
70 Damascus. Barada. Gärten.
Hitze besonders gross und anhaltend ist, hört auch dieser Genuss gegen
Ende des Sommers auf, indem das Eis der eindringenden Warme dann nicht
mehr widersteht und schmilzt. Die grösste Wohlthat jedoch für Damascus
ist der Fluss Barada (,e<$o von d. i. „K ä lte “, also „der kalte Fluss“),
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welcher aus dem Antilibanon entspringend hier sich in mehrere Arme theilt,
die ganze Stadt und Umgegend bewässert,' und durch unterirdische Kanäle
in die Häuser geleitet wird, so dass man in jedem derselben zwei von einander
getrennte K anäle hat, deren Einer das reine Trinkwasser liefert, während
der Andere die Unreinigkeiten wegführt.22) Am Reichlichsten ist dabei
der muhammedanische Stadttheil, der grösste, an der West- und Kordseite
gelegen, bedacht. O h n e den Bärada würde Damascus eine Wüste sein,
d u r c h diesen ist es zu einem wahren Paradies umgeschaffen, welches auch
von den Muhammedanern, deren Dichter bekanntlich in dem Lobe und
Preise dieser Stadt unerschöpflich sind, hierher verlegt wird; und sie sagen,
dass Gott den Adam aus der röthliehen Erde von Damascus gebildet habe.
Die Gärten von Damascus, welche die Stadt namentlich von derNord-
und Westseite umgeben, sind in dem ganzen Orient, wenigstens in dem türkischen
Reiche, wegen ihrer ausnehmenden Schönheit berühmt, und ich war
daher sehr begierig, sie kennen zu lernen. Bald nach unserer Uebersiedelung
in die neue Wohnung nahm ich, um die arabische Yulgärsprache besser
zu erlernen , einen jungen Dragoman a n , einen Schüler des Klosters
der Lazaristen, welchen mir dessen Vorsteher, Pater Guillot, freundlichst
besorgte. Es war ein melchitischer (griechisch-katholischer) Christ, 16 Jah r
a lt, welcher, ein gebomer Damascener, mit den Localitäten der Stadt sehr
vertraut war. Es ist äusserrt schwer, sieh in einer grossen orientalischen
Stadt zurecht zu finden, da sie selten Hauptstrassen, sondern nur kleine,
winkelige, krumme Gassen — natürlich auch ohne alle Bezeichnung —
haben; und in Damascus besonders thut ein Europäer wohl, nicht ohne Begleitung
auszugehen, um vor Neckereien und Beleidigungen, wozu die fremdartige
Bekleidung allein schon Veranlassung giebt, sich sicher zu stellen.
Am Besten thut man freilich, einen Kawass mit sich zu nehmen, welcher
mit Säbel und Stock nach Art unserer Portiers bewaffnet dem Volke Kespect
einflösst. Da sich diess aber nicht immer thun liess, so begnügte ich mich
mit meinem jungen Dragoman, und besuchte die vermeintlich schönsten Gärten
der Stadt. Ich war aber nieht wenig erstaunt, in denselben weiter nichts
als gewöhnliche Obstgärten ohne alle Symmetrie, wie man hier zu Lande
Damascus. Gärten. Reise nach Malüla. 71
in allen Dörfern sieht, mit daranstossenden Gemüse - und Getreidefeldern
zu finden. Ich war noch zu sehr Neuling in dem Orient, um die Schönheit
dieser sogenannten Gärten fassen zu können. Später, als ich längere Reisen
durch baum- und wasserlose Gegenden gemacht h a tte , lernte ich auch
diese, wenn gleich nur r o h e n Anlagen günstiger beurtheilen, und mehr
schätzen. Es ist das saftige Grün des immer frischen Grases, es ist der
kühlende Schatten der Bäume, vor Allem aber das k la re , lebendige und
erfrischende Wasser des Bärada oder seiner K an ä le , welches alle diese
Gärten befruchtet. Und, wie der Venezianer seinen Freu n d , der ein neues
Haus gemiethet h a t , zuerst fragt: batte il sole qua? so fragt der Araber,
wenn er einen Ruheplatz sucht, vor allen Dingen xjyo » J j ß moJe
hön? oder der B ag d ad « d t akü moje? d. i. „ist Wasser d a ? “ oder
auch nur: m°je 9a r$>* (welches deT Bagdader dscherib, der
Damascener aber ’artb ausspricht) d. i. „ ist Wasser in der N ä h e ? “ und
betrübt geht er weiter, wenn er die trostlose Antwort hört: ^ ¡ u i Lo ma
fisch (in Bagdad & d t Lo ma aküsch) „es ist nichts d a “ se. von Wasser.
In diesen Gärten, in welchen man nichts bekommt als Kaffee und eine
Wasserpfeife, besteht der Genuss lediglich darin, dass man auf niedrigen
Holzstühlen oder einem ausgebreiteten Teppich sich an das fliessende
Wasser setzt, raucht, ein winziges Tässchen dicken schwarzen Kaffee’s
ohne Zucker trinkt, und sich dem Nichtsthun mit Leidenschaft ergiebt.
In den ebenfalls nicht eleganten Kaffeehäusern oder vielmehr Kaffeebuden
treffen sich öfter Bekannte, welche zusammen bei Kaffee und Pfeife plaudern
oder spielen.
Sonntag den l9 te n September, am Tage vor dem Fest der Geburt
der Jungfrau Maria (nach dem alten Kalender) machten Wetzstein und
ic h , begleitet von dem Dragoman, einem Kawass, dem Koch und von zwei
reichen jüdischen Kaufleuten, welche unter Preussischem Schutze stehen,
und zu den bedeutendsten Schubasi’s*) in Damascus gehören, einen kleinen
Ausflug nach dem nördlich von Damascus gelegenen Orte Malüla, wo noch
*) Unter dem Worte Schnbasi ^ a L s j j ä versteht man Kapitalisten, welche ganzen
Gemeinden die zu zahlenden jährlichen Stenern vorschiessen, und sich nach der Ernte
die Summe mit 24 % Zinsen und einem gesattelten Pferd als Belohnung zuriickzahlen
lassen. Der bedeutende Gewinn, den sie dabei haben, ist umso gesicherter, als die
Regierung ihnen auf Verlangen auch Soldaten zu Eintreibung der Schulden zu ihrer Verfügung
stellt; auch sind sie nberdiessmit dem Steuereinnehmer immer im Einverständniss.