
Struktur das Trichocystenkorn am Vorder ende ist. Vor allem ist auch bei ihnen die
Längsstreckung im Laufe der Explosion nicht ausgeprägt, so daß die ausgeschleuderte
Trichocyste im wesentlichen nur eine Vergrößerung der gedrungenen Spindelgestalt der
Ruhestadien ist. Insbesondere in letzterem Punkte unterscheiden sich die Trichocysten der
zweiten nicht näher bestimmbaren Cyclogramma-Art (Seite 32). Eine deutliche Längsstrek-
kung im Laufe der Explosion weist hier auf eine höhere Entwicklungsstufe hin. Diese zeigt
sich aber auch dadurch, daß sich auf den Trichocysten eine gesonderte Oberflächenschicht
gebildet hat, die zwar noch nicht als eine glatte Membran erscheint, sondern aus einzelnen
Granulis zusammengesetzt ist, sich aber doch schon im Zusammenhang ablösen läßt. Die
granulierte Oberflächenschicht ist aber noch nicht genügend stark, um den explodierten Trichocysten
eine wohl definierte Gestalt zu geben; diese ist daher noch außerordentlich
schwankend. Eine festgelegte Länge und Breite der Trichocyste findet sich erst bei den
Trichocysten von Nassula ornata, was wir damit in Zusammenhang bringen dürfen, daß
hier auch eine deutlich ausgebildete Trichocystenmembran vorhanden ist. Bis auf das
Trichocystenkorn, das wir aber auch hei den primitiveren Formen fanden, fehlt jede Differenzierung.
E rst bei der auf Seite 31 beschriebenen Nassula äpec. gestaltet sich das Trichocystenkorn
zu einer Spitze um, wodurch diese Trichocysten zum mindesten äußerlich den
höchst differenzierten Trichocysten von Paramecium ähnlich werden.
Wenn wir von den, den Trichocysten der letztgenannten Art sehr ähnlichen Trichocysten
von Clathrostoma viminale aus schließen dürfen, ist die Ähnlichkeit mit den Para-
mecmm-Trichocysten nur äußerlich und erstreckt sich wahrscheinlich nicht auf die feineren
Strukturen. Soweit wie ich sehe, liegen keine Zwischenformen vor, die zu den höchst
differenzierten Trichocysten von Paramecium und Frontonia überleiten.
In den beiden letzteren scheint der höchste Differenzierungsgrad der Trichocysten —
wenn wir die Nesselkapsel-Trichocysten unberücksichtigt lassen — erreicht zu sein. Schon
innerhalb der Ordnung der Holotrichen setzt eine Tendenz zur Rückbildung der Trichocysten
ein, so möchte ich z. B. annehmen, daß die „Protrichocysten“ von ZJrocentrum, Colpoda
usw., die sich vor den übrigen Protrichocysten durch ihr sehr ausgesprochenes Längsstrek-
kungsvermögen auszeichnen, sich eher zu den Trichocysten vom Frontonia-Typ in Beziehung
setzen lassen, als zu den eigentlichen Protrichocysten, denen das Vermögen der gerichteten
Quellung höchstens in viel geringerem Maße zukommt.
Die Tendenz zur Rückbildung der Trichocysten wird auch dadurch deutlich, daß wir
diese Organellen nur unter den holotrichen Ciliaten allgemein verbreitet antreffen, die wir
auch auf Grund ihrer übrigen Organisation als primitive Formen betrachten müssen. Bei
den übrigen Ciliatenordnungen finden wir umso weniger trichocystenführende Gattungen,
zu je weiter differenzierten Formen wir kommen. Typische Trichocysten sind nur bei den
heterotrichen und oligotrichen Ciliaten außerhalb der holotrichen Ciliaten bekannt geworden.
Aber auch noch innerhalb der holotrichen Ciliaten finden wir ein Zurückgehen der Ausbildung
der Trichocysten mit wachsender Organisationshöhe. Die ohne Zweifel kompliziertesten
Trichocysten, die Nesselkapsel-Trichocysten, treffen wir bei den als primitiv zu
bezeichnenden Gruppen, während sie bei den höher organisierten fehlen. Diese Bemerkung
leitet zu der Frage über, welche Beziehungen zwischen den nesselkapselähnlichen und den
übrigen Trichocysten bestehen. Ich habe keine Zwischenformen gefunden, die zu den Protrichocysten
oder eigentlichen Trichocysten überleiten könnten. Die Nesselkapseltrichocysten
stehen ohne Übergangsformen als in ihrer Art vollkommen ausgebildete Strukturen vor uns.
Man könnte daher daran denken, daß die Nesselkapsel-Trichocysten überhaupt keine Beziehungen
zu den übrigen Trichocysten aufweisen. Ich nehme nicht an, daß wir zu dieser
Ansicht berechtigt sind. Die Ähnlichkeit in dem Verhalten aller Trichocysten gegen Farbstoffe
und Salzlösungen scheint mir dafür zu sprechen, daß wir wenigstens bei ihnen allen
eine ähnliche Quellsubstanz voraussetzen können.
Die Unmöglichkeit, die Nesselkapsel-Trichocysten von Trichocysten oder Protrichocysten
abzuleiten, ergibt sich auch schon dadurch, daß wir bei einer Reihe von ihnen neben
diesen noch Protrichocysten finden. In einigen Fällen fand ich auch bei Formen, deren
nächste Verwandte beide Trichocystenformen besaßen, nur noch die Protrichocysten, während
die Nesselkapsel-Trichocysten fortgefallen waren. Auf diese Verhältnisse tra f ich z. B.
bei Urotricha armata, Bur sella gargamellae, Trachelius ovum und Paradileptus elephan-
tinus. Die Protrichocysten dieser Formen schließen sich auf das engste an die Protrichocysten
der Gattung Cyclogramma unter den hypostomen Ciliaten an, welch letztere, wie wir
sahen, zu höher differenzierten Formen unter den Nassuliden und darüber hinaus bei Clathrostoma
unter den trichostomen Ciliaten überleiten. So sehen wir, daß die durch den Fortfall
der Nesselkapsel-Trichocysten unter den höheren holotrichen Ciliaten geschaffene
Grenze überbrückt wird durch die Trichocysten bzw. Protrichocysten, die bei allen Familien
gleichmäßig Vorkommen und weitgehend vergleichbar sind. Bemerkenswert ist, daß neben
den Nesselkapsel-Trichocysten nur Protrichocysten gefunden wurden, nicht aber m it deutlich
ausgeprägter, einseitiger Quellbarkeit oder festen Membranen ausgerüstete eigentliche Trichocysten.
Die Feststellung der Tatsache, daß mit wachsender Differenzierung der Cilienbeklei-
dung und insbesondere der Ausbildung besonderer Strudeleinrichtungen am Munde der
Ciliaten, die Trichocysten zurückgebildet werden, leitet zu der letzten Frage über, nämlich
der, welche Bedeutung die Trichocysten für die Ciliaten haben. Es ist heute nicht möglich,
eine befriedigende Antwort auf die Frage zu geben. Wir sind allerdings durch die Möglichkeit,
die Struktur der Trichocysten untersuchen zu können, der Lösung der Frage einen
wesentlichen S chritt näher gekommen, denn solange unser Wissen liber ihren Bau nur auf
so unbestimmten Vermutungen beruhte, wie es vor kurzem noch der Fall war, fehlten alle
Grundlagen für ein Verständnis ihrer Bedeutung. Stets ist die Kenntnis der Struktur eines
Organes die wesentlichste Voraussetzung für ein wirkliches Verständnis seiner Funktion.
Die Formenmannigfaltigkeit der Trichocysten spricht dagegen, daß wir ihre Funktion
als einheitlich ansehen dürfen. Aller W ahrscheinlichkeit nach haben wir es mit einem Organsystem
zu tun, das sich aus einer gleichartigen Grundlage zu verschiedenartigen Differenzierungen
entwickelt hat und entsprechend zu verschiedenen Leistungen herangezogen wird.
Die häufig geäußerte Vermutung, daß die Trichocysten zum Lähmen und Töten der
Beute dienen, scheint mir nur für einen Teil der Nesselkapsel-Trichocysten zuzutreffen. Auch
in dieser Beziehung würden sie also den Nesselkapseln der Coelenteraten entsprechen. Mit
der Höherentwicklung der Strudeleinrichtungen des Mundes scheint diese Art des Nahrungserwerbes
überflüssig geworden zu sein und es ist vielleicht hierauf das Verschwinden der
Nesselkapsel-Trichocysten bei den höheren Ciliaten zurückzuführen. Es scheinen dann die
Trichocysten für andere Zwecke frei geworden zu sein.
P énard hat wohl im Hinblick auf die Ansicht, daß die Trichocysten zum Beuteerwerb
dienen, geglaubt, in vielen Fällen mit Hilfe des von ihm angewandten Carminglyzerins eine
Giftsubstanz an der Spitze der Trichocysten nachweisen zu können. Fü r den Fall des sogenannten
„Kreuzes“ der Trichocysten von Hemicyclium möchte ich diese Deutung als un