
Zehntes Kapitel.
Reise nach Cilicien und Cypern.
Nach einem Aufenthalt von 'wenigen Tagen begab ich mich, Freitag,
den 30ten Septbr., begleitet von dem Consul Weber, welcher mich wieder
so freundlich in seiner Wohnung aufgenommen hatte, mit meinem Diener
Francis an Bord des östreichischen Lloyd-Dampfschiffes Italia mit 260 Pferdekraft.
Wir waren noch nicht lange auf dem Schiffe, als der jüngere
Bruder meines Dieners dort ankam, weinend und schreiend, und weder
durch Güte, noch mit Gewalt zu der Rückkehr zu bewegen war. Die ganze
Schiffsmannschaft bemitleidete den armen Jungen, und bestürmte mich mit
der B itte , ihn mit mir zu nehmen. Ich weiss nicht, ob es aus Liebe zu
mir oder zu seinem altern Bruder, oder aus Anhänglichkeit an uns Beide,
oder endlich, was das Wahrscheinlichste ist, aus einem gewissen Hang zum
Nichtsthun und dem Wünsche, sich in der Welt etwas Amzusehen, geschah —
genug, ich liess mieh zuletzt bewegen, ihn ebenfalls mit mir zu nehmen,
zumal, da ich auf dem Schiffe nur die Hälfte des Passagiergeldes für ihn zu
bezahlen hatte, und er bei der Weiterreise zu Lande sich auf das,Pferd seines
Bruders mit setzen konnte, so dass er keine weitern Kosten als den Unterhalt
verursachte. Zudem war er ein aufgeweckter Junge von 12 Jahren,
welcher viele Bereitwilligkeit und Anhänglichkeit zu mir zeigte. Am
Tage vorher war die Witterung unfreundlich, und das Meer sehr unruhig
gewesen; an diesem Tage aber trat eine förmliche Windstille ein, welche
auch während der ganzen kleinen Seereise, nur dann und wann von einem
leisen Zephyr unterbrochen, anhielt, daher dieselbe sehr glücklich von statten
ging. Wir segelten 1 Stunde vor Sonnenuntergang ab, und ankerten 1 Stunde
vor Sonnenaufgang an der Küste von Cypern, bei dem mir schon bekannten
Hafen von Lamaka, dem einzigen der ganzen Insel. Da wir den ganzen
Tag dort blieben, so liess ich mich gleich den ändern Passagieren nach dem
eine gute Viertelstunde entfernten Hafenorte aussetzen, wo ich Gelegenheit
hatte, bei einem Verwandten des damaligen Preussischen Viceconsuls,
Cesare Mattei für 1 Pfund. Sterling alte Münzen zu kaufen. Nachdem wir
einige Kaffee’s getrunken, Nargile’s und Tschubuk’s geraucht hatten, da
die grosse Hitze nicht verstattete, grössere Ausflüge zu machen, begaben
wir uns wieder an Bord, und segelten in der Nacht auf Ladakia (Laodicea)
los. Gegen 7 Uhr Morgens wurden die Anker geworfen, und ich benutzte
den zweistündigen Aufenthalt, um abermals an das Land zu gehen, und
mich in der Eile in der Stadt umzusehen. Ein Kaufmann aus Jaffa, griechischer
Christ, welcher von Beirut aus mit uns gereist war, gesellte sich
zu uns. Der Hafen von Ladakia ist , wie Alles in der Türkei, je tz t ganz
in Verfall, hatte aber früher, wie es scheint, einen guten Molo, dessen
Ueberreste noch jetzt sichtbar sind. Hechts von dem Eingang in den Hafen
ragen noch einige Mauerreste mit Granitsäulen, die- in die Mauer eingelegt
sind, hervor, links aber sieht man noch bedeutende Koste einer starken
Mauer von Quadersteinen und abwechselnd horizontal gelegten Granitsäulen,
welche theils quer, theils der Länge nach liegen. Ueber denselben
stehen noch einzelne Wände von Gemächern, also eine Art von Festung
oder Warte, welche darauf gebaut war. Diese umschliesst mit jenen umgestürzten
Mauern das eigentliche.Bassin des Hafens, in welches aber jetzt,
weil es grossentheils verschüttet ist, nur Kähne eingehen können, welche
die Paquete und Personen von den Schiffen bringen. In dem Hafenplatz
sind nur wenig Häuser, namentlich das Zollhaus; und 2 Reihen von Hallen,
ursprünglich wohl zu Kaufläden bestimmt, je tz t aber ganz leer, von Quadersteinen
aufgeführt, führen zu der 10 Minuten davon entfernten Stadt. Diese
ist ganz aus Quadersteinen gebaut, hat viele Läden und sogenannte
Bazar’s, d. i. Gassen, meist sehr eng, die zu]beiden Seiten Kaufläden und
Werkstätten der verschiedenen Handwerker haben. Es wird hier viel
Handel mit Getreide, und namentlich mit Tabak getrieben. Der Tabak
von Ladakia ist berühmt, berühmter vielleicht, als er es verdient. Die
Fremden sind gewohnt1, allenVTabak des Libanon ,,TabaJr von Ladakiaa
zu nennen, vielleicht eben, weil dieser Ort den meisten Handel mit Tabak
treibt; die Eingebornen aber nennen den besten Libanon-Tabak „Dsche-
beli,“ weil er aus der Nähe von Dschebel (Biblus) kommt.*) In Ladakia
*) Mein Diener, weloher die Behandlung des, Tabaks sehr gut verstand, sagte mir