Experimenteller Teil.
Das Ausgangsmaterial zu dieser Arbeit stammt aus Khartum, Sudan, von wo die
Tiere als Larven und Käfer auf Tierhaar 1928 eingeschickt und vom Verfasser weiter kultiviert
wurden.
Die wissenschaftliche Bestimmung meines Materials übernahm durch Vermittlung
von Herrn Prof. Dr. E. Titschack (Zool. Staatsmuseum, Hamburg) Herr Maurice Pic
(Digoin). Beiden Herren möchte ich an dieser Stelle für ihre Bemühungen meinen verbindlichsten
Dank aussprechen.
Nahrung.
1. Art der Nahrung.
Wenn man von der Nahrung eines Tieres spricht, darf man nur solche Stoffe darunter
verstehen, die die normale Entwicklung des Tieres (vom Ei bis zur Imago) ermöglichen.
Stoffe, die nur gelegentlich, z. B. im Hungerzustand, auf genommen werden, niemals
aber eine Weiterentwicklung auf die Dauer gestatten, können als Nahrung nicht angesprochen
werden. Titschack (1922) hat auf diesen Unterschied bereits hingewiesen
(S. 80 ff.). Seine Untersuchungen ergaben, daß von Tineola biselliella außer Stroh, Papier,
Textilit, Asbest, Glaswolle, Spongin und Mottenkot alle möglichen Stoffe aufgenommen
wurden, daß aber trotzdem bei der größten Mehrzahl der Stoffe die Raupen sich wie im
absoluten Hungerzustand verhielten. „Sie verpuppten sich schnell und lieferten mehr oder
weniger kleine Imagines.“ (Titschack, 1922, S. 82.)
Aus alledem geht hervor, daß mit der Feststellung, was von einem Tier „gefressen“
wird, nicht viel getan ist, daß man vielmehr untersuchen muß, ob die auf genommenen
Substanzen eine Entwicklung von der Eilarve bis zur Imago ermöglichen, wobei es allerdings
denkbar wäre, daß für die jüngsten Larvenstadien nicht alle Substanzen in Frage
zu kommen brauchen, die für die halberwachsene Larve als Nahrung dienen. Auffallen
muß, daß diese Unterschiede zwischen „Freßbarem“ und Nährmaterial selbst in neueren
Arbeiten zur angewandten Entomologie häufig noch nicht scharf genug gemacht werden.
Es wird meist nur festgestellt: Diese oder jene Substanzen werden von einem Schädling
„gefressen“. Daß aber gerade die angewandte Wissenschaft auf die genaue Unterscheidung
dieser Begriffe allergrößten Wert legen muß, leuchtet wohl ein; denn mit wenigen Ausnahmen
werden Insekten wohl hauptsächlich da zu Großschädlingen, wo das gefressene
Material wirklich als Nahrung dient.
Zur Klärung der ernährungsphysiologischen Frage nach der Art der Nahrung ist es
von Interesse festzustellen, auf welchen Stoffen man An ih r enws-Lar ven in der freien
Natur findet. Da, wie im Kapitel über die Käferbiologie noch weiter dargetan wird, die
weiblichen Käfer nach der Reifung der Eier vor der Eiablage negativ phototaktisch sind,
sind die Stellen für die Larvenentwicklung im Freien sicher an dunklen Orten zu
suchen wo man geeignete N ahrung vermuten kann. Solche Stellen in der freien Natur sind
nun vorzüglich Vogelnester, ganz besonders Spatzennester. Y o k o y am a (1929, a) fand
Käfer und Larven von Anthrenus pimpinellae in Jap an in Spatzennestern. Verfasser
untersuchte eine ganze Reihe von Spatzennestern und stellte fest, daß neben Attagenus-
Larven (Attagenus pellio) von Anthrenus-Arten am zahlreichsten die Larven von A. pim-
vinellae und A. vefbasei vertreten waren. Auch wurden Larven von A. scrophulanae gefunden
aber in geringerer Zahl. In dem einen Nest überwog die eine, in dem anderen
Nest die andre Art. A. verbasci kam fast in allen Nestern vor. Zahlenmäßig überwog aber
A pimpinellae. Diese A rt kam in einigen Fällen in sehr starker Zahl vor.
Außerdem wurden h, einigen Fülle,, m geringerer Zahl ta tg e s te llt Sehr häufig und meist in sehr
großer Zahl wurden H H von Tmea pelllohetla getunden. wurde auch, b,sher aber m geringer Zahl,
heobachlet Sehr häufig und stets in großer Zahl kamen die Raupen von Hofmmnophila (Borkhausema) pseuiosprelella S it.
vor Außerdem wurden zu Tausenden Flöhe und Flohlarven (sp. V), Slnubläusc, in einigen Fällen auch Maden vom Brummer
gefunden. In einigen I H H j 8 größer Zahlglcherskorpione (OheUfer cancreid.es) vor, die hier wohl den nes -
hewohnenden Insekten nachstellen. (Siehe auch Seite 89:) AÜagems- und Anlhrauus-Laiwen wurden haup -
sächlich in solchen Restern gefunden, deren Nestpolster zum größten Teil aus Federn, Tierhaaren oder Wollumpen, mit
Resten von toten Insekten bestandeil. Nester, die als Grundlage l,au|jlsiichllch Heu bzw. Pflanzenfasern enthielten, waren arm
an den aufgefühefeh Motten, und Dermestiaen,igamenmottftn (Hefmdnnophila) kamen fast in allen Nestern vor. Es sei bemerkt,
daß alle untersuchten Nester relativ friäclr waren. Einige enthielten Eier, andere Junge, nur wenige waren unbelegt,
und in diesen war die Nestfauna ziemlich arm.
Weiter dürfte zur Klärung der Frage auch die Überlegung dienen, daß die Dermesti-
den zum großen Teil Kadaverfresser sind. Fü r die Dermestes-Arten ist das nicht weiter
wunderlich. Sie werden häufig an Kadavern und Leichen gefunden und bilden einen integrierenden
Teil der Kadaverfauna. Aber auch die Attagenus- und Anthrenus-Arten werden
an Leichen gefunden, Attagenus pellio und ebenso Anthrenus museorum bzw. Anthrenus
dubius nach M £ g n in (1894). Es bandelt sich hier nm menschliche Leichen von Kindern
bzw. FÖten, die unbeerdigt an der Luft liegen blieben und in trockenen Verstecken gefunden
wurden. Die Leichen hatten meist Jah re in den Verstecken gelegen.
Daß Anthrehus-haTven gern trockene Kadaver angehen, konnte Verfasser im Versuch
bestätigen. So skelettierten L arven von Anthrenus fasciatus Sperlingskadaver vollkommen.
Sie fraßen dabei die Federn mit den Kielen und sämtliche, allerdings ausgetrocknete
Weichteile. Wichtig ist die Feststellung, daß auf diesem Kadavermaterial die Entwicklung
von der Eilarve bis zum Käfer normal verlief, und daß die Käfer wieder
Eier legten, aus denen die Larven normal schlüpften. Im Gegensatz zu den Motten, die
sonst in ähnlicher Weise kleine Tierkadaver völlig skelettieren, sei hervorgehoben, daß
Anthrenus auch die Raphe des Schnabels und die hornige Haut der Läufe und Füße vollständig
mitfrißt. Nach den Beobachtungen des Verfassers scheinen die Anthrenus-Larven
diese hornigen Partien zu bevorzugen. Sie wurden intensiv gefressen, als der Fraß ^ an
dem übrigen Kadaver noch nicht weit fortgeschritten war. Tineola biselliella friß t diese
Bestandteile des Sehnabels und der Beine nicht. Auch in Insektensammlungen sind die
Anthrenus-Arten äußerst gefürchtete Gäste. Verfasser stellte fest, daß Anthrenus fasciatus
sich auf töten, trockenen Imagines von Tineola biselliella normal entwickelt.
Zur Klärung der Frage, was überhaupt von Anthrenus-harven „gefressen“ wird,
wurde ihnen eine Reihe von Stoffen vorgelegt. Bei manchen von diesen Stoffen konnte an
der starken Zerstörung des Materials und an dem reichlich abgegebenen Kot ohne weiteres
der F raß festgestellt werden. Bei Substanzen, bei denen es zweifelhaft war, oh sie überhaupt
aufgenommen wurden oder nicht, wurde das Material mit Rhodaminrot B intensiv