
Siebentes Kapitel.
Reise nach Nablus und Aufenthalt daselbst.
Nachdem ich diese kleinen Abstecher von Jerusalem aus gemacht hatte,
entschloss ich mich, abzureisen, und zuvörderst nach Nablus zu gehen, da
ich vorläufig für meine Zwecke in Jerusalem keine sonderliche Ausbeute zu
erwarten hatte. Eine Einsicht in die handschriftlichen Schätze der Bibliothek
des armenischen Patriarchats konnte ich nicht erlangen, da das Local für
dieselbe noch nicht gebaut, und die Codices bei der Geistlichkeit zerstreut
waren; die Bibliothek des syrisch-jacobitischen Klosters war wegen Abwesenheit
des Superiors verschlossen, und die des Kreuzes-Klosters der Griechen
gleich der armenischen wegen des Neubaues in Unordnung, so dass ich
erst nach geraumer Zeit, wenn der oben erwähnte SiSaaxaXoe dort seine
Stellung als Seminardirector eingenommen haben würde, durch ihn die
Erlaubniss erhalten hätte, dort längere Zeit zu studiren, und Abschriften zu
machen. Dazu kam noch, dass das Wochenfest der Samaritaner herannahte,
welchem ich wo möglich beizüwohnen wünschte. Nachdem ich meine Abschiedsbesuche
beendigt, und ein Zelt eingekauft hatte, machte ich mich den
9ten Ju n i auf den Weg. Es war derselbe Tag, an welchem ich das ja h r
vorher Berlin verlassen hatte. Schon vor Sonnenaufgang wollte ich fort,
aber theils der Mucker, wie gewöhnlich, theils der Wunsch, Briefe aus der
Heimath noch in Empfang zu nehmen, welche, wie ich erfuhr, angekommen
waren, hielten mich mehre Stunden zurück, so dass ich erst gegen 10*/2Uhr
Vormittags fortkam. Es wurde mir schwer , von Jerusalem wegzugehen,
wo ich so genussreiche Tage verlebt, wo ich so liehe Bekanntschaften angeknüpft
hatte — aber ich konnte, ohne mir Vorwürfe zu machen, nicht länger
dort verweilen — und es wurde mir um so schwerer, da ich nach einem Orte
reiste, dessen Bewohner durch ihren Fanatismus in ganz Palästina berüchtigt
sind. Ich machte zur Bedingung, dass der Mucker, ein freundlicher Muhammedaner,
welcher, wie er mir versicherte, viele Freunde in Nablüs hatte,
mich begleite. Denn ich fürchtete, dass theils durch den wenige Tage
vorher eingetretenen Fastenmonat Ramadhän, theils durch das Gerücht von
dem Ausbruch eines Krieges zwischen Russland und der Türkei die Wuth
gegen die Christen noch gesteigert worden sei. Ueberhaupt ist Nablüs ein von
Juden und Christen gefürchteter Ort. Vor der 0 ccupation von Ibrahim Pascha
hatte wohl kaum ein Europäer, wenigstens nicht in europäischer Tracht,
gewagt, diese Stadt zu betreten. Die wenigen griechischen Christen, welche
hier waren, lebten unter hartem Druck, mussten zum Unterschied von den
Muhammedanern §inen dunkelbraunen Turban tragen, und, ihren Mantel über
den Kopfischlagend, sich durch die Gassen schleichen, wobei sie sich wohl
hüten mussten, dem Kleide eines Moslem zu nahe zu kommen, oder an der
rechten Seite eines Solchen vorüber zu gehen; und, wenn sie auch diess Alles
gehörig beobachteten, so waren sie dennoch gezwungen, Beschimpfungen
und Schmähungen ihrer Religion geduldig anzuhören. Diess Alles hörte
mit Einem Male auf, als Ibrahim Pascha Besitz von Syrien genommen hatte.
Die Christen athmeten wieder freier; auch Franken (Europäer) reisten unangefochten
in ihrer Tracht durch diese Stadt. Als aber die Macht der Egypter
gebrochen war, und nach deren Vertreibung die türkische Regierung ihre
alte Schwäche wieder zeigte: da begann der Fanatismus von Neuem sich
auf alle Weise k u n d 'z u geben; man• fing wieder an, die Christen zu
schmähen, und namentlich die Franken zu insultiren. Zum Glück war der
damalige Gouverneur ein durch seine Gerechtigkeitsliebe und Energie allgemein
geachteter Mann, weleher Ausbrüche der Rohheit und des Uebermuthes,
wenn sie ihm zu Ohren kamen, streng rügte, aber freilich auch, aus einer
edlen Familie der Stadt entsprossen, und von Feinden umgeben, die ihn
zu stürzen suchten, um selbst zu dieser Würde zu gelangen, manche Rücksichten
zu nehmen hatte. Da ich durch Schewket Bey an den Pascha von
Jerusalem besonders empfohlen war, so gab mir dieser, der unmittelbare
Vorgesetzte des Mutesellim (Gouverneurs) von Nablüs, ausser einem allgemeinen
Bujuruldü an die Beamten seines Paschalik’s noch einen besondern
Brief an diesen mit, worin er mich ihm noch speeiell empfahl.
Mit meiner leichten Abaye (Mantel) umhüllt, welche den Staub und das
Durchdringen der Sonnenstrahlen, auch allenfalls einen leichten Regenschauer
abhielt, ritt ich an der Spitze meiner kleinen Karavane zu dem