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5- Sulina.
ebendaselbst in einer Handlung conditioniren sollte, und ein wahrscheinlich
spanischer Jude aus Konstantinopel, Namens de Castro, welcher sich seit
mehreren Jahren in Wien niedergelassen hatte. Ausser diesen kamen noch
dazu Kaufmann Matthieu aus Galatz, schwedisch-norwegischer Consul daselbst,
ein Professor der griechischen Sprache in Bukarest, aus Athen gebürtig
i mehrere griechische Geistliche aus Bessarabien, welche auf den ayutg
uQ°g „den heiligen Berg“ d. i. den Berg Athos gingen, andere Griechen
und Griechinnen, mehrere rabbanitische Juden aus Czernowitz, welche
eine Pilgerfahrt nach Jerusalem machten , merkwürdigerweise hebräisch
zwar lesen konnten, aber nicht verstanden, und nur eine sehr mangelhafte
Kenntniss von dem Talmud hatten, und endlich eine verschleierte, aber
hässliche Türkin mit mehreren Türken, unter denen der Oberrichter von
Belgiad war. Letztere hatten die eine Seite des Verdecks in Beschlag genommen,
und verrichteten, unbekümmert um die Umstehenden, zu den bestimmten
Tageszeiten ihre Gebete. Auch ein Webergeselle aus Chemnitz in Sachsen,
welcher in meiner Vaterstadt, Glauchau, gearbeitet hatte, fand sich unter
den Passagieren, und hoffte, in der kaiserlichen Fabrik von Erekli bei Konstantinopel
Arbeit zu bekommen. Das Dampfschiff Schild xx hatte .12Q Pferde
Kraft. Am Abend hatten wir einen unangenehmen Zusammenstoss mit dem
neben uns liegenden aufwärts gehenden Dampfer A rpad, bei dessen A b fahrt,
ohne jedoch Schaden zu leiden, und Sonntag, den 27ten Juni, früh 3 Uhr
stiessen wir vom Ufer. Wir kamen bei der Mündung des Pruth in die Donau
vorüber, womit das moldauische Gebiet aufhörte, und das russische, Bessarabien
begann, und dann auf neutrales Gebiet, welches aber ebenfalls ganz von
den Russen in Beschlag genommen war. Bis dahin begleiteten uns gleichsam
die Ausläufer des Balkan, die wir schon vor Braila gesehen hatten. Nun aber
wurde die Aussicht im höchsten Grade einförmig, wir erblickten rings jim uns
nichts als Sumpf undNiederungen. Gegen 2 Uhr Nachmittag passirten wir die
Sulina-Mündung, so benannt von dem kleinen dabei liegenden O rt, Sulina,
dessen Bewohner als Lootsen die Schiffe durch die breite, aber fast ganz
versandete Donau - Mündung hindurch leiten. Eine Unzahl von Schiffen
aller Nationen lag dort vor Anker. Die Passage war eng und gefährlich;
wir sahen die Wraks mehrerer gescheiterter Schiffe zu beiden Seiten. Ein
Lootse von dort dirigirte die F ah rt; der Steuermann lenkte nicht gut; ein
Matrose mass fortwährend das Fahrwasser, und fand zweimal nur 9 Fuss
Tiefe, während das Schiff 8 3/4 Fuss tief ging. Die Gefahr war nicht gering,
eine lautlose Stille war auf dem Fahrzeug, bis der Matrose endlich wieder
lO Fuss rief. Die Gefahr war vorüber, und jetzt fasste Alles wieder Muth.
[Wir fuhren nun getrost weiter, sahen noch lange Zeit einen Streifen Landes
L der Ferne an der linken Seite, und hinter uns den Leuchthurm von Sulina
mit einigen Masten. Lange auch behielt noch das Wasser die schmuzig
Leibe Farbe der Donau, bis die dunkelgrüne Meerfarbe des schwarzen Meeres
allmälig die Oberhand gewann.
Montag, den 28ten, erhob ich mich um 5 Uhr früh von meinem
Lager. Die Witterung war trübe und regnerisch, klärte sich aber hald wieder
auf, der Wind war conträr, aber nicht heftig, so dass wir, statt um
|;U h r, erst um 11 Uhr Morgens bei Varna landeten. Aber schon kurz nach
5'Uhr konnten wir die Küste in der Ferne erblicken, und bald darauf hatten
L i r den Böjük Balkan „den grossen Balkan“ zur Seite, dessen Höhenzüge
fms bis Vama begleiteten. Der Mangel an Pfeife und Tabak , verbunden
fn it dem Wunsche, die erste türkische Stadt und Festung, bei welcher wir
anhielten, in Augenschein zu nehmen, bewogen uns, in einer gebrechlichen
Barke an das einige Tausend Schritt entfernte Ufer zu fahren. Bevor wii
die Stadt betreten durften, mussten wir dem Hekim Baschi „Oberarzt ,
einem freundlichen Oesterreicher, unsere -Pässe zeigen. Die Stadt war in
Vergleich mit den zuletzt gesehenen walachischen schön zu nennen. Nach
einer kurzen Wanderung durch den Bazar gingen wir in das am 'Ihore geleg
e n e griechische Kaffeehaus.4)
Von Vama fuhren wir fortwährend mit conträrem Wind, der bald stär-
t k e r , bald schwächer wurde, und öfter ein unangenehmes Schaukeln verursa
ch te , ohne dass die Wellen höher schlugen, aber doch so, dass man nicht
sicher stehen konnte. Früher als sonst legte ich mich zu Bette, weil ich, der
¿Seefahrt noch ungewohnt, die Seekrankheit fürchtete, welcher mau in liegen-
id e r Stellung weniger ausgesetzt ist, konnte aber theils wegen des Schau-
I kelns , theils aus Besorgniss, den Eingang in den Bosporus zu versäumen,
I nur wenig schlafen, und stand um 5 Uhr Morgens wieder auf, als man schon
I in weiter Feme das europäische, wie das asiatische Ufer sehen konnte. Ich
■ eilte sogleich auf das Verdeck. J e näher wir dem Bosporus kamen, desto
i mehr Hess die Bewegung des Schiffes nach, die WeUen verloren sich zuletzt
f ganz, und Schaaren von Vögeln, an Grösse und Gefieder unsem SperHngen
ähnHch, welche unausgesetzt von der äussersten Spitze des Bosporus bis an
das Ende der Dardanellen hin und herfliegen, kündigten ebenfaUs die Nähe