
den Untergang ihres Reiches und Tempels zu beweinen, wobei sie die
grossen Maxiersteine, welche durch ihre geränderte Form auf die altisraelitische
Zeit hinweisen, mit Inbrunst küssen. Ih r eigentliches Stadtviertel
ist aber auf dem Zion, und zwar am äussersten östlichen Abhange desselben,
oberhalb des Morija. Da wohnen diese Armen, welche schaarenweise hierher
kommen, um hier neben ihren Vorfahren begraben, oder, wie die heilige
Schrift sagt, „zu ihren Vätern versammelt“ zu werden, dicht zusammengedrängt,
mit der Aussicht auf die Stelle ihres ehemaligen Tempels, die sie
nicht mehr betreten dürfen, darüber hinaus jenseit des Thaies Josaphat nach
den Grabstätten ihrer Väter, wie nach ihren eigenen dereinstigen Ruhestätten,
und auf den Oelberg, von dessen Spitze sie ihren Messias herabsteigen
zu sehen hoffen. Die Unglücklichen — sie werden weinen und
harren müssen, bis sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen ! — An dieses
schliesst sich das Stadtviertel der Christen an, welches westlich davon, aber
höher gelegen ist. Zunächst kommt das syrische Kloster der Jacobiten,
und weiter hinauf, und zwar auf der höchsten Spitze des Zion die evangelische
Kirche, in Kreuzesform erbaut; mit Glockenthurm. Man erlangte,
d a , wie mehrfach erwähnt worden, keine neuen Kirchen in dem türkischen
Reiche erbaut werden durften^, die Erlaubniss dazu unter dem Vorwande,
dass das dicht daran stossende englische Consulat einer Kapelle bedürfe;
nun ist aber die Wohnung des Consuls vielmehr ein Appendix (Anbau) zu
der stattlichen Kirche geworden. Ih r gegenüber, jenseits eines freien Platzes
und hart an der Mauer, wahrscheinlich an der Stelle, an welcher einst die
Davidsburg und der Palast des Herodes gestanden, ist die Citadelle und
Kaserne, und rechts daneben, wo früher vielleicht der Thurm Hippicus war,
ist das J a ffa -T h o r, und das Ende der Stadt David’s. Südlich von der
Citadelle und Kaserne sind dicht an der Stadtmauer die Wohnungen der
Aussätzigen, und weiterhin am südlichsten Ende der Stadt die grosse armenische
Kirche und Kloster mit der neu und glänzend errichteten Wohnung
des Patriarchen und schönem Garten. Unmittelbar hinter diesem läuft je tz t
die Stadtmauer hin, welche früher wohl bis zu dem Bergabhange sich
erstreckte. J e tz t sind das Grab David’s und der Saal, in welchem Christus
das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern gehalten haben soll, ausserhalb
der Stadtmauer, und nahe dabei die Begräbnissplätze der Katholiken, Armenier,
Syrer u. s. w. — Der Theil der Mauer, welcher die Stadt David’s im
Norden einschloss, ist gefallen, nur wenige Spxu-en sind davon noch übrig.
Unter Jotham, Hiskia und Manasse wurde, da die Bevölkerung der Stadt
bedeutend gewachsen war, eine zweite Mauer nöthig, um die neuen Anbauten
mit einzuschliessen. Im Südosten wurde der an den Morija sich anschliessende
Hügel Ophel damit vereinigt, und im Norden der Hügel Akra, das
Tyropoeon und ein Theil der Fortsetzung des Zion dazu genommen, und
endlich im J . 45 n. Chr. G. liess Herodes Agrippa noch eine dritte Mauer
aufführen, welche auf dem Plateau des Zion nordwestlich sich noch weiter
ausdehnte, im Norden Bezetha, die Neustadt, mit einschloss, und bis an
die nördliche Einsenkung in das Thal Josaphat sich erstreckte. J e tz t ist
auch diese Umgränzung wieder gefallen, und statt der Häuser sieht man
auf dieser ganzen Fläche Oelbäume und Getreidefelder. Die heutige Mauer,
von Suleiman dem Grossen angelegt, und da, wo die Thäler sich nicht
unmittelbar anschliessen, mit einem Graben versehen, hat im Osten und
wohl auch im Norden die Ausdehnung der zweiten Mauer beibehalten, im
Süden aber den Hügel Ophel und den südlichsten Theil der Stadt David s
wieder ausgeschlossen, und verfolgt dann nur eine kurze Strecke im Westen,
von dem Jaffa-Thore an, den Lauf der dritten Mauer, worauf sie sich in
einigen Krümmungen nordöstlich an dem Thore von Damascus mit der
zweiten Mauer wieder vereinigt. Der ganze Umkreis der Stadt beträgt gerade
1 Stunde. Sie hat jetz t nur 4 Thore; im Süden das Zions-Thor dicht hinter
dem armenischen Kloster, im Westen das Jaffa-Thor*) neben, der Citadelle an
der Nordseite, und südwestlich das Schafthor dicht neben der Tempelmauer,
im Norden das Damascus-Thor, früher Ephraims - Thor genannt, und im
Osten das Stephans-Thor, welches früher das Fischthor genannt wurde. Das
goldene Th o r, durch welches Jesus seinen Einzug in Jerusalem hielt, an
der Ostseite der Tempelmauer gelegen, ist gleich den ändern Thoren an
derselben vermauert, und eben so das Herodes-Thor; die übrigen Thore
sind durch Verlegung der Stadtmauer weggekommen. Das Stephansthor hat
seinen Namen von dem ersten christlichen Märtyrer, welcher hier gesteinigt
worden sein soll; vor den Zeiten der Kreuzzüge glaubte man aber, dass
diess an einer ändern Stelle nordwestlich von der Stadt geschehen sei.
Wenn man zu diesem Thore, welches zwischen den Hügeln Morija und Akra
liegt, in die Stadt geht, so hat man gleich rechts die verfallene Annenkirche
*j Die Araber nennen es Ju u liL t >Lj Bäb el Chalil, das Thor des Freundes
(Gottes) d. i. Abrahams , und, da dieser in Hebron wohnte, so wird sein Name auch auf
diese Stadt übergetragen und mit Chalil auch Hebron bezeichnet.