
Von Neusatz bis Orsova.
versehliessen. Dennoch sahen wir auch am serbischen Ufer, wo kaum so
viel Raum zu sein schien, dass ein menschlicher Fuss treten konnte, einen
langen Fusspfad für Fischei’, die eine Felsspalte, als echte Troglodyten, bewohnten,
oder auch, wo der Raum sich erweiterte, ein Häuschen mit kleinem
Garten und Obstbäumen hatten. *) ’ Sie scheinen ihr ganzes Leben hindurch
an ihre Scholle gebannt zu sein, da sie wegen der Unzugänglichkeit
der steilen Gebirge wohl nicht von da aus in das Innere des Landes dringen
können, und ihnen als Iremden, welche keine Pässe haben, der Zutritt zu
dem österreichischen Gebiet wahrscheinlich verschlossen bleibt. Denn in
Betreff der Pässe war man in Oesterreich ausserordentlich peinlich, und sehr
oft auf dieser Reise wurden uns dieselben abgefordert, obgleich wir nicht
ausgestiegen waren, und nicht einmal hatten aussteigen können.
Von Neusatz bis Trenkova hatte der Gapitain ein Schleppschiff mitgenommen,
welches die Fah rt sehr erschwerte, uns aber dadurch entschädigte^
dass wir nun die romantischen, das Auge fortwährend fesselnden Ufer des
Stromes mit Müsse betrachten konnten. Am serbischen Ufer fanden sich in
der Nähe von Trenkova mehrere Inschriften, die von Trajan herrühren
sollen. Wir konnten sie, da es schon dunkel w ar,.n ich t mehr erkennen.
Auch die sogenannten Ueberreste der Brücke Trajan’s sahen wir an beiden
Ufe rn; doch schienen andere Stellen mit mehr Sicherheit dafür genommen
werden zu können, da wir öfter vor und hinter Trenkova dicht über dem Flussbett
in den Felsen eingehauene Wölbungen und eingemeisselte Löcher bemerkten,
die offenbar dazu gedient hatten, um Balken und Pfosten aufzunehmen.
Zwischen 8 bis 9 Uhr Abends kamen wir erst nach Orsova. In Alt-Orsova
mussten wir wieder unsere Pässe abgeben, obgleich sie uns erst.einige Stunden
vorher abgenommen und wiedergegeben waren, und gingen nach dem vornehmsten
Hotel „zum Hirschen“ , welches wir mit Mühe ausfindig machten.
Dies ist ein langes Häuschen, nur aus einem Erdgeschoss bestehend. Unsere
Reisegefährten waren uns sämmtlich, ohne dass wir es bemerkt hatten,
vorangeeilt, und wir mussten ff oh sein, in dem keineswegs schönen Speisesaal
ein Unterkommen zu finden. Das ganze Hotel ist ungefähr wie eine
grosse Dorfschenke. Nur wenige Stunden schliefen w ir, da unsere Lager
erst nach dem Weggang aller Gäste-bereitet werden konnten, standen gegen
*) Die serbischen Häuser sind gebaut nach Art der Hütten in Ober-Schlesien aus
übereinander gelegten Balken mit Stroh - oder Schindeldach.
Orsova — Mehadia.
5 Uhr wieder auf, und eilten zuerst, unsere Pässe zu holen, und dann nach
dem Bureau des Dampfschiffes zu gehen, um unser Gepäck m Empfang zu
nehmen, und sogleich wieder für die Reise nach Galatz aufzugeben. Da
wir aber hier drei Tage bis zu der Abfahrt warten mussten, so machten wir
einen Ausflug nach dem berühmten Badeorte Mehadia, und mietheten uns
dazu eine der hier gebräuchlichen Karossen, d. h. einen Korbwagen mit
P lan e , die aus Strohmatten bestand. In demselben lag Gras und Klee, und
darüber ein ledernes Kissen, welches uns zum Sitze diente. Der Kutscher
i war ein Böhme, von denen es hier eine ganze Kolonie giebt, welche namentl
ic h in Alt-Schupanek, einem dicht an Alt-Orsova gränzenden Dorfe, lebt.
Die übrige Bevölkerung besteht meist aus Walachen, einigen Serben und
[deutschen Oesterreichern. Die Walachen zeichnen sich durch ihre Kleidung
i sehr aus. Eine Mütze von Schaffell und ein Schafpelz sind fast die einzige
[ Bekleidung der Armen. Die-Reichen haben eine kurze Jacke von. blauem
[ oder rothem Tuch, theilweise mit Schnüren von Gold, darunter ein weisses
t.Hemde, welches bis an die Knie g e h t, und unter demselben weiss leinene
Lweite Beinkleider, an den Füssen zum Theil dunkle Strümpfe Und Sandalen.
§Die Frauen und Mädchen haben den Kopf theils frei, das Haar bloss gelflochten
und den Zopf .von vorn nach hinten über den Scheitel g e leg t, oder
le in Tuch über dem Kopf mit hinten herabhängendem Zipfel, oder auch die-
ses nach Art eines Turbans zusammengewickelt, und darunter das geflochtene,
und, wie es mir schien, mit Wolle ausgestopfte Haar. Dann tragen
[ sie ein weisses, theilweise mit Blumen und Arabesken verziertes weites
Hemde, über demselben nach vorn und nach hinten ein buntes wollenes
»Tuch von verschiedener Länge, welches wie eine Schürze von dem Gürtel
i herabhängt mit bald längern, bald kürzern Franzen. Diese zwei Schürzen
[ oder Schürzentheile werden durch einen Gürtel zusammengehalten. Zuweilen
tragen sie auch eine bunte tuchene Jacke mit goldenen Schnüren,
wie die Männer. Die serbischen Frauen und Mädchen tragen ein kleines
Fess mit blauen Quasten auf dem Kopf, an der Stirn ringsherum kleine
türkische Goldmünzen dicht aneinander gereiht, und eben solche Halsgehänge.
Wir fuhren Sonntag den 20. Ju n i früh 7 1/2 Uhr von Orsova weg, an
der Zrna.3) sc. reka („dem schwarzen Fluss“) entlang, und wurden gerade an
der Stelle, wo der Aquädukt Trajan’s beginnt, von einem gewaltigen Regenguss
überrascht, vor dem wir uns unter Einem der vier Bogen schützten.