
gerweise für diese Jahreszeit einen 2 Stunden langen ziemlich starken Regen
auszuhalten h a tten , welcher mir eine gehörige Erkältung zuzog. Wir ritten
durch die Stadt, und lagerten uns an der Westseite derselben unter Maulbeerbäumen.
Der Vorsteher der evangelischen Gemeinde, ’Aüde Azäm,
mit dem ich später sehr befreundet wurde, hatte alsbald von unserer Ankunft
gehört, und eilte, uns aufzusuchen. Da wir nicht, wie wir anfangs beabsichtigt
hatten, bei ihm uns einquartierten, so nöthigte er uns, wenigstens
eine Pfeife bei ihm zu rauchen, und eine Tasse Kaffee zu trinken. Ein
junger Samaritaner stellte sich bald bei ihm ein, von dem wir erfuhren, dass
seine Glaubensgenossen schon den Donnerstag Abend auf den Berg gingen.
Zurückgekehrt in unsere Zelte, welche mittlerweile angekommen und auf-
geschlagen waren, wurden wir kurz darauf durch einen Besuch das Cahen
Amrän erfreut. Er sagte uns dasselbe, versicherte aber, dass den nächsten Tag
nur Vorbereitungen’zu dem Feste getroffen würden, dass also nichts zu sehen
sei. Wir beschlossen nun, den Donnerstag zu einem Ausflug nach Sebaste,
dem alten Samaria, fnilD», zu benutzen, wo noch bedeutende Ruinen zu
sehen sind. Gegen 9 Uhr Morgens brachen wir auf unter Begleitung eines
Officiers von den Baschbozuk’s , welchen der Gouverneur von Nablüs auf
Dr. Rosen’s Ansuchen uns mitgab, da die Bewohner von Sebaste noch fanatischer
gegen die Franken sein sollen als die von Nabläs. Sebaste ist jetzt
ein kleines, elendes Dorf, während es früher die Haupt- und Residenzstadt
des israelitischen Reichs war. An der grossen, stark befestigten Stadt,
welche Johannes Hyreanus nur durch Hunger zur Uebergabe zwingen
konnte, ist die Weissagung des Propheten Micha 1 ,6 . in Erfüllung gegangen:
„Ich will Samaria zum Steinhaufen im Felde machen, die man um die
Weinberge leget, und will ihre Steine ins Thal schleifen, und zu Grunde
einbrechen.“ Der Name des heutigen Dorfes erinnert an Herodes den
Grossen, welcher der Stadt denselben gab, als er sie vergrössern, verschönern,
neu befestigen, und einen grossen, dem Kaiser Augustus geweihten
Tempel darin erbauen liess. Es liegt auf einem ziemlich steilen Hügel, über
den ein höherer Berg emporragt, und ist ringsum von hohem Gebirgen
umgeben. Seine Entfernung von Nablüs beträgt 2 Stunden. An dem östlichen
Abhange des Hügels sind grosse Ruinen einer alten Kirche, welche Johannes
dem Täufer geweiht gewesen sein soll. An dem äussersten Rande steht
noch eine hohe Mauer mit 2 schön verzierten Bogenfenstern; diese Bogen
aber gleich den ändern, so weit sie noch im Innern der Kirche erhalten
sind, haben nicht die gothische Form, sondern sind mehr abgerundet. Die
Kirche wird jetzt als Moschee benutzt — denn die wenigen Bewohner dieses
Dorfes sind sämmtlich Muhammedaner — und das Grab Johannes des Täufers
darin gezeigt. Nachdem wir Alles gehörig besichtigt, und ich einige
alte Münzen gekauft hatte, ritten wir durch das Dorf nayh der Westseite,
wo wir etwa 1000 Schritt davon nochUeberreste von Säulenreihen erblickten,
die von Osten nach Westen bis an den westlichen Abhang des Hügels gehen,
wo wahrscheinlich ein Kastell oder Schloss gestanden. Ausser den vielen
Säulen, welche umgestürzt herumlagen, zählte ich 81 meist abgebrochene,
aber noch aufrecht stehende, die einen langen Porticus gebildet haben mögen.
— Als wir nach Nablüs zurückkehrten, fanden wir eine englische Familie,
welche'nahe dem unsrigen ihr Zelt aufgeschlagen hatte, und gegen Abend
tra f auch Mr. Finn ein, welcher aber in der Stadt logirte. Wir erfuhren
nun mit Bestimmtheit, dass Freitag ¡früh die Ceremonie der Samaritaner
beginnen sollte, und ritten also nach 8 Uhr Morgens den steilen Berg hinan,
wo wir ihre Zelte; 6 an der Zahl, schon aufgeschlagen fanden. Der Priester
emfing uns sehr freündlich, und nöthigte uns, zuvörderst in sein Zelt einzutreten,
um Kaffee und Limonade zu trinken, und eine Pfeife zu rauchen.
Dann folgten wir ihm nach der unweit davon etwa 7 Fuss tiefen und halb
so breiten, mit Steinen ausgelegten Grube, in welcher die Opferlämmer
gebraten werden sollten. E r begann ein Gebet, in welches die Ändern
sogleich mit einstimmten, und zündete dann ein dürres Reisholz an, welches
er in die Grube warf; sogleich wurden andere dürre Reiser darauf geworfen,
und die Flamme, welche fortwährend erhalten werden musste, brannte hell
empor. Nun gingen wir mit ihm nach der höher liegenden Spitze des Berges,
wo er uns die heiligen Stätten zeigte, von denen ich später berichten werde.
An dem steilen, nordöstlichen Abhang des Garizim, unter welcher in gerader
Richtung nach Norden der Jacobsbrunnen, und weiterhin im Thale das Grab
Joseph’s gezeigt werden, steht jetz t eine ¡Moschee, in welcher wir frühstückten,
und weiche, wohlschmeckende Mazzothassen. Dort, an der heiligen
Stätte, opferten einst ihre Vorfahren; je tz t haben sie ihre Opferstätte der
obigen ähnlich weiter unten eingerichtet, wo ihre Opferthiere geschlachtet
werden. Diess geschieht aber nur an dem Pesachfest, weil dieses ein Opfer
ist, an dem das ganze Volk Theil nimmt. Lange Zeit waren sie von den
Muhammedanern daran verhindert worden. Ibrahim Pascha gestattete es
ihnen auf ihr Bitten wieder, als er im Besitz des Landes war; dann aber