
Die ausgeschleuderten Trichocysten stellen am Vorder- und Hinterende abgerundete,
von einer dünnen Kontur umgebene Stäbchen dar, die fast nie gerade, sondern stets mehr
oder weniger stark gekrümmt sind. Vorder- und Hinterende sind gleichartig ausgehildet
und nicht voneinander zu unterscheiden. Die Länge der ausgeschleuderten Stadien
beträgt 18—21 {*.
Die feinere Struktur ist sehr eigenartig und abweichend von den Trichocysten der
holotrichen Ciliaten. Wie Abbildung 60 a zeigt, kann man an den Trichocysten ein von den
parallelen Außenwänden begrenztes Hauptstück und die beiden halbkreisförmigen Endstücke
unterscheiden. Haupt- und Endstücke sind voneinander durch eine Quermembran
getrennt. Von der Quermembran aus rag t in die beiden Endstücke hinein eine kurze,
schmale Spitze. Regelmäßig an gefärbten, seltener an ungefärbten Trichocysten beobachtete
ich einen Faden, der durch die Mitte des Hauptstückes verläuft und die beiden Spitzen
in den Endstücken miteinander verbindet (Abb. 60 b).
Die Endstücke der Meiopws-Trichocyste, bei denen wir über einer Spitze eine halbkreisförmige
Membran liegen sehen, erinnern an das Vorderende pathologischer Explosionsstadien
der Paramecium-Trichocyste, wie ich sie früher beschrieb (Abb. 48 b). Bei
einem Vergleich würde die halbkreisförmige Endmembran der „Kappe“ der Paramecium-
Trichocyste entsprechen, die in beiden Fällen die „Spitze“ überdeckt.
Größte Schwierigkeiten bereitete die Untersuchung der ruhenden Trichocyste, da im
lebenden Tier die zahlreichen Inhaltskörper des Plasma eine genauere Untersuchung unmöglich
machte und bei dem Versuch, die Tiere stärker zu quetschen, alle Trichocysten
explodierten. Nach vielen vergeblichen Versuchen glückte es mir schließlich, mit Hilfe von
konzentrierter Lithiumchloridlösung die Explosion der ruhenden Trichocysten wenigstens
in den stark gequetschten Tieren zu verhindern. Eine vollkommene Isolierung war aber
auch auf diesem Wege nicht zu erreichen, denn nach Berührung mit dem umgebenden
Medium explodierten die Trichocysten sofort. In den gepreßten Tieren sah ich die ruhenden
Stadien als kurze leuchtende Stäbchen von 3 Länge, die bald, nachdem sie in den
Strahlenkegel des Dunkelfeldkondensors gekommen waren, explodierten.
In der Lithiumchloridlösung fanden sich auch zahlreiche, unvollständig explodierte
Trichocysten. Gelegentlich beobachtete ich auch solche in der Nähe eines im Wasser zerdrückten
Tieres. Die jüngsten Explosionsstadien stellten sich als in die Länge gestreckte
Stäbchen dar, die im Gegensatz zu den in ihrer ganzen Breite aufleuchtenden Ruhestadien
im Innern einen dunklen Gang auf wiesen. Je weiter die Explosion fortschreitet, um so mehr
wird die zunächst noch dicke Wandung aufgelöst und die Trichocyste dafür breiter und
länger. Irgendwelche Andeutungen dafür, daß die Trichocystensubstanz aus einer bestehen
bleibenden Kapsel hervortritt, konnte ich in keinem Falle finden. Die Explosion der vorliegenden
Trichocysten beruht also offensichtlich auf einem einfachen Längsstreckungsprozeß.
3. Ordnung: Oligotricha.
Die oligotrichen Ciliaten sind neben den Holotrichen die einzige Ordnung, bei der tri-
chocystenflihrende Arten in größerer Zahl Vorkommen, und zwar in der Gattung Strom-
bidium.
Die Trichocysten der Strombidien sind schon verschiedentlich beschrieben worden. Alle
Untersucher kommen zu dem Ergebnis, daß ihre Trichocysten als Nesselkapseln anzusehen
sind. Dieser Ansicht muß ich auf Grund meiner Befunde unbedingt widersprechen.
Zuerst hat E ntz Sen. geglaubt, für die von ihm untersuchte Art Str. sulcatum die
Nesselkapselnatur der Trichocysten nach weisen zu können. Ich möchte hier aber nur darauf
hin weisen, daß nach seinen eigenen Abbildungen diese Vermutung unwahrscheinlich ist,
denn während er die ruhenden Trichocysten seines Ciliaten stäbchenförmig zeichnet, besitzen
die ausgeschleuderten Stadien runde Kapseln, aus denen der ausgeschleuderte Faden
herausragt. Eine derartige Umwandlung der Gestalt einer Nesselkapsel bei der Explosion
ist bisher noch nicht bekannt geworden und erscheint auch kaum glaublich.
Anigstein, der die Trichocysten von Str. testaceum beschreibt, findet auch einen derartigen
Gestaltwechsel der von ihm vermuteten Trichocystenkapsel nicht. E r beobachtet,
daß aus den stäbchenförmigen Ruhestadien ein außerordentlich feiner Faden bei der Explosion
hervorschießt und glaubt daher, diesen als austretenden Nesselfaden deuten zu können.
Ich selbst habe die Bilder, die Anigstein beschreibt, verschiedentlich wiederfinden
können, muß ihnen aber auf Grund der Dunkelfelduntersuchung eine andere Deutung
gehen. Alle neueren Autoren, die SiromZndmm-Trichocysten untersucht haben, schlossen
sich der Ansicht von Anigstein an.
Da ich in bezug auf die Auffassung über den Bau der Strombidium-Trichocysten zu
ganz andersartigen Ergebnissen komme, war es wichtig, daß ich mehrere Arten der Gattung
untersuchen konnte. Die vollkommene Gleichförmigkeit der Struktur in allen Fällen
zeigte, daß die beschriebenen Bilder keinen Sonderfall darstellen, sondern allgemeingültig
für die ganze Gattung sind. Von Bedeutung ist es ferner, daß es mir bei Strombidium sulcatum
möglich war, die gleiche Art zu untersuchen, die früher E ntz SEN. beschrieben hat und
die ihn zu seiner Auffassung von der Nesselkapselnatur der Str ombidium-Tr ichocyste führte.
Die Strombidium-Trichocysten stellen wegen ihrer Kleinheit und schweren Sichtbarkeit
hohe Anforderungen an den Untersucher. Es ist wohl unnötig zu betonen, daß von den
beschriebenen Strukturen im Hellfeld nichts zu sehen ist. Im Hellfeld war von den wirklich
vollkommen explodierten Stadien nicht die geringste Spur nachzuweisen. Sichtbar
sind im Hellfeld nur die ruhenden Trichocysten und unvollständig explodierte Stadien. Es
können also den bisherigen Untersuchern nur solche abnormen B ilder Vorgelegen haben.
Familie: Halteriidae.
Gattung: Strombidium.
Strombidium sulcatum Clap . u. L.
Das große Seewasseraquarium des Zoologischen Institutes beherbergte längere Zeit
eine Strombidium-Art, die ganz unzweifelhaft identisch w ar mit der von E ntz sen. beschriebenen
Form von Str. sulcatum, die charakterisiert ist durch die enggedrängte Lage der
Trichocysten im hinteren Körperabschnitt.
Die ruhenden Trichocysten kann man gelegentlich schon durch Zerquetschen der Tiere
erhalten, besser aber noch durch Magnesiumsulfatlösung. Sie stellen Stäbchen von etwa
12 Länge dar, deren Vorderende in einen Fortsatz ausläuft. Der hintere, breitere Teil zeigt
in seinem Innern einen dunklen Gang (Abb. 61a). Das Vorderende der ruhenden Trichocysten
ist im lebenden Tiere oralwärts gerichtet, so daß also die abgerundeten Hinterenden
am hinteren Körperpol zusammenstoßen.