
Der jetzige griechisch-katholische Patriarch von Antiochien, welcher
in Damascus residirt, und zugleich Patriarch von Jerusalem ist , hat auch
hier ein Patriarchat mit einer Kirche erbaut, wo er für die wenigen Glieder
seiner Kirche einen Geistlichen hält.
Besonders interessant für mich aber war die Bekanntschaft des Sida-
oxalog zliovvaioq, eines jungen griechischen Gelehrten, welcher auch in
Leipzig studirt hatte,- und die deutsche Sprache sehr gut verstand. E r
zeigte mir die Kirche, Schule, und die Bibliothek , in welcher einige
jüngere Handschriften von griechischen Kirchenvätern waren; auch gab
er mir 2 Zöglinge mit, die mich nach dem Stunde westlich von der
Stadt gelegenen Kreuzeskloster führten, welches eben restaurirt wurde. In
demselben fand ich in einem kleinen Gemach neben der Kirche, verstaubt
und in grösster Unordnung herumliegend mehrere griechische, aber noch
mehr syrische Handschriften. Unter den letztem, denen auch einige kar-
schunisehe beigemischt waren, entdeckte ich in der kurzen Zeit, die mir zum
Untersuchen derselben verstattet war, mehrere Schriften von TheodorusMops-
vestenus, ferner einzelne Schriften von Abas I., Patriarchen der Nestorianer,
ein Gedicht von Gabriel, Metropolit von Mosul, das Paradies und Anderes
von Ebed Jesu, ein Gedicht von Georgius Yarda, Nestorianer des 13ten Jahr-
hunderts, und Schriften von Barhebäus, Ananjesu, Issäc, Motropolit von
Nisibisu.s.w. Die meisten derselben waren aber aus jüngerer Zeit, und zwar
grossentheils aus dem 16ten Jahrhundert.
Griechische Christen sollen in Jerusalem gegen 400 Familien oder
2000 Seelen sein. Die Zahl ihrer Geistlichen und Mönche beträgt 150; der
Patriarch lebt in Konstantinopel, und hat hier nur einen Stellvertreter. Zu
ihrem Kloster gehört die an einen Seitenflügel desselben angebaute, Konstantin
dem Grossen geweihte Kirche, von welcher man unmittelbar auf das
Dach der Grabeskirche kommt, und auf die innerhalb der grossen Kuppel
angebrachte eiserne Gallerie steigen kann. Die Schule in dem Kloster ist
nach dem Vorgang des Bischofs Gobat gegründet worden. Die Griechen
sind im Besitz der wichtigsten Theile von der Grabeskirche. Ihnen gehört
das heilige Grab und eben so der Kalvarienberg. Ursprünglich hatten diesen
die Armenier inne, wie sie aus noch vorhandenen Documenten beweisen
können; der Sultan der Mamluken, Melik el As.chraf, gab ihn, durch ein
bedeutendes Geldgeschenk von dem König der Georgier bestochen, den
Georgiern, und, als diese in Jerusalem ausstarben, eigneten sich die Griechen
denselben zu. Ihnen gehört auch vornehmlich die Marienkirche, Gethsemane
gegenüber am Oelberg, das oben genannte Kreuzeskloster, m welchem
ein Gymnasium oder Seminar errichtet werden sollte, welches früher ebenfalls
im Besitz der Georgier war, das so schön in der Mitte zwischen Je ru salem
und Bethlehem auf einer Anhöhe gelegene Kloster Mar Elias, von
welchem man beide Städte vor Augen h at, ein Theil des Klosters und der
Kirche zu Bethlehem, und das 3 Stunden von Jerusalem südöstlich nahe
dem todten Meere romantisch gelegene Kloster Mar Saba mit einer, wie man
sagt, namentlich an orientalischen Handschriften reich ausgestatteten Bibliothek,
deren Anblick mir leider verwehrt ward.
Georgier giebt es in Jerusalem seit mehrern Jahrhunderten nicht mehr;
die Wenigen, welche zu der Zeit des Osterfestes dahin pilgern, sehliessen
sich den Griechen an, mit denen-sie sich nach dem chalcedonischen Concil
vereinigt haben. Da ihre Bekehrung von Armenien ausgegangen war, so
war ihre Kirche auch früher mit der armenischen verbunden gewesen.
Am Interessantesten für mich war die Bekanntschaft mit einem jungen,
liebenswürdigen Armenier aus einer der angesehensten und reichsten Familien,
Namens Simon Murad, welcher americanischer Yiceconsul m Jerusalem
ist. Mit ihm und Dr. Rosen machte ich einen Besuch bei dem armenischen
Patriarchen, einem freundlichen Greis, welcher uns einen etwa 2 Ellen
langen Stock zeigte, unten von der Dicke eines Daumens, aber weit stärker,
aus einem einzigen Stück Bernstein bestehend. E r sagte uns, dass es ein
Geschenk des Kaisers von Russland sei, welcher einen an ihn, und einen
ähnlichen an den Katholikos von Edschmiadsin geschickt habe.
Die Armenier haben bekanntlich einen geistlichen Oberhirten, den sie
Katholikos nennen. Dieser hatte zu der Zeit, da ein armenisches Reich
bestand, seinen Sitz gewöhnlich- in der Hauptstadt, und zuletzt zu Sis in
Cilicien, als die Rubeniden, Abkömmlinge der Bagratiden, eine Dynastie
dort gegründet hatten. Auch nach dem Erlöschen dieser Dynastie blieb
der Sitz des Katholikos in Sis bis zu dem Jah re 1441 n. Chr., in welchem
gegen den nur von 5 Bischöfen, welche sich allein dort befanden, erwählten
Katholikos Gregor IX. — da zur rechtmässigen Wahl eines Solchen mindestens
12 Bischöfe und Erzbischöfe gehören — zu Edschmiadsin, in einer
Versammlung von 700 Geistlichen aller Grade Cyriacus zum Katholikos
gesalbt wurde. Dieser blieb mit seinen Nachfolgern in dem von Gregorius
Photistes erbauten Kloster, dess'en rechte Hand dort noch aufbewahrt wird.