
dass Jerusalem früher eine viel grössere Ausdehnung gehabt haben müsse,
und diese könne, da seine GränZe im Süden und Osten durch tiefe Thäler
bezeichnet sei, nur nach Westen und Norden hin stattgefunden haben, daher
er den Hippicus, welchen alle Topographen innerhalb der jetzigen Stadtmauer
suchen, gleich dem Phasaelus und Mariamne viel weiter nach
Westen setzte.
Die Zahl der Protestanten in Jerusalem belief sich im Ja h r 1853 auf
etwa 200, von denen ungefähr 150 der englischen, und 50 der deutschen
Kirche angehörten. Jeden Morgen ist von 6 — T Uhr hebräischer Gottesdienst,
welcher darin besteht, dass die Morgengebete des in das Hebräische
übersetzten Common Prayer book vorgetragen werden. Dieser Gottesdienst
wurde von Mr. Crawfurd, dem damaligen Kaplan des Bischofs gehalten.
Des Sonntags ist früh englischer, Nachmittags deutscher Gottesdienst; der
englische wurde abwechelnd von dem Bischof Gobat, dem Prediger Nico-
layson, dem Chef der Mission für die J u d e n , und Mr. Crawfurd gehalten.
Der Nachmittagsgottesdienst in deutscher Sprache von dem Bischof Gobat,
dem Prediger Nicolayson und dem Prediger Valentiner. Letzterer predigte
alle 14 Tage mit preussischer Agende, die beiden Ändern mit englischer
Liturgie nach dem in das Deutsche übertragenen Common Prayer book. Man
dachte auch schon ernstlich daran, den arabischen Gottesdienst einzufuhren,
dessen Bedürfniss von Tage zu Tage fühlbarer wurde. — Nicolayson war
der erste evangelische Prediger in Jerusalem, und. wurde im Jahre 1827
von der Gesellschaft für die Ausbreitung des Christenthums unter den Juden
dahin gesandt. Derselbe gründete später ein Hospital zur Aufnahme von
Kranken aus der Zahl der Juden und Proselyten; Letztere ziehen es jedoch
meist vor, sich in ihren Häusern behandeln zu lassen, um den Schmähungen
und Beleidigungen ihrer frühem Glaubensgenossen zu entgehen. Es ist sehr
geräumig, hat eine gesunde Lage am Zion neben dem Stadtviertel der Juden,
u n d w i r d durch die aufopfernde Thätigkeit des Mr. Calman, welcher seit mehr
als 20 Jahren als Oekonom der Anstalt fungirt, in grösser Ordnung-und Rem-
lichkeit erhalten. Im untem Geschoss sind die Krankenzimmer für die
Männer, so wie ein Operations- und Untersuchungssaal, in der Mitte die
kleine, aber sehr reinlich gehaltene Küche; im obern die Krankenzimmer
für dal weibliche Personal und die Kinder. Jedes Krankenzimmer hat an
der Thüre einen biblischen Namen, wie Abraham, Rebekka u. s. w. Das
ganze Hospital enthält 30 Betten, es können jedoch im Nothfall bis
40 Kranke darin aufgenommen werden Neben dem Hospital sind die Apotheke
und die Wohnungen des Dr. Macown, eines bewährten Arztes, dem
eine treffliehe Bibliothek zu Gebote steh t, so wie des Chirurgen, seines
Assistenten, damals Mr. Simon, welche beide auch die Kranken in ihren
Häusern besuchen.
In einem entfernten Stadtviertel, nahe am Thore von Damascus, hatte
die Mission früher auch ein Seminar gegründet, worin jüdische Proselyten
zu Missionaren ausgebildet werden sollten. Diess hatte jedoch nicht den
erwünschten Fortgang, es wurde daher nach einigen Jahren wieder aufgegeben,
und das Local zu einer Industrieschule benutzt, in welcher jüdische
Proselyten und solche, die es werden wollen, aufgenommen, in der Religion
und den nöthigsten Gegenständen des Wissens unterrichtet, und zu bewährten
christlichen Handwerkern nach eigner Wahl des Gewerbes in die Lehre
geschickt werden. Eine Drechsler-Werkstatt, in welcher nur Olivenholz
vom Oelberg verarbeitet wird, ist in einem gegenüber liegenden Hause, und
gehört zu der Anstalt. Die Zahl der Aufzunehmenden, welche Wohnung
und Kost darin erhalten, beträgt 8 — 10. Ein Zögling des ehemaligen Seminars,
Mr. Hörschem, hat mit seiner Frau unter Oberaufsicht des Predigers
Nicolayson die Leitung des Ganzen übernommen. — Eine Dame, Mss.
Cooper, hat ausserdem nahe dabei eine Anstalt zum Unterricht in weiblichen
Handarbeiten für jüdische Frauen und Mädchen gegründet, und eine Hülfs-
lehrerin dazu engagirt; doch soll diese bei der orientalischen Trägheit nur
wenig Theilnahme gefunden haben.
Ueberhaupt hat die Mission unter den Juden gerade in Jerusalem, wie
in Safed und Hebron, ihren heiligen Städten, mit mehr Schwierigkeiten als
an ändern Orten zu kämpfen, daher sie auch hier seit der Zeit ihres Bestehens
nur etwa 80 Personen unter ihnen bekehrt hatte. Den ersten Sonntag
nach Ostern wurden 10, darunter 2 schon bejahrte, in der Kirche feierlich
confirmirt. Am schwierigsten ist die Bekehrung der Peruschim O^IDY1©,
welche streng an den Satzungen des Talmud halten, weniger schwierig die
der Chasidim D'1'T'DH, die zwar den Talmud anerkennen, aber fleissiger die
Kabbala studiren, in welcher viele christliche Ideen enthalten sind. So sagt
sie z. B.: das Wort 1. B. Mos. 1 ,1 . enthalte in umgekehrter Stellung
die Anfangsbuchstaben von „Vater,“ "p „Sohn“ und PJf! „Geist,1 der
Geist aber stehe in der Mitte, weil er von dem Vater und dem Sohne ausgehe.
Diese Letztem kommen aus Russland.