
*" Berse. Märaba. Sidnaya.
heute das Syrische neben dem Arabischen die Volkssprache ist. Da wir
an einigen Stellen au f Wegelagerer zu stossen hofften, so hatten wir uns
gehörig mit Flinten, Pistolen und Säbeln bewaffnet, aber auch den Proviant
mit T e llern, Messern, Gabeln und Löffeln nebst Küchengeschirr, und die
Matratzen mit Kopfkissen nicht vergessen. Schon vor Sonnenaufgang
befand sich die vollkommen gerüstete Karavane aus 9 Reitern bestehend
auf dem Marsch. Nur ich war ohne Waffen, da die meinigen aus der mir
über Triest nachgesendeten Kiste durch die österreichischen Zollbeamten
herausgenommen waren, und ich die Rückgabe erst von den Reclamationen
des Generalconsulats in Triest erwartete. Durch das erste Dorf Berse, wo
der Sage nach Abraham (vgl. 1. Buch Mose c. 14.) die vier Könige schlug,
und Loth befreite, führte uns der Weg in nördlicher Richtung nach den
östlichen Ausläufern des Antilibanon. Wir ritten durch eine Bergschlucht,
die von einem reissenden Bache durchströmt wird, eine halbe Stunde fast
fortwährend im Wasser, und gelangten darauf an das Dorf Märaba, welches
an einen Bergrücken gebaut ist. Leider hatte ich, in Folge einer heftigen
Erkältung unwohl, und von den heftigsten Kopfschmerzen geplagt, keinen
rechten Genuss von der Reise, und war mit der kurzen Ruhe, die wir uns
hier gönnten, sehr zufrieden. Wir ritten nun den Abhang eines Berges
entlang über das Dorf Tel oder Telam, von da an bald im Thale über
loses Gestein, bald auf der Höhe, und gelangten nach dem auf einem Berge
liegenden Dorfe Menin, von wo Damascus im Sommer mit Eis versorOgt
wird. Gegenüber zeigt sich ein wunderlich gestalteter kahler Felsen mit mehreren
Höhlen, aus welchen unten eine reiche Quelle des schönsten Wassers
sprudelt Daneben ist eine kleine Moschee g eb au t, und ihr zur Seite das
Grab eines muhammedanischen Weliy oder Heiligen. Wir setzten nun
unsem Weg durch eine Felsschlucht über kahle glatte Felsstücke fort, so
dass man stets in Gefahr war, zu stürzen, und kamen dann in eine Hochebene
, welche die Aussicht auf eine grosse, kahle, baumlose Fläche eröff-
n e te, die links abermals von kahlen Felsen beschränkt war. Wären die
Wege in dem Orient, wie in Europa, so hätten wir dort rasch reiten könnenj
allein hier hiess es nur die Richtung im Auge behalten, um sich den
besten P fad , der immer noch schlechter ist, als der schlechteste bei uns,
auszuwählen. Gegen Mittag endlich kamen wir in Sidnaya oder Sednaya
a n , und kehrten bei dem Scheich des Dorfes ein, der sich dadurch sehr
geschmeichelt fühlte. Wegen des folgenden Festtages war die ganze Be-
Sidnaya. - • 0
völkerung in Alarm, und die Freudenschüsse hörten nicht auf. Bald fand
sich ein griechisch-katholischer Geistlicher des Orts, sowie ein niehtunirter
0griechischer ein, um den Consul zu begrüssen, da überhaupt die europäischen
Consuln in dem Orient fast wie fürstliche Personen honorirt werden. Der
nichtunirte griechische Archimandrit des Klosters, den wir um dieErlaubniss,
i h n z u besuchen, bitten liessen, liess uns sagen, dass wir ihm sehr willkommen
sein würden, nur fürchte e r, dass wir, da das Kloster von theil-
weise berauschten Besuchern voll sei,' wegen der uns begleitenden Juden
Unannehmlichkeiten haben könnten. Wir gingen daher ohne Letztere hin,
tranken bei dem Archimandrit Limonade und Kaffee, und besichtigten dann
das Kloster, ein ziemlich weitläufiges auf einem besondem Hügel neben
dem Dorfe liegendes Gebäude. Auf dem Dache, wo wir umher gingen,
fanden wir ein grosses Volksgedränge, Männer und Frau en , Knaben
und Mädchen, von denen die Erstem von den Zinnen herab ihren Ju b e l
durch Freudenschüsse zu erkennen gaben. In der gedrängt vollen Kirche
zeigte sich der Fanatismus besonders gegen den Kawass, einen Muhammedaner,
und gegen den Dragoman, einen Ju d en , welche mit Gewalt aus
der Kirche geschoben wurden, während wir frei passiren konnten. Von
da stiegen wir wieder hinab, und fanden eine zweite, aber kleinere Kirche^
und endlich war noch auf einem besondem Vorsprung des Berges ein bohes
viereckiges Gebäude aus Quadersteinen, dessen unterer Raum eine Kapelle
bildete. Eine dunkle, schmale Wendeltreppe führte auf das Dach, von
welchem man, wie von dem Dache des Klosters, zu dem es gehört, eine
weite Aussicht über die Ebene hat. Es scheint diess eine Art von W a rtthurm
gewesen zu sein, und mag vielleicht aus den Zeiten der Kreuzzüge
herrühren, da man später wohl in diesen Gegenden nicht mehr so solid
gebaut hat. Nachdem wir auf der Rückkehr aus dem Kloster noch eine
kurze Zeit bei dem griechisch-katholischen Geistlichen verweilt hatten, der
uns auch seiner Frau vorstellte — die Päpste haben nämlich allen orientalischen
Christen, wenn sie zu dem Katholicismus übertraten, die Priesterehe
(natürlich nur den Weltgeistlichen) mit der Beibehaltung ihres ursprünglichen
Ritus gestattet — kehrten wir in unser Quartier zu rü ck , und
empfingen bald darauf den Besuch des Archimandriten, welcher auf die
Frage, ob in seinem Kloster noch alte Handschriften seien, eine durchaus
verneinende Antwort g a b , obgleich mit Gewissheit anzunehmen i s t , dass
sich solche daselbst noch vorfinden, und dass nur die F u rch t, sie zu v er