
hatte ein Spalier rund herum gezogen, zwischen welchem paarweise Haufen
Gläubiger (?!) tanzend, singend, und in die Hände klatschend, Wahnsinnigen
gleich, umherzogen, unter ihnen auch zwei, welche bis auf die Hüften nackt
waren. Man wollte behaupten, dass diese Leute von dem Patriarchat bezahlt
seien. Der Gesang war derselbe, den sie in der vorhergehendenNacht gesungen
hatten. Von Andacht war natürlich dabei keine Spur zu bemerken. Mit
grösser Mühe gelangten wir an unsern P la tz , wo wir, freilich von vorn und
hinten dicht gedrängt und in Schweiss gebadet, Alles ziemlich gut übersehen
konnten.— Endlich wurden 12 Fahnen mit Heiligenbildern herumgetragen,
und hinter ihnen kamen Geistliche in vollem Ornat, reich gekleidet, 16 an
der Zahl, zuletzt ein Bischof oder Erzbischof mit dem Krummstab in der
Hand. Diese gingen dreimal um die Grabeskapelle herum, dann in dieselbe
hinein, und wenige Minuten darauf sah man an einer der-beiden Seitenöffnungen
ein Licht. Ein Geistlicher, welcher sich vor derselben aufgestellt
h atte, nahm diess schnell, und eilte damit fort. Alles drängte sich nun
hinzu, um Kerzenbündel an der Oeffnung anzuzünden, ' oder an den angezündeten
wieder andere in Brand zu stecken. Das Gedränge wurde .immer
grösser, Schläge nach allen Seiten hin wurden ausgotheiltf§|!|aber in Kurzem
war Alles erleuchtet, indem man auch an Stricken Lichter auf die Gallerieen
bis zu der ganz besetzten Gallerie innerhalb der Kuppel, die gerade über
der Grabeskapelle ist, hinaufzog. Priester stiegen durch eine Oeffnung in
der Decke der Grabeskapelle auf diese, um auch da die Lichter anzuzünden.
— Alles diess machte trotz der Tageshelle doch einen merkwürdigen
Eindruck. Wenn man hier von einem Wunder sprechen kann, so war es
diess,-dass kein Mensch durch das Gedränge oder das überall verbreitete
Feuer verunglückte. ^ Es folgte hierauf eine Proeession der griechischen
Geistlichkeit, mit welcher die Feier der Charwoche endete.
Dienstag, den 3ten Mai, machten wir, Cand. Pischou und ich, mit Dr.
Kosen einen Spazierritt nach dem 2— 3 Stunden von Jerusalem nordwestlich
gelegenen Neby Samuel, dem alten Mizpa, an welchem Orte dieser Prophet
(1. B. Sam. 7.) das Volk richtete, und wo noch dessen Grab gezeigt wird.
Wir kamen erst gegen 2 Uhr Nachmittags fort. Der Weg ging zuerst durch
ein langes schmales Thal, fast immer bei Felsengräbern vorbei, und dann
in der gewöhnlichen Weise über Berg und Thal weiter. Neby Samuel, auf
der Spitze eines Berges gelegen, welcher über die benachbarten emporragt,
wird weit und breit gesehen, und gewährt daher nach allen Seiten hin eine
herrliche Aussicht. Eine Moschee mit Minaret ist dicht vor dem-Grabe
Samuel’s erbaut, dessen Gebeine ein hölzerner Sarg umschliesst; das dazu
gehörige kleine Dorf, welches denselben Namen trägt, liegt tiefer unten
am Berge. Von der Zinne des Minarets sieht man einen grossen Streifen
des mittelländischen Meeres, so wie von Gilead, und soll bei ganz hellem
Wetter auch Jaffa sehen können. Wilde Resede wächst an dem Gemäuer.
Am Abend desselben Tages war die Jahresfeier des Diakonissen-Hauses.
Männer, Frauen und Kinder waren in grösser Zahl versammelt. Ein lieblicher
Kindergesang, von Mädchen gesungen, welche Zöglinge der Anstalt
waren, eröffnete die Feier. Dann wurde von der ganzen Versammlung das
Lied „Ich bete an die Macht“ gesungen, worauf der Bischof Gobat auftrat,
und einleitende Worte sprach, indem e r, am vorigen Jah re abwesend, auf
die Entstehung der Anstalt hinwies. Ein epidemisches Fieber, welches alle
Familien der evangelischen Gemeinde heimgesucht, hatte die erste Veranlassung
dazu gegeben. Es war Niemand da, der geistliche und leibliche
Pflege den Kranken, Schwachen und Armen ertheilte, und so kam es, dass
2-*- 3 Proselyten zu dem Judenthum zurückkehrten. Hierdurch bewogen
schrieb Bischof Gobat ¡an seinen Freund, den Pastor Fliedner zu Kaiserswerth,
und bat ihn um 2 Diakonissen. Gleichzeitig schrieb er auch an das
Comité zu London, welches die Reisekosten bewilligte; und 8 Monate später
kam P. Fliedner selbst mit 4 Schwestern am grünen Donnerstag oder Char-
freitag in Jerusalem an. Sie erhielten bald Gelegenheit, dieses Haus auf
längere Zeit zu miethen, und den 4ten Mai 1851 wurde es. bezogen und
eingeweiht. Mit den Worten „der Herr hat bis hierher sichtbar geholfen“
schloss er seinen erbaulichen Vortrag. Dann trat der Pastor Valentiner auf;
um den Jahresbericht über die Anstalt zu geben, den er damit einleitete, dass
er auf die Einweihungsrede des Bischofs hin wies, wëlcher als Text die Worte
des 127ten Psalms gebraucht hatte,: „Wo der Herr nicht das Haus bauet,
gedeihet es nicht.“ Dann schilderte er das Mutterhaus zu Kaiserswerth und
dessen Wirksamkeit, und berichtete zuletzt über, den segensreichen Fortgang
dieser Anstalt. Pred. Nicolayson gab ein Resumé des Gesagten in englischer
Sprache für die anwesenden Engländer und Engländerinnen. Zuletzt
berichtete Cand. Pischon über eine gleiche Anstalt in Konstantinopel. Ein
Gesang für die Diakonissen „Ich stimme an“ u. s. w. beschloss die einfache,
aber erhebende Feier.
Der folgende Tag wurde von Pischon und mir zu einem Spaziergang