
dort ab denn wir, mein Wirth und ich, waren wegen des tiefen Sandes
und der Hitze geritten — und fanden den Commandanten in einer Art von
Wachstube unter seinen Kawassen. Nach den gewöhnlichen Begrüssungen,
und nachdem ich eine Nargile und Kaffee bekommen hatte, überreichte ich
ihm das Empfehlungsschreiben des Consuls, worauf er mir sogleich einen
Kawass mitgab, der mich herumführen sollte. Die Stadt mit den Festungswerken
ist von bedeutender Ausdehnung, aber, wie Alles, was in türkische
Hände gerathen ist, zerstört und wüste. In der Stadt selbst wohnen, viel,
leicht mit geringer Ausnahme, nur Türken, welche die der ZerstörunOg
trotzenden, festen Häuser inne haben — ein grösser Theil derselben ist aber
unbewohnt. Nur gegen 200 muhammedanische Familien leben in den aus
Quadersteinen aufgeführten Häusern — die türkische Besatzung zählt
210 Mann. Wir gingen zuerst zu dem ehemaligen Palast, einem grossen
Gebäude in länglichem Viereck, nur, die Ringmauern stehen noch. An dem
nördlichen Portal stehen 2 Granitsäulen eingemauert, und 2 andere .an den
beiden Seiten. Ueber dem Portal ist noch das Wappen vollständig erhalten,
mit 6 abwechselnd schwarzen und weissen Feldern. Dicht hinter dem Palast
ist die prachtvolle Aja Sophia „Sophienkirche“ ganz in gothischem Stil
erbaut mit Spitzbogen. und schönen Fensterrosen. Die Muhammedaner
machten sie zur Moschee, und setzten ein, aber auch schon halb verfallenes,
Minaret an die Südwestecke. Im Innern ist sie noch ganz erhalten; an den
Seiten haben die Moslemen alles Christliche verwischt, und sie ganz mit
Kalk übertüneht. Der breite, mittlere Raum, der zu dem Hochaltäre fü h rte ,
ist von den beiden Seitenräumen durch je 6 über 8 Ellen dicke Säulen
getrennt. Den Fussboden zieren viele Steine mit Wappen und leider unleserlichen
Inschriften, da Ritter darunter begraben liegen. — Wir gingen dann
hinter der Kirche zu dem Hafenthor hinaus, über welchem an der Aussen-
seite ein Löwe in Relief auf einem Stein ist, der mit der rechten Vordertatze
ein aufgeschlagenes Buch hält. 38) Die Stadt hat nur 2 einander gegenüberliegende
Thore, das eine, zu welchem ich hereingekommen war, führt
von der Landseite in die Stadt, das andere ist dieses, das Hafenthor. Der
breite, tiefe Festungsgraben umgiebt sie nur von 3 Seiten, da die vierte
Seite dicht am Meere liegt. Auch dieses ist eine gute Schutzwehr, indem
der kleine Hafen, jetzt wenigstens, für grössere Schiffe ganz unzugänglich ist.
Von da gingen wir über eine wüste Stelle, die dicht mit langen, dicken,
spitzen, rothblätterigen Aloe’s bewachsen war, auf die Festungsmauern, von
denen man einen herrlichen Anblick über das Meer und die schöne, echt
orientalische Stadt h a t, welche zahlreiche Kirchen und Kapellen zeigt, aus
deren Ruinen eine Menge Palmen emporstreben. Dicht neben der Kathedrale
ist eine andere fast eben so grosse, schöne Kirche, und an den Festungswerken
entlang sieht man fast alle 50 Schritte eine andere zerstörte Kirche
oder Kapelle, in denen zum Theil noch die Frescomalereien erhalten sind.
Mein Führer versicherte mir, dass die Stadt früher 366 Kirchen — eine
runde Zahl — enthalten habe. Die schönen, ganz gut erhaltenen Festungswerke
sind dicht mit Kanonen besetzt, die meist einen geflügelten Löwen
mit aufgeschlagenem Buche als Wappen haben, und daneben lateinische
Buchstaben, wie B. R. V. F., die eine hat einen Kranz, darinnen OBSIDIO-
NALIS CORONA steht. Eine von Marasch herkommende, jetzt unbrauchbare
Wasserleitung führt bis an die Zugbrücke. I Mit Mühe nur trennte ich
mich von dem herrlichen Anblick, der freilich auch das Gemüth mit Weh-
muth über die Zerstörungswuth der fanatischen Türken erfüllte, und kehrte
nach.Marasch zurück. Mein Wirth hatte neben dem Hause einen grossen
Garten, dicht mit Maulbeer-, Citronen-, Apfelsinen- und Granatbäumen
bewachsen, zwischen welche Gräben zur Bewässerung gezogen sind. Aus
einem tiefen, ausgemauerten Brunnen wird durch ein Sehöpfrad, von einem
Maulthier in Bewegung gesetzt, Wasser in diese Gräben geleitet. Diese
Gärten könnten sehr angenehm sein, wenn man nur einigermassen hier für
Annehmlichkeit sorgen wollte; allein die Bäume stehen so dicht neben einander,
dass man sich nur mühsam dazwischen durchdrängen kann. Sie sind
ganz in der Weise der Gärten von Jaffa angelegt. — Mein Wirth war
nebenbei auch Töpfer, wenigstens hatte er einen Ofen, um Thongeschirr
darin zu brennen. Dieser Ofen war in der Form eines Bienenstockes halbrund
von Lehm erbaut, hatte unten eine Höhlung, in welcher das Feuer
angemacht wurde, in der Mitte eine thönerne Decke, die aber nicht ganz
bis an das hintere Ende reichte — auf diese wurden die zu brennenden
Gefässe gelegt —; und neben der Oeffnung, durch welche man die Gefässe
hineinbrachte, einen Sitz. — Die Häuser von Marasch waren sämmtlich von
breiten, dünnen, und, wie es schien, an der Sonne getrockneten Lehmziegeln
erbaut; die Kirche ist dem heil. Nikolaos geweiht. DieUmgegend ist
sehr sandig, nur Heidekraut und SjLi , Basal fära „Mäusezwiebeln“
wachsen hier; die letztem hatte ich zuerst südlich von Damascus nahe dem
Antilibanon gesehen.