
8. H ä u t u n g .
Bei 50 '% ZT ist die Verzögerung gegenüber 100% ZT = 32,7%
„ 25 '% „ „ „ „ „ 100% „ = 37,2%
„ 12,5% „ „ „ „ „ 100% „ S 40,8%'
„ 0 %' „ „ „ „ „ 100% „ = 26,6%
Bei einer weiteren Verschlechterung der Nahrung (bei 25% und 12,5%) nimmt die
Verlangsamung der Entwicklung mit steigender Verschlechterung der Nahrung zu. Immerhin
ist die Verlangsamung der Entwicklung von 50%' auf 25% ZT bzw. 12,5% ZT bedeutend
geringer als der Sprung von 100% auf 50%ZT. Auffallen muß, daß die Entwicklung
bei 0% ZT im Vergleich zu 12,5% ZT, ja teilweise sogar zu 50% ZT, eine Beschleunigung
zeigt, obwohl die Ernährungsbedingungen in diesem Versuch die schlechtesten
waren. Ohne für diesen Ausnahmefall eine Erklärung künstlich konstruieren zu
wollen, darf man vielleicht doch daran denken, daß unter diesen außergewöhnlich ungünstigen
Ernährungsbedingungen in stärkerem Maße eigene Körperreserven mobilisiert
werden, die zunächst zwar eine schnellere Entwicklung ermöglichen als bei solchen Tieren,
die unter einem Teilmangel leiden. Aber im Gegensatz zu diesen Tieren, die, obwohl sie
sich nicht oder nur zum gewissen Teil wenigstens voll entwickeln können, recht langlebig
sind, werden die Kräfte der 0%-Tiere bedeutend früher erschöpft.
Verfasser möchte hier ausdrücklich darauf hin weisen, daß es sich beider Verschlechterung
der Nahrung bzw. bei den Qualitätsunterschieden nicht um mehr oder minder
grobe Unterschiede der sog. „Hauptnahrung“, des Keratins, handelt, — in allen Versuchen
wurde stets dasselbe Keratin, d. h. der gleiche Wollstoff, sogar von demselben
Stoffabschnitt, in gleichen, ausreichenden Mengen den Versuchstieren geboten. Es handelt
sich vielmehr um quantitative Unterschiede der sog. Zusatzstoffe, die diese riesigen
Unterschiede in der Entwicklung her vor rufen.
Welcher Art diese Zusatzstoffe sind, ist nicht restlos geklärt und bedarf noch weiterer
gründlicher Untersuchung. Verfasser möchte trotzdem seiner Auffassung hier Ausdruck
geben, daß es sich höchstwahrscheinlich um die Wirkung von Vitaminen handelt.
F ü r die Auffassung der Vitaminnatur der „Zusatzstoffe“ sei hier besonders angeführt:
Alle dem Verfasser bekannten wirksamen Zusatzstoffe enthalten reichlich Vitamine. Einige
von ihnen sind besonders vitaminhaltig fef- Tierkot, Urin, Schweiß, Mehl, Insektenkadaver,
Hefe usw.
In Versuchen, die die Vitaminnatur der „Zusatzstoffe“ klären sollten, wurde festgestellt,
daß Zusätze von Vitamin A (in Form von Vogan), Vitamin D (als Vigantol) und
Vitamin C (Zitronenpreßsaft) keine wachstumsfördernden Eigenschaften bei A. fasciatus
und Tineola biselliella zeigen. Die Tiere verhalten sich in den Versuchen mit Vitamin A,
C und D wie in den Kontrollversuchen, wo zum Keratin keinerlei Zusätze gemacht wurden.
Die Tiere, die als Eilarven in den Versuch eingebracht wurden, wuchsen fast garnicht
und starben alle ausnahmslos in kleinem verkümmertem Zustand, ohne daß auch nur ein
einziges Tier zur Verpuppung gelangte. Daß Vitamin C als wirksamer Faktor nicht in
Frage kommt, geht außerdem schon daraus hervor, daß dieses Vitamin an der Luft sehr
bald seine Wirksamkeit verliert, also nicht haltbar ist, während unser wirksamer ZT-
Faktor, einmal auf die Wolle gebracht, in trockenem Zustand seine Wirkung sehr lange
behält, auch wenn er an der Luft lagert.
Auffallend ist, daß alle die Zusatzstoffe, die reich an Vitamin B sind, eine Normalentwicklung
von A. fasciatus ermöglichen. Verfasser glaubt nun nach seinen Versuchen,
daß in den wirksamen „Zusatzstoffen“ Vitamin B der ausschlaggebende Faktor ist, d. h.
eine der Komponenten des reichhaltigen B-Komplexes. . . .
Welche Komponente des B-Komplexes als wirksamer Faktor in Frage kommt, ist
allerdings noch nicht restlos geklärt. Die Lösung dieser Frage ist deswegen besonders
schwierig weil selbst unter den Vitaminforschern über die einzelnen Faktoren noch bei
weitem keine Einigung herrscht, was schon aus der Verschiedenheit der Benennung hervorgeht.
Dabei ist es gut möglich, daß in Zukunft eine Reihe verschieden benannter Faktoren
sich als identisch herausstellen wird.
Unsere Versuche machen es nun höchstwahrscheinlich, daß der antidermatitisehe oder
Pellagra-Faktor B 2 als wirksamer Faktor nicht in Frage kommt. Eiereiweiß gehört zu
den ganz wenigen Nahrungsmitteln, die zwar den antidermatitisohen Faktor B 2 enthalten,
während der antineuritische Faktor B l fehlt (Weise, W., 1933). Behandelt man
Wolle reichlich mit Eiereiweiß, so verläuft, wie unsere Versuche zeigen, die Entwicklung
der Eilarven von A. fasciatus stark gestört und verzögert. Die Larven verhalten sich auf
derartig behandeltem Wollstoff genau wie in denVersuchen ohne oder mit ungenügendem
Zusatzstoff ZT, d. h. mit Ausnahme einer Larve, die mit sehr starker Entwicklungsverzögerung
sich normal zum Käfer entwickelt, gehen alle anderen (19) Tiere lange vor der
Verpuppung zugrunde. Die Larven wachsen im Eiweißversuch sehr schlecht. Sie bleiben
klein und kümmerlich, genau, wie wir es schon in den oben geschilderten Versuchen (50%',
25%|,12,5|4| 0% ZT) kennen gelernt haben.
Schwieriger fct die Frage zu entscheiden, inwieweit der antineuritische Faktor B l
als wirksamer ZT-Faktor in Frage kommt. Verfasser konnte in zahlreichen Fällen mit
der für A. fasciatus und Tineola biselliella wirksamen Mistlösung (nach T its c h a c k ) die
Erscheinungen schwerer Taubenberiberi schnell und dauernd zum Verschwinden bringen.
Auch verhütet ein Zusatz der Mistlösung zum polierten Reis das Auftreten der Beriberi-
Erscheinungen bei der Taube. Doch ist es wahrscheinlich, daß der B l-Fak to r nur ein
Begleiter des wirksamen ZT-Faktors ist. Der ZT-Faktor ist nach unseren Versuchen recht
thermostabil, was der Faktor B 1 nicht ist. Es waren zur exakten Klärung weitere Versuche
geplant, um durch starkes, langandauerndes Erhitzen 9 mehrstündiges Autoklavieren
bei 120° B - den antineuritischen Faktor in der wirksamen Lösung zu zerstören,
deren Wirksamkeit dann im physiologischen Versuch an Taube und A. fasciatus festgestellt
werden sollte. Leider haben die Auswirkungen des neuen Tiersehutzgesetzes diese Versuche
verhindert. Verfasser muß deshalb bedauerlicherweise die Klärung dieser Fragen
einem günstiger gestellten Kollegen überlassen.
Man kennt in dem Vitamin-B-Komplex nun auch einen typisch wachstumsfördernden
Faktor, der als B 3-Komponente von einigen Autoren benannt wird, mit der möglicherweise
der HG-Faktor nach K ollath identisch ist. Dieser „Wachstums- oder Erhaltungsstoff
— Faktor B 3 verhindert beim höheren Tier nicht das Auftreten neuritischer
Krampferscheinungen, fördert aber in starkem Maße das Wachstum. Charakteristisch für
diesen Wachstumsfaktor ist seine hohe Thermostabilität. E r ist unter anderem enthalten
in frischer und autoklavierter Hefe. Da nach unseren Versuchen mit Hefeextrakten diese
sich als überaus wirksam für das Wachstum und die Normalentwicklung von A. fasciatus
und Tineola biselliella erwies, ist es recht wahrscheinlich, daß der wachstumsfördernde
Faktor der Hefe — der Wachstumsfaktor des Vitamin B-Komplexes mit unserem
ZT-Faktor identisch ist. Mit anderen Worten: Der wachstumsfördernde Faktor des
Vitamin B-Komplexes ist für die Normalentwicklung von A. fasciatus und Tineola bisel