
sei. Mir schienen sie noch älter zu sein. — Kadhi kjoe, eine kleine Stunde von
Skutari entfernt, je z t ein unansehnliches Dorf, steht an der Stelle der berühmten
Stadt Chalkedon, wo das denkwürdige ökumenische Concil im Jah r
451 gehalten wurde. Nach einigem Verweilen fuhren wir nach Topcliane
zurück.
Dienstag, den 6. J u li, machten wir mit Dr. Peters einen Ausflug nach
Bujukdere.I7) Auf einem türkischen Dampfschiff fuhren wir bis Jeni kjoe d. i.
„Neudorf1 , eine Uebersetzung des griechischen Namens Neochorion, weil es
erst im 15. Jahrhundert erbaut worden. Es ist meist von Griechen bewohnt,
doch finden sich auch dort viele Türken und Armenier. Bemerkenswerth
ist es besonders durch die selbst für den Orient auffallend engen Gässchen,
welche desshalb absichtlich in dieser Weise angelegt worden sein sollen, um
zu verhindern, dass die Kosaken, die zu wiederholten Malen dort landeten,
und grosse Verwüstungen anrichteten, in grossen Massen sich in dem Orte
ausbreiteten, und um dadurch den Bewohnern Zeit zur Flucht zu gewähren.
Nahe dabei war die Stelle, an welcher die Byzantiner die macedonische Flotte
unter Demetrius schlugen. — Einen Regenschauer, der uns überraschte,
warteten wir in einem Kaffeehanse des griechischen Dorfes Therapia ab,
von den Türken Tarabia genannt. Der ursprüngliche Name desselben war
(paQj.iay.evg oder cpaQjur/.ia, den jetzigen soll es (nach Sokrates V, 25.) von
dem griechischen Patriarchen Atticus im fünften Jahrhundert erhalten haben;
beide aber deuten auf die Sage hin, dass Medea dort ihren Medizinkasten
aufbewahrt habe. Von da gingen wir dem Quai entlang nach dem an dem
Ende der geräumigen Bucht gelegenen, und durch die,vielen Sommerpaläste
europäischer Gesandten und anderer Grossen ausgezeichneten Bujukdere,
d. i. „das grosse Thal.“ Nahe dabei sind mitten auf der weit ausgedehnten
Ebene die Platanen, welche Gottfried von Bouillon gepflanzt, oder, unter
denen er gesessen haben soll. Die Türken nennen sie in einer runden Zahl
Kirk aghatsehi d. i. „die 40 Bäume“ oder auch richtiger Jed i kardaschlar
„die 7 Brüder;“ denn es sind deren eigentlich 7. Drei davon stehen einzeln,
die vier übrigen aber sind mit ihren Stämmen und Wurzeln so in einander
gewachsen, dass man sie für zwei ansieht. Diese sind hohl, und in ihrem
Innern haben die Griechen Lagerstätten sich bereitet; daneben war ein griechisches
Kaffeezelt. Ihre Aeste und Zweige haben einen Umkreis von 150
bis 170 Schntt, und von den äussersten Zweigen bis zu den Stämmen, welche
einen Halbkreis bilden, zählten wir 50 Schritt. Die Dicke der Stämme
konnten wir nicht ausmessen, da wir durch eine um dieselben festgemachte
Bank daran verhindert wurden. Bujukdere hegt am Fusse des hohen
Berges, Chodscha taschi, den wir darauf bestiegen. Der Weg hinauf
war sehr beschwerlich, aber die Aussicht auf der Spitze desselben dafür auch
die belohnendste: unter uns das reizende Bujukdere, vor uns der Bosporus
mit seinen anmuthigen Hügeln, Dörfern und Palästen, links das schwarze
Meer, rechts die Minarets von Konstantinopel, die Prinzeninseln, der Olymp,
.und ein langer Streifen des Marmormeeres. — Wir fuhren auf einem französischen
Dampfboot, welches eine Extra-Tour nach Therapia gemacht hatte,
Iweil dort.das Johannisfest von den Griechen sehr solenn gefeiert wurde
L a c h Konstantinopel zurück, und machten noch unterwegs die Bekanntschaft
[des Hofraths Dr. Pauli, bei welchem wir am Abend zum Thee eingeladen
[wurden.
Den folgenden Tag machten Rose und ich eine Spazierfahrt nach den
[süssen Wassern. Wir mietheten uns einen Kaik, und fuhren damit bis zu
idem zweiten Kiosk des Sultans. Die Fah rt durch das goldne Horn bis zu
■Ende war sehr interessant; aber die Sonne brannte so sehr, dass wir vor
Mattigkeit fast einschliefen. Wir stärkten uns, dort angelangt, durch einige
p&läser Scherbet, und traten dann zu Fusse den Rückweg wieder an. Das
[ Thal der süssen Wasser ist für Konstantinopel sehr anmulhig, da es hier
I Weiden, Eschen und anderes Laubholz giebt, aber nur an Festtagen beson-
[ ders interessant, wenn sich die Türkinnen daselbst lagern. Wir trafen es in
I sofern unglücklich, als wir ganz allein da waren. Von dem kahlen Berge
[ welcher dieses Thal an der Ostseite begränzt, hat man eine schöne Aussicht
| über Konstantinopel.
Donnerstag, den 8. Juli, besuchten wir zuerst das neu angelegte Museum.
[ Dieses „Elbesei atiqa“ ( ^ s ,v r ( d. i. „alte Trachten“) genannt, war erst
J kurz vorher, den 15. Mai d. J ., dem Publicum eröffnet worden. Es enthält
Wachsfiguren mit den gewöhnlichen und Gala-Anzügen sämmtlicher Beamten
der hohen Pforte von den höchsten Würdenträgern an bis zu den untersten
Graden, wie sie dieselben seit der Gründung des osmanischen Reichs bis zu
dem Jahre der Hedschra 1264 d. i. 1845 n. Chr. getragen haben. Einem
in türkischer, griechischer, armenischer und französischer Sprache gedruckten
Programme zufolge war es Sonnabends und Montags geöffnet für Frauen
und Mädchen der Muhammedaner, Dienstags für die der christlichen und
jüdischen Raja’s (Unterthanen der Pforte), Softntags, Mittwochs, Donnerstags