
Auch die hochkirchliche Gesellschaft zur Verbreitung der reinen Lehre
des Evangeliums unter den orientalischen Christen ist hier thätig, und hat
unter der umsichtigen Leitung des Bischofs Gobat und dem unermüdlichen
Eifer des Laienmissionars Dr. Sandretzky schon bei Griechen und Katholiken
erwünschten Erfolg gehabt. Die Gründung einer Knaben- und Mädchenschule
für arabische Christen — in ersterer war auch ein junger Abys-
sinier — hat Griechen und Lateiner zur Nacheiferung aufgefordert, und
verspricht erfreuliche Resultate.
Die kleine deutsche Gemeinde hat den wackern Prediger Valentiner
an ihrer Spitze, welcher alle etwaigen Collisionen zu vermeiden, und, wo
sie sich ihm als unvermeidlich aufdrängen, ihnen zu begegnen weiss. Durch
die Gnade Sr. Majestät unsers Königs besteht in derselben seit 1851 das
Hospital für Kranke aller Confessionen, und damit verbunden ein Hospiz,
in welchem unbemittelte Deutsche, und vorzugsweise Preussen, 14 Tage
lang Kost und Wohnung unentgeldlich erhalten. Vier Diakonissen aus
P. Fliedner’s trefflicher Anstalt sorgen für die geistliche und leibliche
Pflege der Kranken und Pilger, beschäftigen sich ausserdem mit der Erziehung
mutterloser Waisen, und unterrichten Nachmittags 9— 10 Mädchen,
welche des Morgens die vorhin erwähnte Schule besuchen. A. Päde stand
ihnen als Hausvater treulich zur Seite. Für das Hospiz wurden noch zwei
Zimmer im obern Stock gebaut, so dass es im Ganzen 5 enthalten sollte.
Jeden Sonntag Abend hält Pred. Valentiner in dem Diakönissenhause eine
Bibelstunde, welche viel Theilnahme unter den deutschen Protestanten
findet; sie beginnt und schliesst mit Gesang und Gebet, und hat zum H auptgegenstand
die Erklärung eines, biblischen Abschnittes. Eine gleiche Bibelstunde
wird abwechselnd von den verschiedenen Predigern und Mitarbeitern
an den Missionen mit Erklärung eines Kapitels aus dem N. T- in deutscher
oder englischer Sprache Mittwochs Abends in dem Schulhause gehalten, und
jeden Monat ein Mal damit eine Missionsstunde verbunden. Ausserdem findet
Donnerstag Abends bei Mr. Crawfurd, und alle 4 Wochen ein Mal bei dem
Bischof Gobat eine Bibelstunde statt, in welcher ein Kapitel desN. T . erklärt,
und dann besprochen wird. — So wird hier auf alle Weise für christliche
Belehrung und Erbauung von den Vertretern des Protestantismus gesorgt,
und ein frommer, kirchlicher Sinn waltet durch die ganze evangelische
Gemeinde.
Es findet sich in Jerusalem auch eine kleine Gemeinde von Anabaptisten
mit einem amerikanischen Prediger Barklay an der Spitze. E r hält unsere
Taufe, weil sie nicht in einem wirklichen Untertauchen besteht, für ungültig,
und tauft Jeden, der von ihm aufgenommen sein will, wie man sagt, ohne
weitere vorherige Prüfung, in dem schmuzigen Teiche der Quelle Siloah,
predigt alle Sonntage in einer Stube, und lässt nach der Predigt Brod
herumreichen, von welchem Jeder ein Stück abbricht. Ausserdem lebte
noch hier ein vereinzelt stehender Sabbathianer, Namens Krause, welcher
den Sabbath statt des Sonntags geheiligt wissen will, mehrere Chiliasten, die
hier auf die Gründung des tausendjährigen Reiches harrten, und ein Mennonit,
ebenfalls Chiliast, welcher später nach Jaffa zog, wo er eine Besitzung
hatte, und aus religiöser Ueberspannurig zu dem Judenthum übergetreten
sein soll.
Ich machte ferner die Bekanntschaft des fein gebildeten katholischen
Patriarchen Valerga, welcher lange Jah re in Kurdistan als Missionar thätig
gewesen war, und eine schöne Bibliothek syrischer Manuscripte mitgebracht
hatte, des ernsten und biedern Superiors des Klosters der Franciscauer und
seines liebenswürdigen und höchst gefälligen Vicarius, welcher leider bald
nachher gestorben ist. Die Zahl der Katholiken in Jerusalem beläuft sich auf
etwa 1000 Seelen, darunter jedoch nur wenig Franken sind. Grossentheils sind
es convertirte Kopten, syrische Jacobiten oder Griechen, die sich fast
«ii.mmt.lich den Lateinern anschliessen. Dem lateinischen Patriarchen, dessen
W o h n u n g ein neues, geräumiges Gebäude nahe dem Jaffathor ist, stehen eine
kleine Zahl Lazaristen zur Seite. In einer gewissen Unabhängigkeit von
ihm suchen sich die Franciscaner der terra santa zu behaupten, etwa 50 an
der Zahl, meist unwissende spanische oder italienische Mönche, welche trotz
ihres laugen Aufenthaltes in Jerusalem nur selten die Landessprache erlernen.
Eine rühmliche Ausnahme machten der Vicarius und der Superior des
Klosters, welcher die reichlich aus Europa zufliessenden Einkünfte verwaltet.
In ihrem geräumigen Kloster haben sie eine Kirche und ein grosses
Magazin von Arbeiten aus Olivenholz und Perlmutter, womit sie einen bedeutenden
und ausgebreiteten Handel treiben. In ihrem grossen Hospiz, casa
nuova genannt, werden Fremde aller Confessionen aufgenommen, und Unbemittelte
erhalten h ie r, wie in jedem Kloster der terra santa, deren es zu
Bethlehem, Ramie, Nazareth, Saida u. s. w. giebt, 3 Tage unentgeltlich
Wohnung und Kost. Sie haben auch eine neu eingerichtete Druckerei und
ein kleines Hospital, welches von 4 barmherzigen Schwestern versehen wird.