
Drittes Kapitel.
Reise von Konstantinopel nach Damascus.
Sonnabend, den 10. Ju li Nachmittags verliessen wir Konstantinopel,
ungern, obgleich der Aufenthalt ziemlich theuer war, weil man ohne Kost kein
Logis bekommt, und daher viel bezahlen muss, aber dafür auch gut bewirthet
wird. Des Morgens tranken wir schwarzen Kaffee, da die Milch (Ziegenmilch,
wie im ganzen Orient) nicht zu gemessen war, frühstückten zwischen
® ^ t Uhr warm, meist Fleischspeisen, drei Gerichte, dazwischen Sardines
ä l’huile, Salami, Schinken, Kaffee und Wein, so viel wir wollten. Zwischen
4—7 Uhr war das Mittagsessen, etwa 6 Gerichte und Obst, so wie ausser
dem gewöhnlichen Wein noch ein spanischer oder sicilianischer Dessertwein,
Abends Thee mit Brod und Schififszwieback. Die Butter (ebenfalls
von Ziegenmilch) war nicht zu gemessen, doch hatten wir in Konstantinopel
noch schönen griechischen o JFIoni°O-.
Nachdem wir noch einige Abschiedsbesuche bei Herrn Dr. Mordtmann,
dem hanseatischen Generalconsul, von dem ich ein Empfehlungsschreiben
an den turkmanischen Rebellenhäuptling Qozan Oghlu bei Sis in Cilicien
erhielt, so wie bei dem österreichischen Generalconsul Herrn von Mihanovitj
gemacht hatten, bezahlten wir unsere Billets für die Fahrt von Konstantinopel
bis Beirut mit 99 fl. Conv.-M. oder 1142 Piastern ä Person für die erste
Kajüte ohne die Kost, welche für den ersten Platz 2 1/ , fl., für den zweiten
1 Vs A- täglich beträgt, begaben uns am Nachmittag auf das Lloyd-Dampf-
schiff Imperatore mit 260 Pferdekraft, und fuhren nach 5 Uhr unter Begleitung
zahlreicher Delphine, welche sich lustig neben dem Schiffe in die
Höhe schnellten, ab. Die meisten derselben waren jedoch nicht viel grösser
als unsere Lachse. In dem Marmormeere war ausser diesen Delphinen und
Abreiss. Die Dardanellen, 'f enedos. 35
den oben erwähnten „verdammten Seelen“ „âmes damnées“ nicht viel zu
sehen. Später erblickten wir die erstem nicht mehr, die ändern aber begleiteten
uns bis gegen Tenedos hin. Am nächsten Tage wurde der Schauplatz
interessanter, die Küsten traten einander näher ; wir erreichten Galli-
poli20), wo kurze Zeit Halt gemacht wurde, und die Kastelle der Dardanellen,
wo beide Ufer einander am nächsten sind. Hier schwamm Lord Byron
in l 1/2 Stunde von einem Ufer zum ändern; hier war es, wo Hero und
Leander ihre nächtlichen Zusammenkünfte hatten, wo das Heer Alexanders
d. Gr. unter Parmenio nach Asien übersetzte, und Xerxes die Brücke über
den Hellespont schlagen liess.21) Wir waren nun auf klassischem Gebiet. Beide
Ufer sind hier gebirgig, das asiatische fruchtbarer als das europäische. Nahe
bei Gallipoli sähen wir einen unbedeutenden Ort, Lepsik, das alteLampsa-
kus, und weiterhin- einige steinerne Pfeiler, die zu einer alten Wasserleitung
gehörten. Kaum hatten wir die Meerenge der Dardanellen verlassen, so
gewahrten wir auch schon die Insel Imbros, dann mehrere kleine, wie es
schien, unbewohnte Inseln, und vor uns lag Tenedos, wo das griechische
Heer sich zu einer Kriegslist gegen die Trojaner versteckte. Bevor wir
diese Insel erreichten, sahen wir zur Linken in einer Vertiefung des festen
Landes einige Häuser, von denen man uns sagte, dass sie die Stelle bezeich-
neten, wo das später erbaute, aber gleich dem ursprünglichen Troja jetzt
ganz verschwundene Alexandria Troas geständen. Ausser den Säulen,
welche man zu der Ausschmückung der Moschee Suleiman’s I. verwendete,
hat man wahrscheinlich auch andere Baustücke von da zu Neubauten nach
Konstantinopel abgeführt. Tenedos besteht aus einem kahlen, langgestreckten
Plateau, in dessen Mitte sich ein kegelförmiger Kalkberg erhebt. Auf der
ganzen Insel bemerk te ich nur 5 zerstreut liegende Baume. In der Nähe
des Forts, neben welchem viele Windmühlen waren, hielten wir kurze Zeit
an; auch Imbrös erschien uns ebenso kahl, und ist ganz von einer Bergkette
bedeckt; in dem türkischen Fort Baba kalesi mit wenigen Häusern wohnen
fast nur Messersehmidte. Tenedos gegenüber sieht man noch zwei von
Menschenhänden, wie es scheint, erbaute Hügel, welche die Gräber des
Ajax und Achilles bergen sollen. Es geht die Sage, dass der französische
Gesandte, Bouvier, Nachgrabungen dort angestellt, und Waffen darin gefunden
, die Sache aber ganz verheimlicht habe. Unmöglich kann man hier
vorüberfahren, ohne an alle die Eindrücke erinnert zu werden, welche die
homerischen Gesänge auf das jugendliche Gemütli gemacht haben. Auch
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