
wurde zur Kontrolle belassen. Außerdem bereitet die Pflege der Tiere in diesem Fall viel
geringere Schwierigkeiten.
Die Entfernung der Antennen erfolgte gleichfalls durch das Starmesser. Leider verlief
die Operation bei den Wasserläufern meist tödlich infolge Verblutung.
Die Ergebnisse meiner Versuche sind folgende:
I. E n t f e r n u n g d e r Auge n:
1. Bei Pentatoma prasina: Die Degeneration der Retinafasern beginnt erst drei bis
vier Tage nach der Operation. Sie setzt in den distalen Teilen ein und schreitet nur sehr
langsam in zentripetaler Richtung fort, um erst nach mehreren Wochen mit der völligen
Zerstörung der Retinafaserbündel zu endigen. Dabei spielen Phagocyten eine Rolle. Die
hindurchziehenden Fasern des I. Ganglions bleiben bei dieser Degeneration völlig unberührt,
wie Methylenblaufärbungen eindeutig zeigen. Am II. und III. Ganglion war niemals auch
nur die geringste Veränderung festzustellen.
2. Bei Gerris und Velia: Die Versuche hatten bei diesen Tieren zunächst ein von Pentatoma
recht abweichendes Ergebnis, zumal hier häufig eine völlige Degeneration des I. Ganglions
festgestellt werden konnte. Dieses abweichende Verhalten war aber z. T. durch Infektionen,
z. T. durch Zugwirkungen des Messers bei der Operation bedingt. Schließlich gelang
es, die Membrana fenestrata unversehrt zu erhalten. Das Ergebnis der Versuche war dann
dasselbe wie bei Pentatoma. Unterschiede gegenüber Pentatoma zeigen sich vor allem in
einer stärkeren Beteiligung von Phagocyten (Phc) bei der Zerstörung der Retinafasern. Im
histologischen Bild treten diese Zellen durch ihre Größe und dunkle Färbung (Abb. 145)
klar in Erscheinung. Es handelt sich bei dem in Abbildung 145 dargestellten Bild um ein
Tier, welches am 17. 10. 1934 operiert und am 10. 12. 1934 fixiert wurde. Die Retinafasern
sind völlig zerstört. Die Reste der Endigungen derselben werden durch die Phagocyten
(Phc) vollständig entfernt. Die hindurchziehenden Fasern des I. Ganglions (I) blieben aber
erhalten.
Ein ähnliches histologisches Bild zeigten die operierten Tiere von Pentatoma nach
Überwinterung, also etwa fünf Monate nach der Operation.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß nach vorsichtiger Entfernung der Fazetten-
augen lediglich die Retinafasern degenerieren. Diese Degeneration erfordert i. a. mehrere
Wochen. Die rasche Degeneration der Retinafasern und der optischen Ganglien innerhalb
von 24 Stunden, wie sie A l VERDES feststellte, ist zweifellos auf die d i r e k t e Wirkung der
Hitze zurückzuführen.
Wir können aus diesem Ergebnis folgern, daß bei älteren Larven und bei erwachsenen
Tieren eine weitgehende Unabhängigkeit zwischen Augen und Lobus opticus besteht, und
zwar in der Hinsicht, daß die Entfernung der Augen n i c h t ein Verschwinden der dazugehörenden
Ganglien zur Folge hat.
Eine andere Frage ist, ob die Differenzierung der optischen Ganglien während der
Entwicklung gleichfalls unabhängig von der Differenzierung der Fazettenaugen erfolgt.
Bei den Blattläusen (vgl. S. 65 ff.) gehen diese beiden Entwicklungsprozesse einander pa rallel,
bei den Cocciden dagegen (vgl. S. 74) konnten wir feststellen, daß die optischen Ganglien
in ihrer Entwicklung derjenigen der Augen vorauseilen. Lediglich das I. Ganglion
erfährt nach der Differenzierung der Augen noch eine bedeutende Vergrößerung, was
durch das Einströmen der Retinafasern bedingt ist. Man muß also wohl eine geringere
Abhängigkeit der beiden Entwicklungsvorgänge voneinander annehmen, als durch die
Parallelität dieser Entwicklungsprozesse bei den Blattläusen vorgetäuscht wird.
Experimente zur Klärung dieser Frage wurden von KOPEC ausgeführt, und zwar an
Lymantria dispar (1922). Es zeigte sich, daß bei Entfernung des Gehirns auf dem L arvenstadium
die Entwicklung der Augen vollkommen normal erfolgt. Nur die abgehenden
Retinafasern hatten, wie zu erwarten, eine unregelmäßige Anordnung. Kopeó schließt
daraus, daß das Gehirn normalerweise einen Einfluß auf die Richtung der Retinafasern hat.
Wurden die Augenanlagen unter Belassung des Gehirns entfernt, so war das imagi-
nale optische Ganglion umfangreicher, aber kürzer als bei den K ontrollieren, zudem waren
die äußeren Schichten des I. Ganglions nicht normal entwickelt. K opec schließt daraus,
daß das normale Auge irgendwelche stimulatorische Wirkungen auf das Gehirn ausübt.
Wichtiger ist m. E. aber, daß trotz der Entfernung der Anlagen der Fazettenaugen eine normale
Entwicklung der optischen Ganglien erfolgt. Daß die Form dieser Ganglien etwas abweicht,
ist wohl darauf zurückzuführen, daß eine straffe Verbindung mit den Augen fehlt
und daß in das I. Ganglion keine Retinafasern eintreten.
Alle diese Ergebnisse zeigen, daß sowohl nach experimentellen Eingriffen als auch
während der Embryonalentwicklung eine weitgehende Unabhängigkeit zwischen den
Augen und den optischen Ganglien besteht.
Wie können wir nun diese Ergebnisse mit der in vorliegender Arbeit wiederholt festgestellten
Tatsache, daß eine enge Beziehung zwischen dem Bau der Augen und dem des
Gehirns besteht, in Einklang bringen1? Die Blattläuse stellen ein Naturexperiment dar, das
wohl geeignet ist, diese Frage einer Beantwortung näher zu bringen. Die geflügelten und
die ungeflügelten Formen haben, soweit es sich um parthenogenetisch sich fortpflanzende
Generationen handelt, genau denselben Chromosomensatz. Es ist zu erwarten, daß sie auch
dieselben Gene haben. Die Realisation dieser Gene aber erfolgt bei den verschiedenen
Generationen in verschiedener Weise, sie erscheint bei den ungeflügelten Generationen weitgehend
gehemmt, und zwar, wie die Temperatur- und Lichtversuche von A. F. Shull
(1928, 29, 30, 31) beweisen, unter dem Einfluß der Umwelt. Diese Hemmung betrifft nun
nicht etwa einzelne Gene, z. B. die Gene für die Fazettenaugenanlage, sondern gleichzeitig
auch andere Gene, z. B. diejenigen für die optischen Ganglien, die Flügel usw. Es liegt
also kein Grund vor, anzunehmen, daß erst infolge des Fehlens der Fazettenaugenanlage
die Realisation des Gens der entsprechenden Ganglien unterbleibt. Wir kennen vielmehr
Fälle, wo trotz des völligen Fehlens der Augen, z. B. bei augenlosen Dorylinen (Werring-
loer 1932) eine Realisation der Gene des Lobus opticus erfolgt. Im allgemeinen allerdings
wirkt sich eine Änderung des Genotypus oder auch eine Hemmung der Realisation von
Genen gleichzeitig auf die Augen u n d auf die dazugehörenden optischen Ganglien aus.
Wir müssen annehmen, daß es dieselbe Grundursache ist, welche sowohl eine Veränderung
der Augen als auch der dazugehörenden Ganglien bewirkt. So ist es zu verstehen, daß es
experimentell nicht gelingt, durch willkürliche Veränderung (Entfernung) der Augen eine
Veränderung der entsprechenden Ganglien herbeizuführen.
II. E n t f e r n u n g d e r A n t e n n e n .
Die Versuche von Titschack an der Bettwanze ergaben so eindeutige Ergebnisse, daß
an ihrer allgemeineren Bedeutung nicht gezweifelt werden konnte. Meine Versuche an
Pentatoma und Syromastes ergaben ein ganz entsprechendes Resultat. Bei Entfernung der
Antenne erfolgte stets nur eine Degeneration im sensorischen Teil des Deuterocerebrums.
Zoológica. Heit 93. 11