Hella unerläßlich. Fehlt dieser Faktor, so verläuft die Entwicklung und das Wachstum
stark gestört. Die Tiere bleiben klein und kümmerlich und gehen bei sehr verzögerter
Entwicklung lange vor der Verpuppung ausnahmslos zugrunde.
So sind Vitamine nicht nur für die höheren Tiere, sondern auch höchstwahrscheinlich
für die Entwicklung der Insekten lebensnotwendig.
Die erste Vermutung, daß Vitamine für die Normalentwicklung der Insekten unerläßlich
sind, kam Verfasser schon vor etwa 12 Jahren, als er mit den praktischen und
wissenschaftlichen Versuchen von E. Titschack bekannt wurde. Titschack erkannte
schon damals die Wichtigkeit gewisser „Zusatzstoffe“ zur Keratinnahrung für die Normalentwicklung
der Kleidermotte. Verfasser vermutete dann in diesen Zusatzstoffen Vitamine.
E r hat in seinen Untersuchungen über A. fasciatus seit 1928 diesen Fragen besondere
Aufmerksamkeit geschenkt und ist dem Problem im Versuch nachgegangen.
1931 zeigten M. D. Sweetman und L. S. P almer in ihren Versuchen an Tribolium
confusum Du yal, daß Insekten sehr fein auf Vitamine reagieren, sogar viel feiner als
Warmblüter. Es ergab sich auch hier, daß der wirksame Faktor Vitamin B ist, das zur
Entwicklung unumgänglich notwendig ist. A. K och (1933) glaubt auch, daß für die Entwicklung
von Sitodrepa panicea Vitamine nötig sind, die in der Hefe enthalten sind. Als
Vitaminquellen sollen im normalen Leben die Symbionten (Saccharomyceten) dienen*).
Bei künstlich symbiontenfrei gemachten Tieren ist keine Normalentwicklung mehr möglich.
Die Sitodrepa-Larven verkümmern und bleiben winzig klein. Der Symbiontenmangel
läßt sich aber völlig durch Verabreichung von Hefe ersetzen. Nach Hefezusatz entwickeln
sich die Brotkäferlarven ganz normal. K och sieht den wirksamen Faktor in dem thermostabilen
Wachstumsfaktor der Hefe (dem HG’Faktor nach K ollath). Verf. hält es
keineswegs für ausgeschlossen, daß unser vitaminartiger „Zusatzstoff“ = ZT mit dem HG-
Faktor identisch ist.
*) E. R ie s (1931) vermutet auch, daß den Symbionten der Läuse und Federlinge eine Bedeutung für die Lieferung von
vitaminähnlichen Stoffen an den Wirt zukommt. Dabei ist es für uns besonders interessant, daß die Mallophagen auch
Keratinfresser sind. Die reine Keratinnahrung scheint also einer Ergänzung zu bedürfen, um als vollwertige Nahrung ausgenutzt
werden zu können; und diese Ergänzungsstoffe liefern die Symbionten. Daß die Symbionten direkt wohl nichts mit
der Verdauung bzw. dem Aufschluß des Keratins zu tun haben, geht daraus hervor, daß durchaus nicht alle Mallophagen,
die Keratin fressen, solche besitzen. Gerade die Mallophagen, die wie die Amblyceren neben Federn auch Blut zu verdauen
vermögen, besitzen keine Symbionten. Auch bei den Trichodectiden, die „neben Epidermisderivaten der Säugetiere alle möglichen
Partikel, .die das Fell der Wirtstiere verunreinigen,“ aufnehmen, sind bisher keine symbiontischen Einrichtungen
nachgewiesen worden.
Damit gewinnt das Symbiontenproblem für die Ernährungsphysiologie ein neues, ganz außerordentliches Interesse,
da es nun wahrscheinlich wird, daß Vitaminsubstanzen —die dem Vitamin B-Komplex angehören —- durch Vermittlung von
Symbionten bei zahlreichen Insektengruppen eine lebenswichtige Rolle spielen. So sieht auch M a n f r e d A s c h n e r (1931)
die Leistung der Symbionten bei hämophagen Arthropoden, die während ihrer ganzen Entwicklung ausschließlich von sterilem
Blut leben, in der Produktion vitaminähnlicher Substanzen, „von denen es ja feststeht, daß sie durch Bakterien und Hefen
produziert werden können“. A s c h n e r weist darauf hin, daß W ig g l e s w o r t h (1929) in einer Arbeit „Digestion in the Tsetse-
Fly“ ganz ähnliche Ansichten „über die Bedeutung der Symbiose bei blutsaugenden Insekten entwickelt“ hat.
Es ist auch bekannt, daß man Fliegenmaden — Phormia regina, Lucilia sericala und L. cnesar — bei steriler Fleischnahrung
nicht züchten kann, daß aber ein Zusatz von Hefe auch bei steriler Nahrung die Aufzucht ermöglicht (H a s e , 1932).
Unter normalen Umständen sind also die Bakterien die Vitaminproduzenten. In steriler Nahrung müssen die Vitamine dagegen
künstlich zugesetzt werden.
Bei den Keratinfressern spielen die Bakterien als Vitaminproduzenten scheinbar keine große Rolle. E. T it s c h a c k
(1931) konnte wenigstens bei Tineola. biselliella den Beweis führen, daß unter sterilen Bedingungen — also auch bei steriler
Wollnahrung — die Motten sich ganz normal vom Ei bis zum Schmetterling aufziehen lassen, wenn die Wolle künstlich —
vor der Sterilisation — beschmutzt war.
Ob Tineola biselliella und Anthrenus fasciatus Symbionteneinrichtungen besitzen, ist übrigens bisher noch nicht
nachgewiesen.
Zur endgültigen Klärung dieser interessanten ernährungsphysiologischen Fragen
wird es noch weiterer eingehender Untersuchungen bedürfen. Doch ist es nach den bisher
vorliegenden Versuchen sehr wahrscheinlich, daß auch für das Leben und die Entwicklung
der Insekten Vitamine nötig sind, und daß der vitaminartige Wachstumsfaktor m
dem inhaltreichen Vitamin B enthalten ist.
Verf hat auch Versuche mit verschiedenen Salzen und Salzgemischen angestellt. Bier
soll darüber nur kurz gesagt werden, daß Zusätze von Salzen und Salzgemischen zur
Wolle ohne den ZT-Faktor die Nahrung nicht verbessern. In Verbindung mit dem vitaminartigen
ZT-Faktor können aber auch Salze für die Entwicklung von Bedeutung werden.
Da diese Versuche noch nicht abgeschlossen sind, soll in dieser Arbeit darüber noch nicht
berichtet werden. . , , T ■ A
Vertieft man sich in das Studium der Ernährungsphysiologie der Insekten, so wird
einem überzeugend klar, wie wenig exakte und genaue Kenntnisse w ir von diesen Vorgängen
besitzen. Bei längerer Beschäftigung mit den Fragen der Ernährung ahnt man erst den
gewaltigen Umfang und die Bedeutung des Problems, selbst wenn man noch die feineren
chemischen Vorgänge bei der Verdauung ganz unberücksichtigt läßt.
Zusammenfassend kann nach den Versuchen über die Qualität der Nahrung gesagt
werden: •
1. Auf fabrikneuem Wollstoff, also auf Keratin ohne „Zusatzstoffe (ZI), ist eine
Normalentwicklung von der Eilarve bis zum Käfer bei Anthrenus fasciatus nicht möglich.
Die Tiere sterben lange vor dem Puppenstadium ab. Sie machen stets einen kümmerlichen
und schwachen Eindruck. In der Größe entsprechen sie meist Zwei- oder Drei-
häutern.
2. Auch wenn die „Zusatzstoffe“ in ungenügender Menge der Keratinnahrung zugesetzt
werden, ist eine Normalentwicklung in den allermeisten Fällen nicht möglich. Die
meisten Tiere gehen während oder kurz nach der Häutung ein.
3. Bei mangelhaftem Zusatz von den ZT-Stoffen oder hei gänzlichem Fehlen wird die
Entwicklungszeit ungeheuer stark verzögert.
4. Die Häutungszahl wird unter schlechten Ernährungsbedingungen sehr stark vermehrt.
Dasselbe gilt vom Häutungsintervall.
5. Wenn Tiere sich bei Mangel an ZT-Stoffen doch zum Vollkerf entwickeln, so werden
sie trotz längerer Entwicklungsdauer nicht größer und schwerer als bei reichlicher
Gegenwart von ZT-Stoffen (100% ZT).
Die Versuche über die Qualität der Nahrung sind auch in anderer Hinsicht recht interessant.
Es ist sicher sehr merkwürdig, daß bei 12,5% ZT 4 ^ 4 Tiere, bei 25% ZT gar keine,
bei 50% nu r 2 Tiere schlüpften. Eine Verwechselung liegt nicht vor. Man konnte die
Wollappen mit verschiedenen Konzentrationen sehr leicht an dem mehr oder minder hellen
bzw. dunklen Farbton unterscheiden. Auch spielen Unegalitäten bei der Behandlung
mit ZT-Stoffen bestimmt keine ausschlaggebende Rolle. Die 50% ZT-Tiere gleichen zwar in
Größe und Schwere der Käfer, in Häutungszahl und Entwicklungszeit den 100% ZT-
Tieren. F ü r die 12,5%- ZT-Tiere sind aber die Zahlen wesentlich anders und deuten einwandfrei
auf eine bedeutende Verschlechterung der Ernährungsbedingungen hin.
Wir glauben vielmehr, daß für das unterschiedliche Verhalten einzelner Tiere innere
Faktoren verantwortlich zu machen sind, die man die „Individualität“ nennen darf. Die
Äußerungen der Individualität in den hier untersuchten physiologischen Funktionen wer