mußte er beliebig lange gebrauchsfertig gehalten werden können. Ich schildere die nach
vielen vergeblichen Bemühungen gefundene Methode etwas ausführlicher, weil ich glaube,
daß sie auch in vielen ähnlichen Fällen Anwendung finden kann.
a) Gewinnung des Magensaftes.
Die Ankurblung der Verdauungsfunktionen und im besonderen die Sekretion von
Drüsensäften wird durch die von der Nahrung ausgehenden Reize bewirkt. Schon Cohn-
heim (1902) machte die Entdeckung, daß man „den Lebersaft“ des Tintenfisches Eledone
gewinnen kann, wenn man die Tiere fü tte rt und unmittelbar darauf ein Glasröhrchen in
den Drüsengang einbindet. Es liegt nahe, „dabei an die reflektorisch vermittelte Magensekretion
P awlows zu denken“. Auf Seite 56 und 61—62 habe ich im Anschluß an die
Untersuchungen K rijgsmans (1928) bereits geschildert, daß auch bei Buccinum die Annahme,
wonach die Sekretion der Vorder- und Mitteldarmdrüsen durch chemische Reize
der Nahrung ausgelöst wird, nicht von der Hand zu weisen ist. Auf Vorschlag des Herrn
Professor K estner wurde den Tieren daher zunächst rohes Rind- und Schellfischfleisch
in vierfachen Gazebeuteln vorgeworfen. Freßlustige Schnecken hatten den Beutel jedoch
innerhalb kurzer Zeit mit ihrer Radula geöffnet und das Fleisch verzehrt. Eine Trennung
von Mageninhalt und Verdauungssaft durch Zentrifugieren sollte aber nach Möglichkeit
vermieden werden. Daher ersetzte ich den Gazebeutel durch T e e - E i e r aus Aluminium.
Die Schnecken nahmen dieses Metall an, umhüllten bisweilen das ganze Gefäß mit dem
Fuße und versuchten manchmal stundenlang an das Fleisch heranzukommen, was ihnen
aber nicht gelang.
Auf diese Weise wurden in einigen besonders günstigen Fällen großen „Hummerkor
btieren“ bis zu 3 ccm Saft entnommen (S. 55). Durchschnittlich ging aber nur etwa
der 5. Teil der Tiere an die Tee-Eier und auch diese Schnecken zeigten nicht immer maximal
gefüllte Mägen, trotzdem sie bisweilen wochenlang gehungert hatten und nur jedes
23. Tier festen MageninhaltS- meist Reste von eingegangenen Mitgefangenen — aufwies.
Die Mitteldarmdrüsengänge waren in der Regel leer.
Die Anreicherung der Magenflüssigkeit wurde einerseits durch erhöhte Drüsensekretion,
andererseits durch Einschlucken von Seewasser während der Radulabewegungen an
den Tee-Eiern bewirkt. Erstere ergibt sich aus der Analyse der noch zu besprechenden
physikalischen Eigenschaften, letztere durch die Anfärbung des Saftes mit Neutralrot,
welches dem Seewasser beigemengt wurde (S. 42). So wurden von 3559 Tieren 774 ccm
Magensaft gewonnen. Es entfielen also auf jede Schnecke nur 0,2 ccm Saft. Diese Zahl
besagt aber nicht viel; denn die Unterschiede zwischen der großen Anzahl von Tieren,
welche nur einen Tropfen Hungersaft liefern und den verhältnismäßig wenigen „Tee-Ei-
Schnecken“ sind erheblich (vgl. hierzu Tabelle IV, S. 73). Nach K untara (1934, S. 173)
liefert eine Weinbergschnecke durchschnittlich 0,4 ccm Darmsaft und Vonk (1935b, S. 723)
gewann 0,25 ccm Saft aus dem Magen von Astacus. Hungertiere liefern weniger.
Leider ist das Aushebern des Saftes beim lebenden Tier, wie es durch Bethe (1897/98,
S. 535) zuerst an Ccircinus ausgeführt wurde, infolge des verwickelten Oesophagusbaues
(Abb.11) nicht möglich. Daher mußten die Mägen der getöteten enthäusten Tiere punktie
rt werden. Das Ablösen der Schale (S.47) darf erst unmittelbar vor dem Anstechen des
Magens erfolgen, da sonst sein flüssiger Inhalt durch den After entlassen wird. Die Saftentnahme
begann durchschnittlich eine Stunde nach dem Einlegen der gefüllten Tee-Eier
und dehnte sich bei 100—200 Tieren über mehrere Stunden aus. Die Schnecken blieben
bis zur Tötung im Fütterungsbecken. Auf diese Weise muß man ein Saftgemisch aller
möglichen Enzymkraftstufen im Sinne HlRSCHS (bes. 1915, Kap. 4) erhalten, sodaß diese
variable Größe in den Untersuchungen eliminiert wird.
Zur Ma g e n s a f t g e w i n n u n g wurde das enthäuste Tier in ein sauberes Tuch gehüllt,
sodaß nur die äußere Magenwand unbedeckt blieb. Ein leichter Druck spannt sie
prall an und der Inhalt tropft beim Einstechen mit einer spitzen Schere auf einen bereitgestellten
Trichter mit Faltenfilter, der in einem Meßzylinder und dieser wieder in einem
Gefäß mit Eispackung steht. — In diesem Stadium der Nahrungsverarbeitung finden sich
nur geringe Blutmengen in den Magenwandlakunen, sodaß der Saft kaum verunreinigt
wird (vgl. Tabelle IIIB ).
Auf dem Filter bleibt schleimiges Gerinsel und bisweilen auch ein dünner Belag ru n der
brauner Gebilde — Enzymkugeln —“ zurück. Der Saft selbst läuft klar ab und kann
im Zylinder gemessen werden. Hierauf gießt man ihn in einen Erlenmeyerkolben, der fest
mit einem Gummistopfen verschlossen, in den Gefrier schrank, unter eine Temperatur
von minus 6—8° C gebracht wird.
Daß bei allen Manipulationen die größte Sauberkeit herrschte, sei nur kurz angedeutet.
Kolben, Büretten, Pipetten usw. wurden zunächst mit Kaliumbichromatschwefel-
säure oder Seifenwasser gereinigt, dann 2—3mal mit Leitungswasser nachgewaschen,
zweimal mit destilliertem Wasser gespült, mit 95% Alkohol durchgeschwenkt und dann
im Thermostaten getrocknet.
Zur Verarbeitung wird der zum Eisklumpen erstarrte Saft bei etwa 30 C verflüssigt,
indem man den Kolben in der Hand hält oder in ein Wasserbad stellt. Um den
Saft stets bei gleicher Konzentration zu halten, muß er restlos aufgetaut sein. Nach der
Verflüssigung stellt man das Gefäß sofort wieder in Eiswasser oder in den Gefrierschrank
zurück, um bakterielle Zersetzung hintanzuhalten. Während des Transportes von Helgoland
nach Hamburg stand das Gefäß in einer Eispackung, die infolge guter Isolierung auch
im Sommer nicht auftaute.
Auf diese Weise halten sich Saft und Drüsen wochen- und monatelang frisch. Der
Saft zeigt weder eine Änderung der Farbe, noch des Geruches. Auch die Wasserstoffionen-
konzentration und die Verdauungskraft bleiben unverändert. Als Testobjekt für letztere
diente das Zusammenschmelzen eines Stückes C a t g u t nach Sahli.
Die beschriebene Methode ermöglicht jederzeit die Arbeit mit f r i s c h e m Ma t e r
i al , wodurch viele Unannehmlichkeiten vermieden werden. Besonders die Auflösung der
Sahli-Saite bereitete in Glyzerinextrakten große Schwierigkeiten, eine Tatsache, die umso
schwerer wog, als sie, wie eben erwähnt, als Testobjekt benutzt wurde. Auch Zusätze von
Toluol, Chloroform oder Zyanwasserstoff können mancherlei Störungen hervorrufen
[Roaf (1906, S. 392); J acoby (1929, S. 432)], vor allem, weil diese Stoffe die Platin-Wasserstoffelektrode
vergiften.
Soviel ich sehe, ist die Anwendung der Ge f r i e rme t h o d e in vielen anderen
Fällen, wo es sich um die Konservierung frischer Körpersäfte handelt, möglich. Daher
würde meines Erachtens die vergleichend physiologische Forschung sehr gefördert, wenn
die biologischen Meeresstationen ihren Versandabteilungen G e f r i e r a b t e i l u n g e n angliedern
könnten, um Säfte, H arne, Sera, Organteile, Blut usw. zu Eisblöcken gefroren an die
Institute des Binnenlandes zu verschicken. Ich bin den Herren der Direktion, sowie den
Angestellten der Biologischen Anstalt auf Helgoland zu großem Danke verpflichtet, daß