
Spezieller Teil.
1. Ordnung: Holotricha.
Die holotrichen Ciliaten stellen die bei weitem überragende Mehrzahl der trichocysten-
führenden Gattungen. Man kann beinahe sagen, daß die Trichocysten das charakteristische
Organell dieser Ordnung sind. Unter insgesamt 143 Gattungen, die K ahl in dieser Ordnung
aufzählt, befinden sich 83, für die er die Anwesenheit von Trichocysten erwähnt. Von diesen
habe ich Vertreter von 38, also nahezu der Hälfte der in Frage kommenden Gattungen
in der vorliegenden Arbeit beschreiben können. Es ist dieses eine beträchtliche Zahl,
wenn man berücksichtigt, daß viele der Gattungen nur selten und zufällig beobachtet werden
können. Mit Ausnahme der Familie der Philasteridae habe ich wenigstens Vertreter
aller Familien der holotrichen Ciliaten beschreiben können.
Da die Kenntnis meiner früheren Arbeiten über die Trichocysten von Paramecium cau-
datum, Frontonia leucas und Prorodon Voraussetzung für ein Verständnis der vorliegenden
Arbeit ist, diese Voraussetzung aber nicht von jedem Leser erwartet werden kann, habe
ich die wichtigsten Ergebnisse dieser drei früheren Untersuchungen an Hand der charakteristischsten
normalen und pathologischen Bilder und der Schemata an der in Frage kommenden
Stelle im speziellen Teil wiederholt. Ich habe mich hierbei natürlich sehr kurz gefaßt
und muß für die eingehendere Beweisführung auf die früheren Arbeiten selbst verweisen.
1. Unterordnung: Gymnostomata.
Tribus: Prostomata.
Familie: Holophryidae.
Gattung: Prorodon.
Abweichend von der üblichen Anordnung stelle ich die Gattung Prorodon voran, um
auf dem Wege über eine kurzgefaßte Wiederholung meiner Untersuchungsergebnisse über
den Bau der Trichocysten einiger Prorodon-Arten (Pr. margaritifer, Pr. edentatus, Pr.
teres) das Verständnis für die übrigen Trichocysten, die in den beiden Tribus: Prostomata
und Pleurostomata gefunden wurden, zu erleichtern, es handelt sich bei ihnen allen um die
von mir als „nesselkapselähnlich“ bezeichneten Trichocysten.
Die genaue Bestimmung der Prorodon-Arten bereitete in den meisten Fällen die größten
Schwierigkeiten, da eine volle Übereinstimmung mit den von K ahl gegebenen Merkmalen
nur selten gefunden wurde. Es handelt sich eben um außerordentlich ähnliche Formen.
Ich habe außer bei den hier beschriebenen A rten noch bei zahlreichen anderen Trichocysten
beobachten können. Ich lasse sie in dieser Beschreibung unberücksichtigt, weil ich
die zugehörigen Tiere nicht genügend genau untersucht habe.
Prorodon margaritifer Clap. u. L.
Die ruhenden Trichocysten sind meist leicht gekrümmte Stäbchen von etwa 11 12 [i
Länge, die sieh durch Zerquetschen der Tiere unter Zusatz von Magnesiumsulfatlösung
leicht isolieren lassen. Sie bieten in der Beziehung eine Besonderheit, daß sich in ihrem
Inneren stets ein gewellter Faden naehweisen läßt und dieser nicht wie in der Mehrzahl
der sonstigen Fälle nur in geschädigten Trichocysten sichtbar ist.'Vorder-und Hinterende
der Buhestadien sind durch ein intensiv aufleuchtendes Granulum ausgezeichnet (Abb. la ).
Ausgeschleuderte Trichocysten waren durch Beizung der lebenden Tiere mit dem konzentrierten
Lichtkegel des Dunkelfeldkondensors zu erhalten. Sie lassen einen stäbchenförmigen
Abschnitt, der am Vorder- und Hinterende durch ein stärker auf leuchtendes Granulum
begrenzt wird, und der durch das intensiv bläuliche Aufleuchten seiner Wandungen
besonders auffällt und den ich als „K a p s e 1“ bezeichnete (Abb. 1 b, a) unterscheiden von
dem dünneren „ T r i c h o c y s t e n f a d e n “ (Abb. lb ^ ) . Der ziemlich breite, zwischen den
bläulichen Wandungen der Kapsel liegende Teil ist optisch leer und zeigt keine Strukturen.
Der Trichocystenfaden ist so schmal, daß man nicht mit Sicherheit sagen kann, ob er
seinem Innern von einem dunklen Gang durchzogen wird oder ob er als Ganzes aufleuch-
tet. F ü r ersteres Verhalten sprechen gefärbte Präparate.
Die Kapsel der ausgeschleuderten Stadien ist etwa I p ! ® . lang, entspricht also genau
den Kuhestadien, während der Trichocystenfaden mit etwa 23§|Länge doppelt so lang ist
wie die Kapsel. Diese Übereinstimmung zwischen der Länge der Kapsel mit der der Buhe-
stadien, sowie die geradzahlige Beziehbarkeit der Länge des Trichoeystenfadens zur Länge
der Kapsel werden wir immer wieder bei den von mir als „nesselkapselähnlich“ bezeichn
t e n Trichocysten wiederfinden. Ebenso ist das bläuliche Aufleuchten der Wandungen der
Kapsel eine diesem Abschnitt fast ausnahmslos zukommende Eigenschaft, die ihn stets leicht
kenntlich macht.
Die direkte Beobachtung der Explosion sowie pathologische Stadien zeigen einwandfrei,
daß bei diesen Trichocysten die Explosion durch Ausschleuderung des Trichocysten-
fadens aus der als Kapsel erhalten bleibenden ruhenden Trichocyste erfolgt. (Siehe die
Abb. 2 b d, die sich auf Prorodon edentatus beziehen, deren Trichocysten aber abgesehen
von der Länge vollkommen mit denen von Pr. margaritifer übereinstimmen.)
Auch bei den unvollständigen Explosionsstadien dieser Art ist die Analyse des Aus-
sehleuderungsvorganges in gleicher Weise, wie ich sie für Prorodon edentatus beschreibe
möglich.
Prorodon edentatus Clap. u. L.
Diese Art war durch ihr gelegentliches Massenauftreten in einigen Warmwasseraquarien
des Institutes besonders geeignet zur Untersuchung ihres Feinbaues an pathologischen
Stadien, die in größerer Zahl erhalten werden konnten. Abbildung 2 zeigt eine Auswahl von
solchen neben einer normal ausgeschleuderten Triehocyste, die, wie man sieht, abgesehen
von den Maßen vollkommen denen von Prorodon margaritifer entspricht.
Die pathologischen Stadien, bei denen der Faden zu einem Viertel seiner Gesamtlänge
oder weiter ausgeschleudert ist, lassen, wie schon erwähnt, eine interessante Analyse des
Ausschleuderungsvorganges zu. Bei allen Stadien nämlich, bei denen der Trichocystenfaden
entgegen der Erwartung kürzer ist als die doppelte Kapsellänge, findet man nämlich am
Vorderende einen stark aufleuchtenden Abschnitt, der in der Begel genau so lang ist wie
der dem ausgestülpten Faden fehlende Teil. Bei Stadien, bei denen der Faden zur Hälfte