
rotgefärbt. Wird mit Rhodaminrot gefärbtes Material in den Darm auf genommen, so tritt
nicht nur eine Rotfärbung des Darmes auf bzw. des Darminhaltes, sondern, da das
Rhodamin fettlöslich ist, wird der Farbstoff resorbiert, und bei etwas reichlicherer Aufnahme
werden die Tiere intensiv homogen rot. Selbst die kleinen Füße sind bis in die
Tarsenspitzen rotgefärbt. Es findet also eine sehr vollkommene Vitalfärbung statt. In teressant
ist, daß diese Tiere, die dauernd auf mit Rhodamin gefärbtem Nährmaterial gehalten
werden, sich völlig normal entwickeln, sich normal metamorphisieren, und daß die
Weibchen nach der Kopula rotgefärbte Eier ablegen, die durchaus entwicklungsfähig
sind. Bei der Käferpräparation zeigt sich dann, daß das Ovar den Farbstoff besonders
intensiv aufnimmt. Mit dieser Rhodaminmethode konnte nun festgestellt werden, daß
die allermeisten Stoffe, die im Versuch den Anthrenus-Larven vorgelegt wurden, mehr
oder weniger stark „gefressen“ wurden.
Es wurden gefressen: 1. Kadaver, trocken (Sperling) (Herfs, 1932, Abb. 21), 2. Tierfelle,
ungegerbt (Katzen, Kaninchen, Mäuse), und zwar wurde sowohl das Haar als auch
die Haut gefressen (Abb. 28), 3. Edelfelle, verarbeitet, 4. Menschenhaar, Tierhaar (Fehhaar),
5. Roßhaar (ungefärbt und gefärbt), 6. Schweinsborsten, 7. lose Wolle (vom Schaf),
8. menschliche Fingernägel, 9. Rehschale (Abb. 29), 10. Kuhhorn (Abb. 30), 11. Hornmehl,
12. Hornbeschläge von Schußwaffen (Herfs, 1932, Abb. 22) (selbst die äußerst glatten
Hornmundstücke von Pfeifen), 13. Federn aller Art, und zwar Fahne und Kiel (Daunen,
Bettfedern, Flügel- und Schwanzfedern usw.) (Abb. 26 und 27), 14. Fischbein, 15. Insekten,
trocken, 16. Grießmehl*), 17. Haferflocken, 18. Gelatine, trocken, 19. Agar Agar, 20. Woll-
textilien aller Art (Abb. 23, 24, 25), 21. Baumwollflauschstoff, 22. Baumwollgarn, 23. Nessel
(leichter Hemdenstoff), 24. Bemberg-Kunstseide, 25. Acetatseide (glatter und Trikot-
Stoff), 26. Viskose (wie 25), 27. reine Seide, 28. Original China-Seide (für den chinesischen
Binnenmarkt), 29. Crepe de Chine, 30. Filterpapier, weiß, 31. trockener Schweizerkäse,
32. trockener Taubenkot, 33. Knochen (Scheibe aus einem Hirschgeweih (Abb. 33), Brustbein
vom Spatz).
Merkwürdigerweise wurden von Anthrenus-harven auch Bleiplomben stark angenagt
(Abb. 31a), obwohl den Tieren reichlich anderweitige zusagende Nahrung zur Verfügung
stand, und die Plomben die Tiere in keiner Weise hindern konnten, zu ihrer Nahrung zu
gelangen. Ein besonderer Grund für dieses merkwürdige Zernagen von Bleiplomben lag
also nicht vor. Diese Beobachtungen an Anthrenus fasciatus ergänzen so die interessanten
Angaben von Bauer und Vollenbruck (1930), die bei zwei anderen Dermestiden: Der-
mestes lardarius und Dermestes peruvianus ein starkes Zernagen von Bleiblech feststellten.
Zacher (1927) führt an, daß von Anthrenus nebulosus Re itt. (Var. von A. verbasci)
in Südbrasilien Knochen und Hörner gefressen werden. Bei Anthrenus fasciatus wurde
beobachtet, daß in ein Stück der Geweihstange des Hirsches tiefe Löcher eingefressen
wurden. A. fasciatus greift somit auch reine Knochensubstanz an, wenigstens im Hunger.
*) C h i t t e n d e n (1895) erwähnt schon, daß Anthrenus verbasci und auch Atlagenus piceus in verdorbenem Mehl gefunden
wurden. Dabei nimmt Ch i t t e n d e n allerdings an, daß diese Dermestiden wohl primär durch die im Mehl vorhandenen
Kornkäfer und anderen Getreideschädlinge angezogen worden und erst sekundär zur Mehlnahrung übergegangen seien.
F e l t , E. P. (1909 u n d 1919) fand Mais von Anthrenus verbasci befallen und will diesen Käfer 17 Jahre lang auf demselben
Material gezogen haben.
G ib s o n (1917) gibt an, daß Anthrenus scrophulariae L. und auch AUagenus piceus Brotgetreide angreifen.
Nach Z a c h e r (1919) wurden Larven von A. verbasci in Reismehl gefunden. Auch Anthrenus scrophulariae läßt sich mit
vegetabilischen Substanzen bis zur Imago züchten. Z a c h e r (1927) „fand sie in Roggenmehl und konnte sie damit vollkommen
aufziehen“.
v a n E m d e n (1929) fand Anthrenus (verbasci ?) in Zucker.
Auch beim Sperling konnten an dem allerdings dünnen Brustbeinknochen von A. fasciatus
zernagte Stellen beobachtet werden.
Nicht o-efressen wurden: 1. trockene Pilze (Konsolpilze), 2. Bienenwachs, 3. sehr ha rtes
Chitin (Kopfstück vom Hirschkäfer-Männchen), eine Reihe von Baumwollstoffen.
Ferner ist die Faserbeschädigung an reiner Seide, soweit sie in unsern Versuchen geprü
ft wurde, äußerst gering, sodaß an den Stoffen keine wahrnehmbaren Beschädigungen,
selbst bei Untersuchungen mit starker Binokular Vergrößerung, festgestellt werden
konnten. Das gilt fü r alle Baumwoll- und Nesselstoffe, auch für die angeführten
Kunstseidengewebe mit Ausnahme der Bemberg- und Viskoseseide und gewissem Acetatseidenmaterial,
wo auch der Stoff am Rand eine kleine, aber gut nachzuweisende Faserbeschädigung
zeigt*). Äußerst gering ist auch die Aufnahme von Agar Agar und Gelatine.
Alle diese Stoffe, die von Anthrenus entweder garnicht gefressen werden, oder die
hier angeführten Substanzen, die nur in geringer Menge und im äußersten Hungerzustand
aufgenommen werden, kommen als Nährmaterial für Anthrenus garnicht in Frage. Der
Versuch zeigte, daß auf all diesen Materialien Anthrenus-Larven (wenn es sich nicht um
völlig ausgewachsene Larven handelt) verhungern und sich nicht in Käfer verwandeln.
Eine normale Entwicklung von der Eilarve bis zum Käfer gelang bei: 1. Kadavern,
trocken (Sperling), 2. Tierfellen, ungegerbt und gegerbt (Edelfellen), 3. Menschenhaar und
Tierhaar (Roßhaar, Schweinsborsten, loser Schafwolle), 4. menschlichen Fingernägeln,
5. Rehschale, 6. Rinderhorn, 7. Hornmehl und Hornspänen, 8. Federn aller Art, 9. trockenen
Insekten, 10. Grießmehl.
Ebenso gelang die Zucht auf einer Unmenge von Wolltextilien aller Art. Störend kann
bei Textilien die Färbung, überhaupt die Vorbehandlung auf die Entwicklung einwirken.
Manchmal wird hierdurch eine Verlangsamung und Verzögerung der Entwicklung verursacht.
Es kann sogar eine völlige Entwicklungshemmung eintreten, sodaß eine normale
Vollentwicklung nicht mehr möglich ist, und die Larven nach längerer oder kürzerer
Zeit absterben. Interessant ist aber, daß auch auf vielen gefärbten Textilien die Entwicklung
normal bis zur Imago verlaufen kann.
Betrachtet man die Liste der Nährstoffe genauer, so fällt auf, daß die Nährmaterialien
zum größten Teil tierischer Herkunft sind. Diese Tatsache wird verständlicher, wenn man
berücksichtigt, daß Anthrenus im Freien Kadaverfresser bzw. Nestbewohner ist. Ferner
fällt auf, daß vorwiegend keratinhaltige Materialien als Nahrung in Frage kommen: das
Haar auf dem Kadaver, auf der rohen Haut, auf dem verarbeiteten Edelfell, als lose und
versponnene Wolle bis zum kompliziertesten Fertigfabrikat, als Daune, als Feder, ja sogar
in der extrem harten Form, wie z. B. Tierhorn, Tierhufe, Horngriffe von Schußwaffen
usw. sie vorstellen. Immer wird die Hornsubstanz stark gefressen und den meisten anderen
Stoffen als N ahrung entschieden vorgezogen. Beachtenswert ist dabei, daß gerade Harthorn
bevorzugt wird. Bei der Feder frißt A. fasciatus mit Vorliebe den Kiel. Roßhaar wird
vielleicht stärker gefressen als weiche Schafwolle. Ein hartes Roßhaargewebe, das als
*) Textilien, die in der Regel garnicht oder nur in ganz geringem Maße von A. fasciatus angegriffen werden — wie
Kunstseide, Seide, Baumwolle, Leinen usw. — k ö n n e n , wenn sie eine stärke- oder talghaltige Appretur besitzen, durch Fraß
arg beschädigt werden. Es ist dann aber in jedem Falle die Appreturmasse, worauf die Larven es abgesehen haben. Die
Textilfaser wird nur sekundär zerstört, indem die Tiere, um die* als Nahrung dienende Appreturmasse aufnehmen zu können,
die Faser zerbeißen und mitfressen. Stellt man an Textilien, die für gewöhnlich als Nahrung ungeeignet sind, Fraß durch
Ani/irenuslarven fest, so sollte man stets darauf achten, mit welchen Substanzen die Faser behandelt ist. Einen ganz ähnlichen
Fall konnte Verf. an Seidengazesieben für Mehlmühlen feststellen, wo Mehlmotten (Epheslia Kuehniella) die stark mit Mehl
umkrusteten Seidengaze vollständig durch Zerbeißen zerstört hatten.