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Es handelt sich also hier um Werte, die ziemlich in den Grenzen des Normalen bleiben,
nur beim Sechshäuter (6.—7. Häutung) beobachtet man beim Hungertier eine Verkürzung
des Häutungsabstandes — einer beschleunigten Häutungsfolge gegenüber dem
Normaltier.
Die Beobachtung, daß die Eilarve länger zu fasten in der Lage ist als die Ein- und
Zweihäuter-Larve, darf vielleicht darauf zurückgeführt werden, daß die Eilarve aus dem
Ei noch gewisse, nicht verbrauchte Reservestoffe mitbringt, die ein längeres Hungern
gestatten; während die Ein- und Zweihäuter, die nach Verbrauch der Eireserven noch
nicht soviel Reservestoffe aus der aufgenommenen Nahrung speichern konnten, weniger
lange fasten können. Die späteren Larvenstadien sind mit dem stetigen Wachsen des Reservedepots
auch in ansteigendem Maße in der Lage, Hunger zu ertragen.
F e lt, E. P. (1916) erwähnt von Anthrenus-Larven (sp. ?), daß sie drei bis vier Jahre ohne Nahrung leben könnten. —
B. G a lli-V a le rio (1922) schreibt, allerdings ohne nähere Angaben über Temperatur und Feuchtigkeit, daß Larven von
Anlhrenus scrophulariae 10 Monate Hunger ertragen könnten. Die Angaben haben, da leider keine Mitteilungen über Temperatur
und Feuchtigkeit usw. gemacht werden, keinen sehr großen Wert.
Nach unseren Beobachtungen, die bei konstanter Temperatur von 30° C und 35—40'%'
Feuchtigkeit gemacht wurden, war die höchste Hungerzeit bei den Sechshäutern 34
Tage, bei den Tieren, die sich im Hunger noch einmal häuteten 28,5 Tage (im Durchschnitt).
Die Maximalwerte liegen also sehr viel niedriger als F elts und Galli-Valerios
Angaben. Beide Autoren erwähnen auch nicht, ob sie Einzeltiere beobachteten oder Tiere, die
zu mehreren beisammen saßen. Im letzteren Falle konnten die Hungerlarven immerhin
Kadaver von eingegangenen Artgenossen als Nahrung aufnehmen, und da unzureichende
Nahrung die Entwicklungsdauer sehr verlängert (siehe Kapitel: Qualität der Nahrung,
S. 12—16), so wäre das stark abweichende Ergebnis beider Autoren leicht zu erklären, zumal
wenn sie ihre Versuche — was wahrscheinlich ist — bei kühlerer T emperatur gehalten
haben.
Temperatur.
Von den wichtigsten äußeren Lebensbedingungen hat der Einfluß der Temperatur in
den experimentellen Untersuchungen stets eine hervorragende Beachtung gefunden. In
den letzten Jahren (1925) erschien E. Titschacks Arbeit: „Untersuchungen über den
Temperatureinfluß auf die Kleidermotte (Tineola biselliella Hum.)“, die für die vorliegende
Untersuchung von ganz besonderer Bedeutung ist. Sie stellt nicht n ur die vielleicht
exakteste und eingehendste Untersuchung über dieses Thema dar, sie hat hier vor allem
deswegen besonderen Wert, weil sie gerade an einem Insekt angestellt wurde, das in ökologisch
physiologischer Hinsicht, wie schon eingangs betont wurde, weitgehende Ähnlichkeiten
mit Anthrenus fasciatus besitzt.
Bei den Versuchen über den Einfluß der Temperatur auf die Entwicklung von Anthrenus
fasciatus sollte vorzüglich festgestellt werden:
1. in welchem Temperaturbereich die Entwicklung von A. fase, vom Ei bis zum Käfer
überhaupt möglich ist;
2. bei welchen Temperaturen sich die Entwicklung einem Pessimum nähert, die Vollentwicklung
entweder gestört und unregelmäßig oder überhaupt nicht mehr möglich ist.
Es wurde dann für die Grenztemperaturen gerade den Teilentwicklungsgängen größte
Beachtung geschenkt. In den meisten in der Literatur vorliegenden Untersuchungen wird
nur festgestellt, daß bei einer bestimmten Minimal- bzw. Maximaltemperatur eine Normalentwicklung
nicht mehr möglich ist. Im übrigen wird in diesen Arbeiten nicht weiter
auf den Einfluß der Grenztemperaturen auf die Entwicklungsvorgänge eingegangen. Doch
verspricht gerade das genauere Studium der Grenztemperaturen manchen wertvollen Aufschluß
sowohl nach der theoretischen, als auch nach der praktischen Seite (z. B. für die
Bekämpfung eines Schädlings) hin. Es lehrt uns gerade das Verhalten der Tiere im Pessimum
kennen und gibt damit auch für die Kenntnis der natürlichen Verbreitung bzw.
der Schranken, die der Tierart jeweilig durch die Temperatur gesetzt sind, wertvolle
Anhaltspunkte.
3. Es soll untersucht werden, in welcher Zeit die Entwicklung der einzelnen Stadien
■— Ei Larve, Puppe und die Vollentwicklung — bei verschiedenen Temperaturen verläuft
und ob und welche Gesetzmäßigkeiten sich im vergleichenden Versuch bei verschiedenen,
konstanten Temperaturen feststellen lassen.
4. In gleicher Weise soll der Einfluß auf die Größe und das Gewicht der Käfer festgestellt
werden und
5. auf die Schlüpfdauer der Käfer, d. h. auf die Zeit, die zwischen dem Schlüpfen des
ersten und des letzten Käfers liegt.
6. Es soll untersucht werden, ob und welchen Einfluß die verschiedenen konstanten
Temperaturen auf die Häutungszahl haben, und weiter, wie sich die Entwicklungszeiten
zwischen den einzelnen Häutungen (Häutungsintervalle) bei verschiedenen konstanten
Temperaturen verhalten.
Während alle diese Fragen zunächst für dauernd konstante Temperaturen geprüft
wurden, wurde in weiteren Versuchen auch der Einfluß eines regelmäßigen Temperaturwechsels
genauer untersucht.
Natürlich muß auch darauf geachtet werden, ob und welche Unterschiede sich bei
der Untersuchung dieser angeführten Punkte fü r die beiden Geschlechter ergeben.
Methode: Die Temperaturversuche wurden angestellt in elektrisch heizbaren und automatisch auf konstante Temperatur
(bis 1/i0°C einstellbaren) regulierbaren Thermostaten (System Lautenschläger, Berlin). Für die Temperatur von 15—20°
kam ein Thermostat mit automatischer Regulierung, mit Wasserkühlung und elektrischer Heizung in Anwendung, wobei bemerkt
sei, daß für einen Teil der Versuche ein Thermostat allerneuesten Systems benutzt werden konnte, der für 20° G
eine recht zuverlässige Regulation ermöglichte: In den einzelnen zusammengehörigen Versuchen war die Nahrung selbstverständlich
qualitativ und auch quantitativ gleich. Ebenso wurde sorgfältig darauf geachtet, daß die relative Feuchtigkeit
in den Vergleichsversuchen möglichst gleich war. Die Feuchtigkeit wurde mit Lambrechts Hygrometer und Polymeter überwacht
(siehe Kapitel Feuchtigkeit, Methode S. 51).
Um die Darstellung der Temperaturversuche selbst nicht mit technisch methodischen
Daten zu überladen, werden sie hier schon vorweg genommen.
A. Ve r suche bei kons t ant e r Tempe r a t ur .
a) Versuch mit Eiern.
Der Einfluß der Temperatur auf das Schlüpfen der Eier wurde in einem größeren
Versuch geprüft, und zwar für die Temperaturen von 20, 25, 30, 35 und 40° C (Feuchtigkeit
etwa 30—40% r.F .).
Fü r alle Versuche kamen nur frisch abgelegte Eier zur Verwendung von Käfern,
die seit der Verpuppung bei 35° C aufgehoben und zur Eiablage gebracht wurden.
Die Versuche wurden angestellt mit rund 7000 Eiern:
bei 20° C . . . 650 Eier, bei 35° C . . . 1686 Eier
„ 25° C . . . 767 „ „ 40° C rund 1000 „
„ 30°C . . . 2835 I