
Israeliten, welcher als Briefträger und Translator der hebräischen Schreiben
bei dem östreichischen Consulat angestellt war. Dieser machte mich,
da er sah, dass ich Interesse an ihnen nahm, mit Ändern seiner Glaubensgenossen
bekannt, und an dem grossen Sabbath, das heisst, dem Sonnabend
vor dem Pesachfest, den 16ten April, erhielt ich eine förmliche Einladung,
dem Gottesdienst der deutschen Gemeinde beizuwohnen. Sie hatten sich erst
das J a h r vorher (1852) mit Bewilligung der spanischen Juden, und namentlich
des Chacham Baschi, des eigentlichen Oberhauptes sämmtlicher Juden
des türkischen Reiches, und des von der Regierung anerkannten Ober-
Landes-Rabbiners, getrennt, und eine eigne Synagoge, das heisst, einen
sehr kleinen Betsaal, für sich eingerichtet, theilen aber mit ihnen alle für
sie in Deutschland gesammelten Gelder. Ich wurde durch eine Deputation
abgeholt; Dr. Rosen, welcher ebenfalls dazu eingeladen war, konnte leider,
anderweitig abgehalten, nicht zugegen sein. Als ich gegen 8 Uhr Morgens
eintrat, hatte man schon, wie man mir versicherte, mehrere Stunden gebetet.
Das kleine Zimmer war gedrängt voll; aber es waren auch viele kremde
dabei, da die deutsche Gemeinde nur aus 12 durchgängig armen I amilienmit
etwa 60 Seelen bestand, und für das weibliche Geschlecht war kein besonderer
Raum vorhanden. Ich wurde festlich empfangen, und erhielt meinen
Sitz dicht neben dem Vorhang, hinter welchem die Thorah (die Gesetzesfolie)
aufbewahrt wird , angewiesen. Der Gottesdienst dauerte in der üblichen
Weise noch etwa 1f/|' Stunde fort. Man hatte seit Kurzem erst einen
Vorsänger engagirt, einen ausgezeichneten Tenoristen, welcher, nachdem
die für diesen Tag bestimmten Gebete und Vorlesungen aus dem Pentateuch
und den Propheten gelesen, gesprochen oder abgesungen waren, mit seiner
schönen, sonoren Stimme ein Gebet zum Wohle unsers Königs, seiner
Gemahlin und des ganzen königlichen Hauses, wie für die Blüthe seines
Reiches absang. Eine feierliche Stille herrschte während dieses Gesanges
in der ganzen Versammlung, und am Schlüsse desselben erscholl ein begeistertes
Amen! von Seiten der ganzen Gemeinde, welche meist aus Preussi-
schen Unterthanen bestand.*) Am Ende des Gottesdienstes wurde auch für
den Consul Dr. Rosen und für mich gebetet; Alles natürlich in hebräischer
Sprache. Nach beendigtem Gottesdienst kam der Vorsteher der Gemeinde,
*) Auch bei der Einweihungsfeierlichkeit der Synagoge, im J. 1852, hatten die deutschen
Juden, wie sie mir versicherten, ein Gebet zum Wohl des Königs von Preussen
an demselben Tage in geöffneter Synagoge gesprochen.
ein Amsterdamer Jude, welcher mir als Einer der ausgezeichnetsten Männer
geschildert wurde, zu mir, um mich noch besonders zu begrüssen. Wir
besuchten sodann den Altesten der Gemeinde, welcher mich mit eingemachten
und verzuckerten Paradiesäpfeln und achtjährigem selbst bereitetem Jerusalemer
Wein tractirte. Dann gingen wir zu dem Chacham Baschi, einem
alten, schon gebrechlichen Greise, bei dem ich erfuhr, dass an diesem Tage,
Nachmittag, in der grossen Synagoge eine spanische Predigt gehalten werde.
Diess geschieht jährlich nur 4 mal, und zwar an den Sonnabenden, welche
den 4 grossen Festen, dem Pesach, dem Schebuoth (Wochenfest), dem
Succoth (Lauberhüttenfest) und dem Rösch haschschana (Neujahrsfest) vorangehen.
Dieser Ober-Landes-Rabbiner, ausser welchem es nur- noch Einen
in Konstantinopel giebt, besorgt alle Ausgaben für die Juden. Die spanischen
Juden, ausgezeichnet durch ihre eigenthümliche Kopfbedeckung, bestehend
in einem Barett, ähnlich dem der orientalischen Geistlichen, über welches
ein breites, graues (schwarz und weiss melirtes) Tuch dick und sehr regelmässig
gewunden wird, haben als Raja’s (d. h. türkische Unterthanen) den
Charadsch oder dieKopfsteuer zu zahlen, und zwar 13 Piaster (etwa 23Sgr.)
jährlich für jeden Mann oder Jüngling von seiner Mannbarkeit an; die polnischen,
russischen und deutschen aber, als unter dem Schutz einer europäischen
Macht stehend, haben gar keine Abgaben. F ü r diese Steuer, wie
für die Armen, Kranken u. s. w. soll der Chacham Baschi durchschnittlich
täglich eine Ausgabe von 1000 Piastern (etwa 60 Thlr.) haben. Seine Einnahmen
fliessen aus den jährlichen Beiträgen, welche die europäischen Juden
der verschiedenen Länder ihm zukommen lassen, und Deutschland allein
soll jährlich dazu an 90000 Piaster (etwa 4500 Thlr.) liefern. Da die Beisteuer
jedoch nicht hinreicht, so hat die Judengenossenschaft von Jerusalem
eine bedeutende Schuldenlast auf sich geladen, welche damals schon über
100,000 Thlr. betrug.
Die deutschen Juden hatten einige Zeit vorher Einen ihrer Glaubensgenossen,
Namens Lazarus Bergmann, zum Einsammeln von Almosen nach
Deutschland geschickt, dieser aber war, von vielen Seiten angefeindet, in
dem Jahre vorher (1852), wie man sagte, aus Kummer über Mie Intriguen
und Verleumdungen in Berlin gestorben. Eben so schicken die jerusalemi-
schen Juden aber auch nach allen Orten des Orients, wenigstens im türkischen
Reiche, wo sich Glaubensgenossen von ihnen finden, Abgesandte
umher, um diese zu brandschatzen. Ich nenne es so, weil diese Deputirten