
Trichocysten recht verschiedener Herkunft, die in dieser mehr aus praktischen als aus theoretischen
Voraussetzungen auf gestellten Gruppe erscheinen. Es soll aber durch die Bezeichnung
„Protrichocysten“ nur ein geringerer Grad von Differenzierung angedeutet werden,
nicht aber eine Primitivität im Sinne der Descendenztheorie. Im Gegenteil hin ich geneigt,
in einem Teil der Protrichocysten Rückbildungsformen höher differenzierter Typen zu
sehen. Die Bezeichnung „Protrichocyste“ ziehe ich der von Bresslau vorgeschlagenen Bezeichnung
„Tektinstäbchen“ aus dem Grunde vor, weil sie die auch von Bresslau betonte
nahe Beziehung zu den eigentlichen Trichocysten stärker betont.
Der Unterschied in der Auffassung von Bresslau und mir beruht lediglich darin, daß
ersterer den Unterschied zwischen den „Tektinstäbchen“ und den eigentlichen Trichocysten
in der verschiedenen A usprägung der anisotropen Quellfähigkeit, also einer unsichtbaren,
submikroskopischen Struktur sucht, während nach meiner Definition das Vorhandensein von
mikroskopisch nachweisbaren Differenzierungen als Kennzeichen der eigentlichen Trichocysten
zu gelten hat. In der Mehrzahl der Fälle decken sich übrigens auch unsere Abgrenzungen,
weil zumeist die Ausbildung eines ausgeprägten Längsstreckungsvermögens Hand
in H and geht m it dem Vorhandensein sichtbarer Trichocystenkonturen, während umgekehrt
alle typischen Tektinstäbchen nach meinen Beobachtungen keinerlei sichtbaren Differenzierungen
aufweisen und infolgedessen als „Protrichocysten“ zu bezeichnen sind. Durch die
von m ir vorgeschlagene Abgrenzung der Protrichocysten verbleiben innerhalb der Gruppe
der eigentlichen Trichocysten nur die durch eine wohl definierte, nadelförmige Gestalt aus
gezeichneten Formen. In der Gruppe der Protrichocysten finden wir dagegen die verschiedenartigsten
Formen zwischen den kurz stäbchenförmigen und den langgestreckt nadelförmigen.
Abgesehen von der Unsichtbarkeit ist allen Protrichocysten in der von mir vorgeschlagenen
Abgrenzung gemeinsam, daß ihre Gestalt nicht so wohl definiert, sondern weitgehend
durch mechanische und Milieueinflüsse zu verändern ist. Dieses macht sich insbesondere
bei den langen, nadelförmigen Protrichocysten, z.B. bei Colpodacucullus bemerkbar,
die nur ganz selten ihre normale Gestalt zeigen, vielmehr meist weitgehend gekrümmt und
deformiert zur Beobachtung kommen. Schließlich zeigen die Protrichocysten noch eine starke
Neigung, miteinander zu verkleben und die von Schneider beschriebenen Netze und Hüllen
zu bilden.
Die drei Eigenschaften: Unsichtbarkeit, leichte Deformierbarkeit und das Verkleben
möchte ich auf eine gemeinsame Ursache zurückführen, nämlich das Fehlen einer abgrenzenden
Trichocystenmembran. Und dieses ist der Grund, der mich veranlaßt, die im einzelnen
sehr voneinander abweichenden Gebilde unter den Begriff „Protrichocysten“ zusammenzufassen.
Zu diesem Schluß glaube ich mich deshalb berechtigt, weil auch noch andere Beobachtungen
als die oben angeführten für diese Annahme sprechen. Die Tatsache, daß mit
typisch einseitigem Quellungsvermögen ausgerüstete Trichocysten (z.B. Urocentrum turbo
und Colpoda cucullus) im Hell- und Dunkelfeld unsichtbar bleiben, zeigt besonders eindrucksvoll,
daß die eigentliche Quellsubstanz der Trichocysten sich in ihrem Brechungsindex
nicht nennenswert vom umgebenden Wasser unterscheidet. Schon bei der Untersuchung
der Paramccmm-Trichocysten hatte ich entsprechend zeigen können, daß die im
Dunkelfeld aufleuchtenden Konturen von einer gesonderten Trichocystenmembran herrlihren,
während die eigentliche Quellsubstanz auch hier — wie Bruchstücke zeigten r r j im ungefärbten
Zustande unsichtbar ist.
Was also die „sichtbaren“ von den „unsichtbaren“ Trichocysten unterscheidet, ist offensichtlich
eine besondere Differenzierung der Oberflächenschicht der letzteren, denn es liegen
keinerlei Andeutungen dafür vor, daß wir bei beiden Gruppen eine grundsätzlich verschiedene
Quellsubstanz annehmen dürfen. Im Gegenteil spricht das gleichartige Verhalten gegen
Farbstoffe und das Vorkommen der beiden verschiedenen Typen bei nahe verwandten Formen,
wie wir es am deutlichsten innerhalb der Familie der Nassuliden sahen, gegen eine
solche Ansicht. Ob man sich die Oberflächenschicht einfach als eine Differenzierung der
Substanz des Quellkörpers vorstellt oder ob man annimmt, daß es sich hierbei um eine auch
chemisch verschiedene Schicht handelt, ist eine zweite Frage, die im Augenblick nicht zu
lösen ist. Wahrscheinlich werden bei den verschiedenen Trichocysten beide Möglichkeiten
erfüllt sein.
Da sich nach allen bisherigen Erfahrungen die Quellsubstanz der Trichocysten nicht
mit Eosin färbt, ist die für die sichtbaren Trichocysten nachgewiesene Eigentümlichkeit,
daß sich ihre Umrisse mit Hilfe dieses Farbstoffes färben, als eine Eigenschaft ihrer Membran
anzusehen. Aus der gleichartigen Färbbarkeit der Membran der verschiedenen Trichocysten
auf eine gleiche chemische Natur zu schließen, ist ohne weiteres nicht angängig, da
uns der Zusammenhang zwischen Färbbarkeit und chemischer Struktur im wesentlichen
noch unbekannt ist. Für die Färbbarkeit der Trichocysten scheint in erster Linie der Quellungszustand
von Bedeutung zu sein. Die ruhenden, also ungequollenen Stadien der Trichocysten
färben sich mit Eosin, und zwar in ihrer ganzen Breite, es beschränkt sich die F ä rbung
nicht auf eine Oberflächenschicht. Auch unvollständig explodierte Teile bei ausgeschleuderten
Trichocysten nehmen diesen Farbstoff auf. Also in allen Fällen, in denen eine nicht
vollkommene Quellung stattgefunden hat, färbt sich die Trichocystensubstanz mit Eosin.
Demzufolge würde auch eine nicht vollkommen gequollene Trichocystenoberflächen-
schicht sich mit diesem Farbstoff färben.
Übrigens färben sich die Trichocystenumrisse auch mit den basischen Farbstoffen wie
Methylenblau und Methylviolett. Da sie aber nicht so spezifisch färben wie Eosin, sondern
bei ihnen auch die Möglichkeit gegeben ist, daß sich der Quellkörper färbt, sind sie für
den Nachweis einer Trichocystenmembran ungeeignet.
Einen besonders eindrucksvollen Beweis für das Vorhandensein einer vom Quellkörper
unabhängigen Membran lieferten mir die Trichocysten von Cinetochilum margarita-
ceum. Bei ihnen beobachtete ich, daß die Konturen nach der Färbung mit Eosin sich vom
Quellkörper ablösten und eine tanzende Bewegung — wahrscheinlich Molekularbewegung
— zeigten. Durch diese Beobachtung erkennen wir besonders deutlich, daß die mit Eosin
gefärbte Oberflächenschicht als eine zusammenhängende Membran anzusehen ist. Wenn
wir nämlich annehmen würden, daß bei Cinetochilum, lediglich die Oberfläche des Quellkörpers
sich färbt, so können wir uns schwer vorstellen, daß diese Schicht ihren Zusammenhang
mit demselben verliert, ohne auch untereinander den Zusammenhang zu verlieren und
vollkommen aufgelöst zu werden.
Die allgemein beobachtete Regel, daß solche Trichocysten, deren Umrisse sich mit
Eosin färben, diese fast stets auch ohne Färbung erkennen lassen, macht es ratsam, das
Verhalten gegen Eosinlösung als maßgeblich für die Entscheidung zu benutzen, ob wir
es mit einer eigentlichen Trichocyste oder einer Protrichocyste zu tun haben. Abgesehen
davon, daß an sich schwach sichtbare Trichocysten durch die F ärbung leichter erkenntlich
Zoologien, Heft 91. 1 0