
meist uncultivirte Ebenen, berührten nach 2 1/» Stunde ein Dorf, dessen
Namen ich nicht erfahren konnte, und weideten uns dann an dem schönen
Anblick der durch viele Palmen und 12 Moscheen mit 13 Minarets ein echt
orientalisches Gepräge gewinnenden Eestungs- und Hauptstadt der Insel,
Nikosia oder auch Levkosia genannt. Sie ist der Sitz des Pascha’s, und
soll 19000 Einwohner enthalten. Auch hier sind die Festungswerke, wie in
Famagusta noch in gutem Stande. Wir mussten viele Gassen durchreiten,
ehe wir zu dem Kloster der terra santa gelangten, an dessen Curato ich ein
Empfehlungsschreiben von dem Consul. in Larnaka hatte. E r nahm mich
sehr freundlich auf. In der Nacht, und noch am Morgen vor Sonnenaufgang
hatten wir starkes Wetterleuchten gehabt, Wolken zogen sich zusammen,
und es fing an zu donnern. Kaum hatten wir unsere Sachen in
Sicherheit, so wurde das Gewitter stärker, es fing an zu regnen, und bald
wurde der Kegen sehr heftig. Nach 1 Stunde erheiterte sich aber wieder
der Himmel, und nach Mittag machte der Curato in Begleitung des Drago-
man’s des sardinischen Consuls in Larnaka, welcher früher Dolmetscher
von Lord Byron gewesen war, mit mir einen Spaziergang durch die Stadt.
Wir gingen zuerst zu dem ehemaligen Palast der Lusignan’s, an dem weiter
nichts zu sehen ist als der alte Eingang mit dem geflügelten Löwen über
dem Portal. Diesem gegenüber, auf der ändern Seite des freien Platzes
vor dem Palaste steht — jetzt bei einer Moschee neben muhammedanischen
Gräbern eine hohe Granitsäule, an deren halb mit Erde bedecktem Postamente
einzelne Buchstaben mit Abbreviaturen sich zeigten.41)
Die Ai Sophia „Sophienkirche,“ ayca S o q ia , zu welcher wir hernach
gingen, ist gleich der in Famagusta in gothischem Stile aufgeführt, grösser
als jen e, hat 8 dicke Säulen auf jeder Seite, ist aber nicht so schön und
nicht ganz vollendet. Sie soll aus der Zeit des Kaisers Justinian herrühreri.
Von den 4 Thürmen, welche sie hatte, sind die 2 vordem in Minarets verwandelt,
2 andere dahinter einfach bedeckt; auch in und vor ihr in der Säulenhalle
sind mehrere Steininschriften. Dicht daneben war die bischöfliche
Residenz, links, woran noch das Wappen mit der Bischofsmütze zu sehen
ist. Auf der rechten Seite, ebenfalls dicht daneben, steht die ehemalige
Nikolaikirche mit einem schönen Portal und Wappen darüber, jetzt ein
Magazin. Weiter entfernt davon war die Catharinenkirche, vor deren Thüre
ein Grab mit französischer Inschrift und der Jahrzahl MCCCLXXIH. Von
der Inschrift konnte ich aber weiter nichts lesen als die beiden Anfangsworte:
Ici git etc. Wir gingen von da nach dem armenischen Kloster, wo
wir leider niemand antrafen, und an dem Eingang der Kirche die Jahrzahl
ÍM 1 T ' d. i. 1202 der armen. Aera, also 1753 n. Chr. sahen. Es ist
hier eine einzige griechisch-katholische Familie, ausserdem wenige Maro-
niten, die meist auf den umliegenden Dörfern wohnen, und noch weniger
lateinische Christen, aber desto mehr griechische und armenische. Von da
begaben wir uns nach dem Café delle mille Colonne, welches ganz hübsch
eingerichtet war, und wo man ausser Kaffee und Nargile auch Eingemachtes
bekommt. Wir tranken ein Scherbet von Veilchen, welches wie Himbeer
schmeckte, und kehrten dann nach dem lateinischen Kloster zurück. Dieses
ist 1733 erbaut, 1783 aber erweitert worden. Es wohnen darin 1 Präses,
1 Curato, 2 Patres und 1 Laienbruder. — Dem Pascha konnte ich mein
Empfehlungsschreiben von dem Consul nicht abgeben, da er nicht zugegen
war. Dienstag, den lten November, ritten wir um 8 Uhr Morgens von
Nikosia ab. Erst bei der Abreise sagte mir der Mucker, dass wir auf dem
Wege nichts finden würden; es war aber zu spät, um noeh etwas zu bereiten.
Wir ritten fort in nordwestlicher Richtung, sahen ausserhalb der Stadt eine
gut erhaltene Wasserleitung, und kamen in der Ebene über unbedeutende,
wellenförmige Höhenzüge hinreitend nach 2 Stunden an das Dorf Dikomo,
wo wir für 4 P . = 8 Sgr. 2 Hühner kauften, die gebraten und verzehrt
wurden. Diess hielt uns lange Zeit auf, so dass wir erst gegen 1 Uhr nach
Mittag wieder fortkamen. Wir ritten nun zuerst nordöstlich, und dann
nördlich über 2 höchst beschwerliche und gefährliche Felsenkämme, wo wir
öfter abzusteigen genöthigt waren, und mehrere lange Schlangen am Wege
liegend fanden. Auf der Spitze des zweiten Felsenkammes sahen wir das
Meer wieder auf der Nordseite der Insel. Bei dem Hinabreiten wich mein
Sattel, den der Mucker nicht festgeschnallt hatte, und ich stürzte zur linken
Seite herunter mit der Brust auf einen Stein, was mir auf lange Zeit die
heftigsten Schmerzen verursachte. Das Hinabreiten war nicht minder
beschwerlich, so dass ich öfter absteigen musste. Endlich gelangten wir
nach zweistündigem Auf- und Niedersteigen zu dem fast am Fusse des Felsen
gelegenen Dorfe belli paési, mit reizender Aussicht nach dem Meere zu
über eine mit Johannisbrod- und Olivenbäumen bewachsene 1 Stunde breite
Thalebene. Am Ende des Dorfes steht auf einem Felsenabhange die prächtige
Ruine eines Klosters der (Johanniter-) Ritter mit dem am äussersten Abhange
noch vollständig schön erhaltenen Rempter, -15 Schritt breit, und 45 Schritt
P e t e r m a n n , Reise im Orient. * 2 4