
d ien , denen er mit grossem Eifer auf der Berliner königlichen Artillerieschule
oblag, war er plötzlich zugleich mit seinen beiden Cameraden abberufen
worden. Mit trüben Ahnungen erfüllt, und mit schwerem Herzen
hatte er Berlin im Jah r 1842 verlassen, und nur zu bald hatten seine Besorgnisse
sich verwirklicht. Eine schwere Zeit hatte er durchlebt. P Gleich
anfangs war er krank geworden, und ohne alle Pflege, wie er war, hatte er
sich genöthigt gesehen, sich zu verheirathen. Erst seit drei Jahren war es ihm
möglich gewesen, sich ein Haus zu kaufen; bis dahin hatte er bei seinen
Schwiegereltern wohnen müssen. Dieses, und dass seine Frau, welche im Jahre
1852 erst 21 Jah r alt war, gleich allen Türkinnen aller Bildung baar, und
vollständig bildungsunfähig ist, hatte ihm die ersten Jahre seiner Ehe sehr
verleidet, bis sie eines Söhnchens genas, welches nun seine ganze Freude
wurde. Um das Maass seiner Leiden in den ersten Jahren nach seiner
Rückkehr voll zu machen, sah er sich auch von seinen Vorgesetzten auf alle
Weise chicanirt. E r allein von seinen Cameraden, obgleich der Fleissigste
und Tüchtigste, war in dem Avancement zurückgeblieben, und drei Mal
hatte man ihn, wie er versicherte, ohne allen Grund vor der Front in Arrest
geschickt. Dadurch zur Verzweiflung gebracht, hatte er endlich seinen
Vorgesetzten Pascha um Versetzung von der Artillerie gebeten, und einst
seinem Major vor der Front Ohrfeigen gegeben. Von dieser Zeit an ging
es besser mit ihm. E r wurde zum Generalstab versetzt, und avancirte bald
zum Kaimakam, Obristlieutenant, was er seit drei Jahren nun war. Bald
hoffte er, Mir alai, Obrist, zu werden, und, wie ich zu meiner Freude zu
Anfang des Jahres 1855 von dem Feldmarschall Mehemed Rescliid Pascha
in Bagdad hörte, ist er nun zum Livä, Generalmajor, avancirt, und hat die
Einschiffung der Truppen in Varna, welche gegen Sebastopol zogen, geleitet
In dem Rama9an ist es Sitte in allen grösseren Städten, alltäglich den
Sonnenuntergang und mit ihm das Ende der Fasten für diesen T ag durch einen
Kanonenschuss zu verkündigen. In Konstantinopel werden "zwei Kanonenschüsse
jedesmal gelöst. So wie er diese hörte , nahm er mich mit sich in
sein Haus, welches von innen verriegelt war. E r hatte gerade Besuch von
seiner Schwiegermutter, einer Tscherkessin, mit dereü jüngern Tochter und
kleinem Sohn, welche nach dortiger Gewohnheit, ob sie gleich in Konstantinopel
selbst wohnen, doch auf 8 -— 14 Tage bei ihm logirten. Da er seine
jüngere Schwägerin nicht unverschleiert sehen durfte, so war auch ihm das
Harem d. i. das Zimmer.seiner Frau für diese Zeit während des Tags ver-
Lchlossen, und nur am Abend durfte er mit ihr zusammen sein. E r pochte
L n die Thür, und r i e f hinein: Gelürüz, „wir kommen“ , das weibliche Per-
ional stob aus einander, und wir traten ein. Nachdem wir uns die Hände
[gewaschen hatten, setzten wir uns zu Tische, und assen nach türkischer
¡Weise mit den Fingern. Später liess er mir Messer und Gabel bringen, als
L sah, dass ich mich in diese Sitte nöcK nicht recht finden konnte. Es ka-
Ljeu 6 __7 Gerichte, eine Suppe zuerst, die mit hölzernen Löffeln gegesfen
wurde, dannmehreres Andere, was ich nicht mehr benennen kann; auch
Artischoken waren darunter,- die etwas besser schmeckten, und anders zubereitet
waren, als in Venedig, wo sie in reinem Oel schwammen. Aber doch
musste ich mir bei den meisten Gerichten Gewalt änthun, da sie fast durchgängig
mit Oel angemacht waren. Zu trinken hatten wir Jeder ein Glas
Scherbet (d. i. Fruchtwasser) von Kirschen. Die Ueberbleibsel von der
Mahlzeit kamen in das Harem. Nachher tranken wir im Garten Kaffee,
üpd rauchten dazu. Später kam sein Nachhar, Hüsni Efendi, ein Bimbaschi,
Major, zu ihm, welcher uns nach Topchane, dem Platz an der Artilleriekaserne,
unterhalb Galata und dicht am Bosporus, begleitete. Dort fanden
wir ein grosses Menschengewühl. Ein oder zwei Reihen Buden waren kurz
vor dem RamaQan weggerissen, und dadurch ein freier Platz zum Corso geschaffen
worden. Die Minarets der Siegesmoschee Nusretijje xjö
waren erleuchtet, beide durch Lampen, die einen Sonnenschirm bildeten,
verbunden, und ein Lämpchen schwebte an einem Strick befestigt, darüber auf
uhd ab. In der Artilleriekaserne war Musik. Wir tranken Scherbet, rauchten
eine Pfeife, und gingen dann weiter. Endlich setzten wir uns in dem Laden
eines Armeniers, eines Fessbereiters, nieder, wo mir Rämis ein Fess zurecht
machenliesS, und ich bei einem Glas Scherbet die Bekanntschaft eines-Obersten
machte, der in London studirt hatte, und englisch, französisch, auch etwas
deutsch sprach. Dann führte mich Rämis nach meinem Hotel. Es war
«sphr spät, gegen 12 Uhr. Die Nachtwächter mit einer Laterne und einer
Illandpauke versehen, kündigten durch Paukenschläge die Mitternachts-
Istunde an-, und forderten damit alle Gläubigen zum Aufstehen und Essen
lauf. Mit Mühe fanden wir das Hotel de Pera wieder, wo sich Rämis von
pmir verabschiedete.
Den folgenden Tag holte mich Rämis um 11 Uhr nach dem Frühstück
ab. E r hatte seine beiden Pferde zum Reiten mitgebracht; da aber Rose
uns begleiten wollte, so schickte er sie nach Hause. Zuerst gingen wir