Diese Regeneration setzt im allgemeinen zwischen dem 4. und 6. Tag nach der Operation
ein. Die Hypodermiszellen scheiden schon bei ihrem Vorwuchern eine feine Chitincuticula
nach außen hin ah. Dadurch kommt es zum definitiven oder tertiären Wundverschluß.
Die basalen Teile der Hypodermis bilden bald d arauf eine Basalmembran, welche die Fo rtsetzung
der Basalmembran der unverletzten Teile darstellt. Acht bis zehn Tage nach der
Operation setzt dann eine Periode lebhafter Vermehrung der Hypodermiszellen ein, während
der Wundverschluß ohne jede Mitose vor sich geht. Zugleich werden die Zellen hochzylindrisch
und heben sich dadurch deutlich von den Zellen der unversehrten Hypodermis
ah. Dies ist auch noch bei älteren Stadien der Fall, z. B. bei dem in Abbildung 149 dargestellten
Stadium. Es handelt sich um ein Tier, das 14 Tage nach der Operation fixiert
wurde. Im dorsalen Teil des regenerierten Epithels erkennt man deutlich, daß sich hier eine
Anzahl von Ommatidien differenziert, deren Sinneszellen sich in die R etinafasern fortsetzen,
während .im ventralen Teil eine solche Differenzierung unterbleibt. Aus dem dorsalen Teil
ging hei ändern Individuen der Versuchsserie ein neues
Fazettenauge hervor, welches zwar viel kleiner als ein
normales Auge war, in Form und Bau aber durchaus
einem solchen glich. Abbildung 150 zeigt den Kopf einer
Imago, deren rechtes Fazettenauge auf dem 3. Larvenstadium
entfernt wurde. Die Umrißlinie des Kopfes in
der Nähe des Auges zeigt noch deutlich, welche Teile entfernt
wurden. In der äußeren Form wurde das stehengebliebene
linke Auge weitgehend nachgeahmt. Die histologische
Untersuchung ergab einen ganz normalen
Bau. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man leicht
zu der Ansicht kommen, daß dieses neugehildete Auge
ein echtes Regenerat darstellt. In W irklichkeit aber liegt
etwas anderes vor. Auffallend ist zunächst, daß nur ein verhältnismäßig geringer Teil der
operierten Larven eine Neubildung von Augen zeigt, während es bei den übrigen Tieren
nur zur Bildung eines hohen Narbenepithels an der Stelle des entfernten Fazettenauges
kommt. Dies ist vor allem stets dann der Fall, wenn es sich um Tiere des der Imago vorausgehenden
Larvenstadiums handelt. Aber auch bei jüngeren Larven unterblieb die Augenneubildung
sehr häufig. Eine genauere Untersuchung dieser Tatsache ergab, daß die Augenneubildung
stets dann unterbleibt, wenn außer dem Fazettenauge noch größere Teile der
Umgebung des Auges entfernt wurden. Man muß daraus folgern, daß nur jene Teile der
Umgebung des larvalen Fazettenauges, die sich im Laufe der weiteren Entwicklung an sich
schon zu Teilen des imaginalen Fazettenauges differenziert hätten, zu einer Augenneubildung
verwendet werden, während die weiter entfernt liegenden Teile zu einer solchen Differenzierung
nicht fähig sind. Bei diesen Augenneubildungen handelt es sich also nicht um
echte Regeneration, sondern um Mo r p h a l l a x i s . Charakteristisch für diesen Vorgang
ist, daß dabei die äußere Form des Auges weitgehend wiederhergestellt wird durch Umgestaltung
von bereits vorhandenem Material.
Die Differenzierung erfolgt hei der Morphallaxis in ganz ähnlicher Weise wie bei der
normalen Entwicklung. Eine Beschreibung dieser Vorgänge erübrigt sich daher. Dagegen
sei auf einige Abweichungen vom normalen Geschehen eingegangen, welchen man hei der
Morphallaxis recht oft begegnet. Abbildung 151 zeigt einen kleinen Teil eines nach vollkommener
Entfernung des Fazettenauges auf dem 3. Larvenstadium neugebildeten Auges.
Die Mehrzahl der Zellen wurde dabei zu Pigmentzellen (Pz) differenziert. Ein kleiner Teil
zeigt die Beschaffenheit von Kristallkegelzellen (Kr), über welchen das Chitin deutlich zu
einer Linse (L) verdickt ist. Diese Zellen unterscheiden sich aber von normalen Kristallzellen
dadurch, daß ihre proximalen Teile mit der Basalmembran in Verbindung stehen.
Außer den Pigment- und Kristallkegelzellen treten einige Zellen auf, welche nervöse Fortsätze
ausgebildet haben; man muß diesen Zelltypus demnach als stark abgeänderte Sinneszellen
auffassen. In Abbildung 152 ist eine Reihe weiterer Mißbildungen dargestellt. Wir
betrachten die einzelnen Ommatidien der Reihe nach von links nach rechts. Das erste
Ommatidium zeigt einen ganz normalen Bau, während die nächste Zellgruppe eine eigenartige
Anordnung der Ommatidienelemente aufweist. In der Mitte der Zellgruppe finden
wir distal unter dem Chitin eine Gruppe von vier Zellen (drei davon sind auf dem Schnitt
nur getroffen), welche nach Bau und Anordnung zweifellos als Kristallzellen aufzufassen
sind. Diese Zellgruppe ist von zwei Zellen umgeben, welche nach ihrer dunklen Pigmentierung
als Hauptpigmentzellen angesehen werden müssen. Sie sind allerdings viel schlanker
als gewöhnliche Pigmentzellen und ihr Pigment ist viel spärlicher. Proximal davon befinden
sich zwei Zellen, welche leicht als Sinneszellen zu deuten sind, da sie nervöse Fortsätze
ausgehildet haben (Sz).
Das rechts davon liegende Ommatidium hat normalen Bau, während die nächste Zellgruppe
einer Analyse große Schwierigkeiten entgegensetzt, zumal die Einzelelemente sehr
ähnlich sind. Auch das folgende Ommatidium ist eine Mißbildung. Die Hauptpigmentzelle
zeigt riesige Ausmaße und reicht bis zur Basalmembran. Die Kristallzellen sind sehr schlank
(in Abbildung 152 nicht getroffen), und die Sinneszellen haben kein Rhabdom ausgehildet.
2. Teilweise Zerstörung der Fazettenaugen.
Recht aufschlußreich sind Versuche, bei welchen nur Teile der Fazettenaugen entfernt
wurden. Bei dem in Abbildung 153 dargestellten Fall wurde die ventrale Hälfte des Auges
entfernt. Am dorsalen Rand des Bildausschnitts erkennt man die normalgestalteten Ommatidien
des stehengebliebenen dorsalen Augenteils. Der Wundrand ist noch bei der Imago
zu erkennen an Zelltrümmern (Pzr) und Resten zerstörter Ommatidien. Die entfernten Teile
des Auges wurden durch ein lockeres Narbenepithel ersetzt. Dieses hat eine zweifache Herkunft.
Am dorsalen Wundrand besteht es vor allem aus differenzierten Nebenpigmentzellen,
während es sich im ventralen Teil aus den bei der Operation stehengebliebenen Teilen der
Fazettenaugenanlagen herleitet. Eine normale Differenzierung dieser Anlagen fand nicht
statt. Vielmehr kam es ähnlich wie bei dem in Abbildung 151 dargestellten Fall lediglich
zu einer Differenzierung in Pigmentzellen und einige wenige Kristallzellen. Die übrigen
Zellen aber beteiligen sich an der Bildung des Narbenepithels (Ng). In Fällen dagegen, wo
das ganze larvale Fazettenauge entfernt wurde, bildeten sich diese bei der Operation stehengebliebenen
Teile der Augenanlage zu einem normalen, wenn auch kleinen Fazettenauge
aus (Abb. 150). Man muß daraus schließen, daß die stehengebliebenen Teile des Fazettenauges
einen hemmenden Einfluß auf die Morphallaxis der Anlagenreste ausüben.
Werden nur die m ittleren Teile der Fazettenaugen entfernt, so unterbleibt die Umgruppierung
von Anlagenmaterial vollkommen. Zwischen den beiden experimentell erzeugten
Augenhälften kommt es lediglich zur Differenzierung eines Narbenepithels. Man erhält so auf
experimentellem Wege Doppelaugen, welche denjenigen der Aleurodiden vergleichbar sind.
In beiden Fällen unterbleibt eine Regeneration verloren gegangener Teile der Fazettenaugen.