
habe. Ich fragte nach dem Scheich des Ortes — er war aber nicht zu Hause.
Glücklicherweise kam er bald, und war auch sogleich, da ich ihm erklärte,
dass ich mit den europäischen Consuln von Damascus, Beirut und Jerusalem
bekannt sei, bereit, uns ein Obdach zu geben. Das ganze Dorf zählt etwas
über 400 Männer, sämmtlich Moslemen, wie in den meisten Dörfern von
Galiläa. Unser Nachtquartier war in einer Art gewölbter Scheune; in dem
vordem Theile hauste das Pferd eines Basch bozuk’s, welcher später kam;
und bald versammelten sich darin die Männer des Dorfes, um uns anzuschauen,
und ihren Widerwillen gegen uns „Ungläubige“ laut kund zu
thun. Der Scheich selbst war in grösser Besorgniss vor Dieben, rieth uns,
fern von einer Oeffnung in der Mauer, in einer Ecke, unser Nachtlager aufzuschlagen,
unser Gepäck dicht neben uns zu legen, und legte sich selbst,
nachdem wir unser Abendbrod, bestehend aus saurer und süsser Milch und
den von Tiberias mitgebrachten Eischen, verzehrt hatten, dicht vor uns
nieder. Die Sorge vor Dieben und die Unzahl von Mücken, welche mich
die ganze Nacht peinigten, liessen mich nicht zum Schlafe kommen.
Donnerstag, den 17ten, brachen wir vor Sonnenaufgang wieder auf,
ritten in südwestlicher Richtung eine Ebene entlang, und erreichten nach
1 Stunde die Karavane, zwei Stunden später kamen wir nach Kana, einem
kleinen unscheinbaren Dorfe an dem westlichen Abhang eines Hügels, mit
einer griechischen Kirche oder vielmehr Kapelle, angeblich an der Stelle,
wo Jesus das erste Wunder durch Verwandlung des Wassers in Wein bei
der Hochzeit verrichtete.*) Zwei grosse, steinerne Wasserbehälter an der
Wand eiDgemauert werden noch in derselben gezeigt als diejenigen , in
welchen das Wasser in Wein verwandelt wurde. An der Thüre standen
Kinder mit Wasserkrügen, um uns gegen ein Bakschisch von dem Wasser
zu trinken zu geben, wobei wir zuerst mit dem Namen Hadschi „Pilger“
beehrt wurden. Die Leute der Karavane, und auch die Kinder nannten
mich Hadschi Baba „Vater Pilger,“ wobei sie natürlich nicht an den Barbier
von Ispahan (in Morier’s Roman), der mir unwillkührlich einfiel, dachten. —
Kana gegenüber, welches fast ganz von griechischen Christen bewohnt ist,
auf dem Gipfel eines höhern Berges, liegt das Dorf Meschhed; bei diesem
ritten wir vorbei, und erreichten l t /2 Stunde später, gegen 11 Uhr Morgens,
das liebliche Nazareth. Wir stiegen in dem Franciscanerkloster der terra
*) Ein anderes gleichnamiges Dorf, einige Stunden davon entfernt, wird aber gleich-
falls von den Bewohnern für dieses Kana gehalten oder ausgegeben.
santa ab, nahmen erst ein Frühstück ein, und gingen dann auf den 2 Stunden
östlich davon entfernten Berg Tabor, auf welchem Christus verklärt wurde.
Ihn zu ersteigen brauchten wir l t /2 Stunde. Todtmüde, da ich die beiden
vorhergehenden Nächte fast gar nicht geschlafen hatte, kam ich auf dem
Gipfel a n , auf welchem eine Menge. Ruinen von Chanen, Kapellen und
Kirchen zu sehen waren. Je tz t ist er ganz unb'ewohnt, 2 griechische Mönche,
welche vor Kurzem sich auf demselben niedergelassen h a tten , waren, angefallen
und beraubt von Beduinen, genöthigt gewesen, diese heilige Stätte
wieder zu verlassen. Eine herrliche Aussicht gegen Norden über Safed
bis zu dem Dschebel esch Scheich, gegen Osten über den Tiberiassee hinaus,
gegen Süden über die Ebene Esdrelom, die Gebirge von Samaria und
Ju d ä a , gegen Westen über den Berg oder vielmehr das Gebirge Karmel
hinaus auf das Mittelmeer und bis in die Gegend von Jaffa, belohnte reichlich
die Beschwerden des langen Weges, abgesehen von der Heiligkeit des Ortes
selbst. Wir hatten 2 Flinten und 2 Pistolen mit, um etwaige Angriffe von
Beduinen, deren es hier Viele giebt, zurückweisen zu können. Auf dem
Heimwege begegneten uns Einzelne derselben, die jedoch, da sie allein
waren, nichts gegen uns zu unternehmen wagten. Gegen 7 J/2 Uhr Abends
langten wir wieder in Nazareth an, wo wir 2 Belgier vorfanden, mit denen
wir uns verabredeten, gemeinschaftlich nach Jerusalem zu gehen. Nachdem
wir zu Abend gegessen hatten, legten wir uns zu Bette — wir hatten
seit Hasbaya zum ersten Male wieder ordentliche und reinliche Betten
und schliefen vortrefflich.
Freitag, den 18ten, standen wir früh um 5 Uhr auf, gingen zuerst nach
der gegenüber liegenden Kirche des Klosters, erbaut an der Stelle, wo das
Haus Joseph’s gestanden hatte, — eine unterirdische Kapelle darin steht
an dem Ort, wo der Engel Gabriel der Jungfrau Maria die Verheissung
gab — dann nach der Werkstätte Joseph’s, und endlich nach einem dritten
Ort, wo ein grösser, breiter Stein gezeigt wird, als der Tisch, an welchem
Jesus mit den 12 Aposteln gespeist haben soll. Gegen 7 Uhr verliessen wir
das malerisch an dem südlichen Abhange eines Berges gelegene Nazareth, in
welchem der damals gerade abwesende englische Missionar Klein seit einer
Reihe von Jahren segensreich wirkt, erreichten nach 1/2 Stunde die Ebene
Esdrelom, zu deren Durchreiten wir 3 Stunden brauchten, und rasteten
eine Zeitlang bei dem grossen Flecken Dschenin, wo die Gränze von Galiläa
und Samaria ist, um zu frühstücken. Nahe dabei blieb die Karavane liegen;
P etebmann, Reise im Orient-. “ 13