
Offenbar sind die Wirkungen der Carbohydrasen noch weitgehender spezifiziert als
diejenigen der proteolytischen Enzyme, sodaß die Substratwahl nach b i o l o g i s c h e n
Gesichtspunkten außerordentlich erschwert wird. Da wir hinsichtlich der Beschaffenheit
der Carbohydrasen und ihrer Vergleichbarkeit mit denen der Wirbeltiere noch völlig
im Dunkeln tappen, so wollen wir auch in diesem Falle die auf S. 81 angegebenen Umschreibungen
durch „Enzymkomponenten“ wählen und beispielsweise von einer stärkespaltenden
Komponente des Magensaftes sprechen, wenn Amylum verdaut wird.
F ü r die q u a n t i t a t i v e n B e s t im m u n g e n eigneten sich die durch Schoorl abgeänderte
Reduktionsmethode nach Bertrand [vgl. Wiersma und van der Veen (1928,
S. 271) und R omijn (1935, S. 418)] und die Blutzuckerbestimmung nach Hagedorn und
J ensen [vgl. Rona (1926, S. 153) und Krüger (1926, S. 284)] am besten. Da die letztgenannte
Methode im Physiologischen Institut zu Hamburg besonders gut durchgebildet
war, benutzte ich sie zur Bestimmung der Optima*).
Die in der Anwendung sehr einfache Hypojodit-Methode nach Willstätter und
Schübel [vgl. Rona (1926, S. 155)] sei hier erwähnt, da sie W olvekamp (1928) zu seinen
Bestimmungen über die Kohlehydratverdauung im Darme der Schildkröte sehr geeignet
fand. Ich habe sie nur für einige Vorversuche benutzt.
Da, wie auf S. 93 bereits erwähnt, Hirsch (1915) eine cellulosespaltende Komponente
im Darme der fleischfressenden Schnecke Mur e x . trunculus nicht mit Sicherheit
nachweisen konnte, hielt ich es für geboten, auf dieselbe bei Buccinum zu prüfen, obgleich
ihr Vorhandensein unwahrscheinlich ist. Ausschlaggebend war für mich in erster Linie
das biologische Experiment. Daher versuchte ich, den Tieren Grünalgen mit besonders
dicken Cellulosezellwänden zu verfüttern. Cladophora wurde aber von ihnen entschieden
abgelehnt. Sobald die Stücke bei Zwangsfütterung mittels einer Pinzette in das Pharyn-
gostom hineingeschoben worden waren, traten die auf S. 42 beschriebenen Abwehrbewegungen
der Radula auf. Nur wenn ich die Pflanzenteile in Fischfleisch hüllte, gelang es,
sie zu verfüttern. Auch TJlva wurde nicht angerührt.
Das mit Cladophora gefütterte Tier kotete nach 23 Stunden. Dabei wurden die Algenstücke
fast unverändert wieder ausgeschieden. Nur an den Schnittflächen waren die Zellwände
etwas gequollen, als ob sie längere Zeit in Seewasser, verdünnten Laugen oder
Säuren gelegen hätten, sonst war kein Anzeichen für Celluloseverdauung zu erkennen.
Die Zellinhalte waren höchstwahrscheinlich noch am Leben und nicht einmal aus den
angeschnittenen Zellen war der Chlorophyllkörper herausverdaut. Bei einer zweiten Kot-
entleerung nach 46 Stunden zeigte sich das gleiche Bild. Zwar waren die Zellinhalte abgestorben,
aber die Chlorophyllkörper waren noch erhalten. In beiden Proben fiel die
Jod-Jodkalium-Schwefelsäure-Reaktion auf Cellulose positiv aus.
Dasselbe Ergebnis zeitigten Versuche mit reinem Magensaft, der von 15 Tieren
stammte.
Ansatz: Magensaft + einige Tropfen Chloroform -p 5 cm Catgut (zur Kontrolle, ob der
Saft überhaupt wirksam ist) + einige Stücke Cladophora.
Dieser Ansatz kommt in einem Uhrschälchen, welches durch ein zweites Uhrschälchen
bedeckt ist, in den Thermostaten bei 37° C.
Untersuchung nach 24 Stunden: Catgut zerschmolzen, Zellwände erhalten, Cellulosereaktion
positiv.
*) Der e rfah ren en Laborantin Frl. Storm bin ich fü r d ie tatkrä ftige Unterstützung bei diesen Bestimmungen zu
außerordentlichem Danke verpflichtet.
Untersuchung nach 66 Stunden: Gleiches Ergebnis wie nach 24 Stunden.
Schließlich wurde ein Versuch mit Zwiebelhäutchen nach Hirsch (1915, S. 404) angesetzt.
Die Häutchen, welche die Schichten einer Zwiebel trennen, wurden in kleine
Stücke geschnitten, 24 Stunden in eine 0,5?Mge Karminlösung gebracht, gründlich gespült
und in Glyzerin eingelegt.
Der Magensaft wurde drei Tieren entnommen, welche bereits drei Stunden verdaut
hatten. Dazu gab ich den Saft eines Hungertieres, um sicher ein Gemisch verschiedener
„Stufen“ im Sinne Hirschs zu verwenden.
Ansatz: 3 ccm Magensaft (filtriert) + 3 ccm Chloroform + 5 cm Catgut + Zwiebelhäutchen.
Im bedeckten Uhrschälchen in den Thermostaten von 36° C.
1. Prüfung nach 17 Stunden: Catgut zerreißt leicht. Zwiebelhäutchen völlig unangegriffen
(mikroskopische Prüfung).
2. Prüfung nach 48 Stunden: Wie unter 1.
3. Prüfung nach 96 Stunden: Wie unter 1.
Aus diesen Versuchen ist zu schließen, daß keine Anzeichen einer cellulosespaltenden
Enzymkomponente im Magensafte von Buccinum festzustellen sind. Dieses Ergebnis
stimmt mit dem überein, welches wir später auch für die Mitteldarmdrüse berichten
werden*).
Neuere Untersuchungen [Graetz (1929 a) und Ullmann (1932)] haben gezeigt, daß hinsichtlich
der enzymatischen Aufspaltung von S t ä r k e ein großer Unterschied darin besteht,
ob das Substrat in Form von Stärkekörnern oder von löslicher gekochter Stärke
vorliegt. Beim Stärkekorn schließt eine Hüllsubstanz von Amylopectin, welche durch die
Amylasen der Wirbellosen nicht angegriffen wird, die Innensubstanz aus Amylose ab.
Es zeigte sich ferner, daß Glykogen ebenso wie gekochte Amylose enzymatisch leicht gespalten
wird, so daß man neuerdings sogar Amylase und Glykogenase für identisch hält.
Da der enzymatische Abbau hochmolekularer Kohlehydrate bei unserer fleischfressenden
Schnecke hauptsächlich den Glykogengehalt der Beutetiere betreffen wird, benutzte ich
in allen Versuchen 1% gekochte lösliche Stärke in 1% NaCl-Lösung zum Aktivieren als
Substrat.
Zur allgemeinen Orientierung prüfte ich zunächst einen Glyzerinextrakt aus in
geglühtem Quarzsand zerriebener Magenwand im Verhältnis von 1:20 = Magenwand:
Glyzerin. Die Mägen wurden herauspräpariert und peinlich von den anhaftenden Mitteldarmdrüsenresten
gesäubert, auf Fließpapier abgetupft, mit Glyzerin beschickt, zerrieben
und nach einiger Zeit koliert. Selbst wenn die Magenschleimhaut kein Enzym sezerniert,
wie wir nach dem auf S. 54 Dargelegten anzunehmen geneigt sind, befindet sich noch genügend
Enzymmaterial zwischen den Furchen der Magenwand.
Die Bestimmung erfolgte nach der Methode von Schoorl (vgl. S. 94), wobei ich
aber im Gegensatz zu Wiersma und van der Veen (1928) mit n/10 Natriumthiosulfat
titrierte, also eine jodometrische Resttitration und keine oxydimetrische Cu20-Titration
mit Kaliumpermanganat vornahm.
Ansatz: 4 ccm Magenwandglyzerinextrakt + 10 ccm 1/15 mol. Phosphatpuffer (pH
= 5,9) + 30 ccm 1% Stärke + ’ V2 ccm Toluol. 37° C.
*) F ü r die Ü b e rprüfung m einer Ergebnisse an den Cladophora-Stücken und a n den Zwiebelhäutchen bin ich den
Botanikern H e rrn Dr. HoFFMANN-Kiel un d P rivatdozent Dr. ScHMiDT-Berlin zu Danke verpflichtet.