
und eiu Bassin mit frischem trinkbarem Wasser, darin seit undenklichen Zeiten
nie mehr und nie weniger als fünf kleine Fische leben sollten. Wir ritten
daun an der Stadtmauer entlang durch das Stadtviertel der Juden und Zig
e u n e r— die Jüdinnen zeichneten sich durch einen breiten tellerartigen
Kopfschmuck aus — bei den Ruinen des ehemaligen Palastes Hebdomon13),
darauf bei der durch die darin aufbewahrte Standarte des Propheten (Mu-
hammed) berühmten, Moschee Ejub11) vorbei, und über die Brücke nach
dem Hotel der Gesandtschaft zurück.
Sonnabend, den 3ten Ju li, bestiegen wir zuerst den hohen Thurm von
Galata, bis zu dessen Spitze 99 steinerne und 88 hölzerne Stufen führen.
Man bat von da aus eine herrliche Aussicht über Konstantinopel mit seinen
Vorstädten Galata und P e r a , so wie nach dem asiatischen Ufer hinüber,
und er hat einen gleichen Zweck mit dem des Seraskierats, nämlich die
Beobachtung und Bekanntmachung der so häufigen Feuersbrünste. Von da
begaben wir uns nach der vor der Artillerieschule gelegenen Kaserne oberhalb
Pera, wo wir von dem oben genannten Bimbasclii (Major) Mehemed Efendi
herumgeführt wurden. Wir bewunderten die musterhafte Einrichtung, Ord-
nung und Reinlichkeit, welche nach der Versicherung des Herrn von Wildenbruch
unausführbar für Europa sei. Mehemed Ef. hatte eine Druckerei
darin angelegt, aus welcher schon mehrere nützliche Bücher- hervorgegangen
waren, und in der man eben im Begriff war, Kiepert’s Charte von Klein-
Asien nachzudrucken. Sie hatte schon einen bedeutenden Ueberschuss abgeworfen.
Am Abend führten uns der Kanzler Herr Testa und Dr. Rosen
nach einem Marionetten- oder Schattenspiel-Theater £ a r a Göz d. i. „schwarzes
Gesicht“ genannt. Dies ist eine Lieblingsbelustigung der Muhammedaner,
namentlich an den Abenden des Ramadan, des Fastenmonats, und findet
ganz in derselben Weise, wie in Italien, in Kaffeehäusern oder den dazu gehörigen
Gärten statt. Durch Galembour’s und Persiffliren fränkischer Aussprache
des Türkischen kam allerhand Komisches dabei zum Vorschein.
Sonntag, den 4. Juli, wohnten wir zuerst dem Gottesdienst im k. pr.
Gesandtschaftshotel bei, machten dann Besuche bei dem hanseatischen Ge-
neral-Consul, Hrn. Dr. Mordtmann, und bei dem östereichischen General-
Consul, Herrn v. Mihanovitj, welcher uns seine anserlesene SammlungÖ- Oeriechischer,
römischer und anderer Münzen zeigte, und fuhren hierauf in einem
Kaik nach Arnaut kjoe zu dem königl. preuss. Gesandten Herrn von Wilden-
. . 27 Konstantinopel. Leanderthurm. Kadhi kjoe.
bruch, bei welchem wir zur Tafel geladen waren, und den übrigen Theil
des Tages zubrachten. Erst gegen 11 Uhr Abends kehrten w ir zurück.
Den folgenden Tag machte ich mit Rose und Kaufmann Grösser eine
I Spazierfahrt auf einem Kaik k 2 Piaster die Person nach Skutari^), türkisch
lU e sk ü d ar, dem alten Chrysopolis, welches als die asiatische Vorstadt von
t Konstantinopel angesehen werden kann. Auf dem Hin- und Rückwege
| kamen wir nahe bei dem schon oben erwähnten sogenannten Leanderthurm16)
I vorbei, welchen die Türken Kis kullesi d. i. „Mädchenthurm“ nennen. Diess
l i s t eine kleine Insel mit einzelnstehendem Thurm auf einem Felsen im Meer
»erbaut, welche (nach Spon und Wheler) merkwürdigerweise einen Brunnen
■süssen Quellwassers hat. Sie ist nur 100 Schritt von dem asiatischen Ufer
»entfernt, und war früher, weil die Strömung in dieser Meerenge die Ueber-
jfa h rt nach Konstantinopel sehr erschwert,' durch einen Molo, Damm, mit
Idem festen Lande verbünden. Seit langer Zeit aber ist dieser Stemdamm
Iwieder zerstört, und die Materialien sind anderweitig benutzt worden; aber
»noch immer sieht mstn Steiublöcke davoli unter dem Wasser hervorragen.
»D e r Thurm soll nach Niketas von dem byzantinischen Kaiser Manuel Kom-
in e iiu s , also im 12. Jahrhundert erbaut worden sein,'und derselbe Kaiser
f -Wll auch an der äussersten Spitze des europäischen Ufers, da, wo jetzt die
■ Spitze des Serai’s ist, „Serai burnu“ genannt, einen gleichen Thurm errichtet
I haben, um durch Ketten, welche von dem einen zu dem ändern reichten,
ft feindlichen Schiffen den Eingang zu wehren.
Skutari ist eine bedeutende Stadt, hauptsächlich von Türken und Ar-
I meniern bewohnt, mit einer Unzahl von Moscheen und einem kaiserlichen
| Palast am Ufer, welchen Sultan Mahmud H. von Grund aus wieder hersteifen
I liess. Sie liegt grossentheils in der Ebene, nur die Armenier wohnen in
p dem entferntesten, aber schönsten Stadttheile, der sich an den Berg lehnt,
■ eine sehr gesunde Luft, herrliche Aussicht und anmuthige Weingärten hat’
welche die in der ganzen Türkei so berühmten weissen Weintrauben,
Tseliausch üztimi genannt, liefern. Wir gingen über den grossen, mit Cy-
pressen bepflanzten Friedhof, nach Kädhi kjoe d- i. „Richterdorf“, und fanden
unterwegs zwei mächtig grosse Platanen, deren eine 24 Fuss am Stamme
im Umkreis hatte, und nach der Versicherung des wachhabenden Offiziers
400 Jah r alt sein soll, da der Grossvater eines 3 Monate vorher im 130ten
Jah re gestorbenen Greises, dessen Vorfahren ihr Alter bis nahe an 200 (?)
Jahre gebracht hätten, bei ihrer Pflanzung als Kind gegenwärtig gewesen