffen war, und
ich in der Voraussicht eines längem Aufenthalts nicht in den theuem Gasthof
gehen wollte, so wendete ich mich an seinen dicken, liebenswürdigen,
gefälligen Dragoman, S. Dawud el Kurdi, welcher mich in die Diakonissen-
Ansta.lt brachte, wo ausser Kranken auch Fremde, und zwar unbemittelte,
14 Tage unentgeldlich, andere für eine kleine Entschädigung — ich zahlte
8 Piaster für mich und 6 Piaster täglich für meinen Diener — aufgenommen
werden, und Wohnung und Kost erhalten. Ich erhielt ein kleines, bescheidenes
Zimmer, und lebte wieder mitten unter Deutschen.
Sechstes Kapitel.
Jerusalem und Umgegend.
Es war nicht, allein der Sturm und Regen, welcher uns vor unserm
Eintritt in Jerusalem verhinderte, einen deutlichen Ueberblick über die Stadt
zu gewinnen, sondern vielmehr die Lage derselben. Diese ist von der Natur
selbst bezeichnet und begränzt. Im Norden und Osten umschliesst die H ügelreihe,
auf welcher Jerusalem erbaut war, und zum Theil noch ist, das Thal
oder vielmehr die Schlucht Josaphat mit dem Bach Kidron, welches sich
mit dem von Westen nach Süden herabziehenden* Thale Gihon und Ben
Hinnom an der Südspitze vereinigt, und sich dann nach Süden weiter hin
erstreckt. Zwischen diesen liegt und lag die Stadt, welche sich nur nach
Nord und Nordwest hin noch weiter ausdehnen konnte, auf den Bergen
Morija und A k ra , zu denen später noch Bezetha, als die Neustadt bezeichnend
gezogen wurde, im Osten, und dem Ostabhange des jene ersten überragenden
, und durch ein kleines T h a l, das Tyropoeon, das Käsemacher-
Thal, von diesen getrennten Zion. Wir kamen zwar von der Nordseite
über den höher gelegenen, und nur durch das Thal Josaphat getrennten
Hügel oder Berg Scopus, hatten aber daher nur einen Seitenblick über die
Stadt, und dasselbe ist der F a ll, wenn man von der Südseite, von Bethlehem
kommt, während man von der Westseite, von Kamle aus nur die
Mauern mit einigen Minarets und Kuppeln gewahrt. Die schönste, herrlichste
Aus- und Uebersicht hat man von der Ostseite, von dem Oelberg
aus, an welchem entlang die Strasse nach Jericho führt, indem sie einen
Leberblick über die ganze Stadt gewährt. Der südliche Theil derselben ist
der älteste. Hier war auf der Ostseite der Tempelberg Morija mit dem
Tempel Salomo’s in der Mitte, und ihm gegenüber westlich die Burg und
Stadt David’s, beide getrennt durch das Thal Tyropoeon, aber verbunden
durch eine gemeinschaftliche Mauer und durch eine Brücke, von welcher