
Möbelbezug vielfach Verwendung findet, und das nach unseren Untersuchungen selbst unter
den allerschärfsten Bedingungen von Tineola biselliella überhaupt nicht angegangen
wurde, wurde in allerkürzester Zeit von A. fasciatus vollkommen zerstört (Herfs, 1932).
Auch Rinderhörner, die ebenso von Tineola nicht angegangen wurden, wurden von A. fasciatus
in kurzer Zeit quantitativ auf gef ressen (Abb. 30). Hier liegt ein bedeutungsvoller
Unterschied im Verhalten von A. fasciatus und Tineola biselliella. A. fasciatus ist H a rthornfresser,
Tineola nicht. Die verschiedenen Arten des Keratins werden dabei in gleicher
Weise von A. fasciatus gefressen (siehe Unna, 1908). Auffallend ist, daß echte Seide als
Nahrung nicht in Frage kommt, was Titschack auch bei Tineola feststellte. Nun werden
in der Literatur Anthrenus-Arten mehrfach als Seidenfresser erwähnt. In den allermeisten
Fällen handelt es sich um Angaben, in denen festgestellt wird, daß Seide von Anthrenus-
Larven durch Fraß beschädigt wurde. Es wird dagegen nicht festgestellt, ob eine Entwicklung
auf dem Seidenmaterial erfolgt (The Clothes beetle, 1918, Yokoyama, 1929).
Im Gegensatz zu diesen Angaben berichtet Abderhalden (1925), daß Anthrenus mus-
corum (Kab in ettsk äfe r)^S so ll wohl heißen: Anthrenus museorum g^j- sich auf Kokons
des Seidenspinners entwickelte.
„Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine ganze Reihe von Generationen dieser Käferart, wobei als einzige Nahrung
die Bestandteile der genannten Kokons in Frage kamen. An Stelle des erwähnten „Nahrungsmittels“ wurde den Larven
reiner Seidenfaden (Seidenfibroin -|- Seidenleim) dargeboten. Auch auf dieser Nahrung gediehen die Larven recht gut. Auf
Wolle (Keratin), Gelatine, einem Gemisch von verschiedenartigen Aminosäuren, gelang es nicht, die Larven zu züchten.
Interessanterweise war für die Käfer auch das reine Seidenfibroin auf die Dauer als einzige Nahrung nicht ausreichend.
Mit Casein gelang es, die Larven längere Zeit am Leben zu erhalten. Nur wenige davon verwandelten sich jedoch in Käfer.
Von den verwendeten Seidenarten erwies sich eine als gänzlich ungeeignet. Es war dies eine aus Kanton bezogene, Tailung
genannte Seidenart. Sie zeigt eine ganz andere Zusammensetzung als das gewöhnliche Seidenfibroin. Ferner ist sie außerordentlich
schwer angreifbar. Ein kleiner Versuch, die Larven auf der Seide der Vogelspinne zu züchten, hatte ein positives
Ergebnis.
Die Seide besteht nun in der Hauptsache aus den Aminosäuren Glykokoll, Alanin, Tyrosin und Serin. Daneben finden
sich kleine Mengen von Leucin, Phenylalanin, Prolin, Arginin, Lysin und Histidin. Aus diesen Produkten gehen nun all die
verschiedenartigen Körpersubstanzen der Larve und des Käfers hervor. Es müssen Fette und Kohlehydrate gebildet werden
und vor allen Dingen in größerem Maßstabe die Bausteine des Chitins. Das verabreichte Futter (Seidenfibroin) war völlig
frei von Fett und Kohlehydraten. Nun ergab die Analyse der Käfer, daß sie Schwefel enthalten und zwar etwa 0,5%. Auch
konnte ich aus ihnen Eiweiß abscheiden, das ganz deutlich eine positive Schwefelbleiprobe gab. Es entstand nun die Frage,
woher der festgestellte Schwefel stammt. Die Untersuchung des verfütterten Seidenfadens ergab, daß in diesem, wenn auch
in geringer Menge, Schwefel enthalten ist. Der Seidenfaden enthält auch Aschenbestandteile, die dann von den Larven übernommen
werden können. Der Versuch, mittels der den Larven zur Verfügung stehenden Verdauungssäfte unter dem Mikroskop
eine Auflösung von Seidenfaden bzw. von Leim und Fibroin herbeizuführen, hatte kein bestimmtes Ergebnis. Wurde
der Seidenfaden möglichst fein zerkleinert, dann schien eine Einwirkung stattzufinden. Aus den gemachten Beobachtungen
geht hervor, daß es Organismen gibt, die von Seide leben können. Sie sind in Parallele mit jenen Organismen zu stellen, die
Keratinsubstanz als Nahrung aufnehmen.“
Diese Angaben von Abderhalden stehen im Gegensatz zu unseren Erfahrungen.
Wir konnten auf keiner Seidenart A. fasciatus auch nur von der Eilarve bis zum Käfer
ziehen, geschweige ihn „eine ganze Reihe von Generationen“ züchten. Das gleiche Resultat
erhielten wir für A. verbasci. Leicht ist A. fasciatus dagegen auf allem möglichen Woll-
material zu ziehen. Nicht zu verwundern wäre es, wenn sich Anthrenus auf Seidenkokons
entwickelte, die nicht gereinigt sind und evtl. noch Reste der Seiden wurmpuppe enthalten.
Auffallend ist aber, daß die Larven auf reinen Seidenfäden (Seidenfibroin und Seidenleim)
gut gediehen. Um ein einwandfreies Resultat zu erhalten, ist es in solchen Versuchen
unbedingt nötig, daß man mit isolierten Einzeltieren arbeitet, da sämtliche Anthrenus
Arten die eingegangenen Artgenossen gern fressen. Im Versuch mit mehreren Larven
kann eine Entwicklung auf Seidenmaterial leicht vorgetäuscht werden, wenn die Tiere die
Leichen ihrer eignen Artgenossen fressen und sich mit dieser Nahrung weiter entwickeln.
Verfasser stellt aber ausdrücklich fest, daß er nicht mit Anthrenus museorum gearbeitet
ha t Da es sich bei ABDERHALDENS Material um eine andere Art handelt, ist natürlich
ein physiologisch anderes Verhalten dieser Art gegenüber A. fasciatus nicht ganz ausgeschlossen
obwohl Verfasser nach seinen Erfahrungen mit anderen Anthrenus-Arten dies
nicht für' sehr wahrscheinlich hält. Bei dem großen Gewicht, das Abderhaldens Urteil
gerade in chemisch-physiologischen Fragen besitzt, sind seine Mitteilungen besonders beachtenswert.
Aus diesem Grunde wurden seine Angaben hier eingehend behandelt, um sie
gleichzeitig einer erneuten Nachuntersuchung dringend zu empfehlen. Es wäre dabei auch
auf ein sorgfältig und einwandfrei bestimmtes Tiermaterial besonderer Wert zu legen, einmal
werden die Anthrenus-Arten — vorzüglich die LarvenBHmiteinander verwechselt
(gerade A. verbasci wird häufiger mit A. museorum verwechselt), dann aber verhalten sich
möglicherweise die verschiedenen Arten in der Ernährungsphysiologie nicht ganz gleich.
2. Qualität der Nahrung.
Im vorhergehenden Kapitel wurde behandelt, welche Substanzen als Nahrung für
Anthrenus fasciatus geeignet sind, und dabei festgestellt, an welchen Materialien die
Entwicklung von der Eilarve bis zur fertigen Imago möglich ist. Die Frage nach der Art
der Nahrung ist damit aber noch nicht erledigt. Es wurde z.B. festgestellt, daß die Horn-
substanz, also das Keratin, die eigentliche, vielleicht überhaupt die geeignetste Nahrung
für Anthrenus fasciatus ist. Es wurde also erwiesen, daß Anthrenus fasciatus ein spezieller
Hornfresser ist*), und die kleine Gruppe der hornfressenden Insekten um diese
Käferart vermehrt. Nun ist aber die Hornsubstanz nicht eine einheitliche Substanz. Man
unterscheidet hier schon verschiedene Arten von Keratin, A, B und C (vgl. Unna, 1908).
Es konnte gezeigt werden, daß Wolle, Federn, Federkiele, Hornspäne, Kuhhörner, Roßhaar,
daß also alle drei Keratin-Arten, A, B und C, geeignete Nährstoffe darstellen.
Man muß aber berücksichtigen, daß auch mit dieser Feststellung die Frage noch nicht
als erledigt betrachtet werden darf. Wenn auch die verschiedenen hornhaltigen Materialien
die Entwicklung ermöglichen, so bedingen sie doch große Unterschiede, z.B. in der
Entwicklungsgeschwindigkeit, Häutungszahl, Größe und Schwere der Imago usw.
Nicht alle Hornsubstanzen sind also als Nahrung gleichwertig. F. ZACHER (1927) gibt
an, daß die Kleidermotte sieh auf Federmaterial bedeutend schneller entwickelt als auf
Wolle. Diese Angabe ist aber nur zum Teil richtig und darf durchaus nicht verallgemeinert
werden; denn unter den Wollmaterialien bestehen ganz bedeutende Unterschiede, die
*) J o r d a n (1913, S. 506) spricht von echten („obligaten“) Hornfressern. Hier soll der Ausdruck „obligat“ vermieden
werden, denn dieser Begriff schließt doch eigentlich ein, daß Hornnahrung zum Leben und zur Entwicklung unumgänglich
notwendig ist. Das trifft aber schon für Tineola biselliella nicht zu. E. T it s c h a c k (1922, S. 82) gelang die Aufzucht vom Ei
_fis zur Imago auch auf Mehl, Eialbumin, Fischmehl, Krötenfleisch, einem Eigelb-Stärke-Zuclterpräparat. Auf Grießmehl zog
sie W. B ak u (1924). Uns gelang ebenso die Aufzucht von Tineola vom Ei bis zur Imago auf Grießmehl und toten, trockenen
Insekten. Allerdings waren die Grießmehltiere sehr klein und kümmerlich.
Wie im vorhergehenden Kapitel gezeigt wurde (siehe S. 7), ist auch bei A. fase, eine Entwicklung auf Grießmehl, Insekten
usw. möglich. Auch hier läßt sich also die Hornsubstanz durch andere Substanzen ersetzen. Das gilt auch, wie oben
gezeigt wurde (siehe S. 6), nach den Beobachtungen anderer Autoren für Anthrenus verbasci, A. scrophulariae und Al-
tagenus piceus.
Echte Hornfresser sind zweifellos Tineola biselliella und in noch verstärktem Maße Anthrenus fasciatus, die man auf
dem verschiedensten Hornmaterial, auf Wollstoffen vom Ei bis zur Imago Generationen hindurch kultivieren kann. Obligat
ist für alle diese Hornfresser die Keratinnahrung aber nicht. Sie läßt sich eben durch gewisse andere Stoffe ersetzen. Darum
sollte man hier von speziellen oder echten, nicht aber von obligaten Hornfressern sprechen. Ob Tinea vaslella obligater
Hornfresser ist, entzieht sich der Erfahrung des Verfassers.
Zoologica, Heft 90. "
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