
mit der Standarte, getragen von dem Aeltesten und Vornehmsten derselben,
Neqib el aschräf oLxw.^1 genannt. Sie besteht aus einer langen,
ganz vergoldeten Stange, von deren Knopf am obern Ende zu zwei Seiten
breite griinseidene Bänder mit Neskhi-Inschriften in Gold gestickt herabhangen.
Zwei seidene Schnuren, welche von beiden Seiten bis auf die Erde
herabreichten, wurden von 2 Nachkommen des Propheten getragen. Die
Bänder waren offenbar neu; aber über dem Knopf war noch ein goldener
Aufcatz, unten schmal und oben breit, angebracht, welcher eine Kapsel
zu sein schien, in der vielleicht die wirklichen oder vermeintlichen Uebei-reste
der Standarte des Propheten aufbewährt wurden; doch habe ich darüber
etwas Näheres und Sicheres nicht erfahren können. Siehe weiter unten.
Der Sonnabend, an welchem der Zug abging, brachte die Hauptceremonie,
wozu der Dragoman des Consulats uns ein Zimmer am Ende der Stadt ge-
miethet hatte. Schon früh 7 Uhr traten wir unsern Marsch durch das dichte
Menschengedränge mit vielen Hindernissen an, welche in Gestalt von Fuss-
gängern, wie Keitern zu Pferde, Esel und Kameel mit Hülfe des Kawasses
und Dragoman’s glücklich überwunden wurden. Eine Stunde später begann,
durch Kanonenschüsse ängekündigt, der Zug. Doch zog schon vorher ein
sogenannter Heiliger (nach unsern abendländischen Begriffen ein Verrückter,
aber die Muhammedaner glauben, ein Wahnsinniger werde von dem Geiste
Gottes getrieben) unsere Aufmerksamkeit auf sich. E r war ganz nackt —
selbst im Winter soll er völlig unbekleidet bleiben — und machte allerhand
Grimassen, während das Publikum, vornehm und gering, alt und jung, sich
bemühte, ihm zu nahen, seine Hand zu fassen und zu küssen. Das Militär
hatte wieder ein öpalier gebildet, und Hunderte von Kameelen, theils
belastet, theils mit Keitern, gingen voran. Dann kamen die hohen Civil-
beamten mit dem Civil-Pascha, ’Izzet Pascha U L ^ an der Spitze,
welcher zum Gouverneur von Dschidda ernannt worden war*), darauf verschiedene
Abtheilungen von regulärem und irregulärem Militär zu Pferde,
auch eine Batterie mit 6 Kanonen. Diesem folgten die hohen Militärbeamten
mit dem Seraskier, sodann kam ein Sessel getragen von einem Kameel und
überdeckt mit einem grünseidenen, reich mit Gold durchwirkten, und mit
' D,eser Civilgouverneur, welcher in Damascus einen monatlichen Gehalt von
60,000 Piaster (etwa 3700 Thlr.) hatte, bekam in seiner neuen Stellung 100,000 Piaster
(gegen 6200 Thl.). Trotzdem galt diese Versetzung für eine Art von Verbannung, weil
sein neuer Posten ohne alle Bedeutung war.
goldenen Schnuren und Quasten an den Seiten versehenen Teppich, welcher
alle Jahre erneuert, und über das Grab des Propheten in Medina gedeckt
■wird. E r bleibt darauf bis zum nächsten-Jahre liegen, worauf er durch den
neuen, den die grosse Pilgerkaravane mitbringt, ersetzt wird. Die alte Decke
wird zurückgebracht, die Begräbnisse der Sultane, sowie der kaiserlichen
Prinzen und Prinzessinnen zu zieren. Siehe Muradgea d’Ohsson, Allgem.
Schilderung des othom. Reichs, deutsch v. Chr. D. Beck, Th. 2. S. 177. Hinter
diesem gingen die Nachkommen des Propheten mit der Standarte, weiche wieder
von dem Neqib el aschräf getragen wurde. Dann kam eine altfränkische
Karosse, die einzige, welche damals in Damascus existirte, und dem nun
versetzten Civilgouverneur gehörte, ein von zwei hintereinander gehenden
Kameelen getragener prachtvoller Sessel, und noch einzelne Kameele mit
Sesseln für 1 oder 2 Personen; den Schluss bildeten Beduinen mit ihren
langen Flinten oder Lanzen O bewaffnet zu Pferde.
Während des Zuges ereignete sich noch folgender Zwischenfall. Ein
sogenannter Heiliger, aber von einer ändern Klasse als der vorhin erwähnte,
nahte sich dem Neqib el aschräf, und schlug ihn mit seinerPeitsche mehrmals
in das Gesicht. Trotz seiner Heiligkeit nun, welche ihn nöthigt, in
einer Höhle an dem Kastell zu wohnen, und sich täglich nur von 5 Rosinen
zu nähren, Hess ihn der Seraskier, Mehemed Pascha, sofort festnehmen, und
in das Gefängniss sperren, nachdem ihm vorher auf offener Strasse die Ba-
stonade ertheilt worden war.
Als der Zug nach einigen Stunden vorüber war, begaben wir uns gegen
Mittag bei einer Hitze von 28° R. im Schatten nach Hause, und kamen, da
wir !/2 Stunde lang auf dem langen, breiten Meidän — so heisst die gerade
Strasse, welche in dem Bilde von Damascus gleichsam den Stiel zu der
Kelle ausmacht, und bei dem Thore Bäb Allah „Gottesthor“ , so genannt,
weil der Hadsch durch dieses Thor nach Mekka zieht, endigt — in fortwährender
Sonnengluth zu gehen hatten, ganz aufgelöst in unserer Wohnung an.
In den nächstfolgenden Tagen machte Wetzstein seine Gegenbesuche,
wobei wir ihn begleiteten; oder wir gingen, so lange es uns noch etwas Neues
war, auf den Bazär’s umher, doch nie ohne Begleitung eines Kawasses oder
ändern Dieners des Consulats, nicht aus Furcht vor Insulten, sondern um
uns nicht zu verirren, was in den überaus krummen und winkeligen Gassen
leicht möglich ist. Bis zu den Zeiten der Occupation durch Ibrahim Pascha,
also vor etwa 25 Jah ren , waren Christen und Ju d en , namentlich aber