der t a k t i l - c h emi s c h e H o r i z o n t de s T i e r s u b j e k t e s bis zu 10 cm in die Ebene
des Substrates hinausverlegt werden kann, ähnlich wie der chemische Horizont des Mediums
durch die Tätigkeit des Siphos in den Raum hineingebaut wird.
Aus diesem Grunde braucht die N a h r u n g s a u f n a h m e nicht erst dann stattzufinden,
wenn die Beute in Reichweite des vorderen Fußteiles oder der Tentakeln in unmittelbarer
Nähe des Tieres liegt. Wenn das Tiersubjekt durch chemische Reize aktiviert
wurde, kommt es, wie wir auf S. 7 sahen, sogar vor, daß der Rüssel über die Wasseroberfläche
hinaustastet, um Suhstratspuren, die an den Beckenwänden über das eigentliche
Medium hinausweisen, zu verfolgen.
Daraus geht mit Deutlichkeit hervor, daß die Rüsselspitze durchaus in der Lage ist,
ein „Freßding“ taktil-chemisch gegen den Hintergrund des Substrates, auf dem es ruht,
zu umgrenzen. D ie R ü s s e l s p i t z e i s t d a h e r p r i n z i p i e l l b e f ä h i g t , e i n e N a h r
u n g s w a h l zu t r e f f e n .
Schwierig ist die genaue Entscheidung der Frage, wa n n der Rüssel ausgestülpt
wird. Ich hatte ursprünglich vermutet, daß starke Bodenspuren der Beute unter Zuhilfenahme
des Rüssels festgelegt werden. Der auf Abb. 4 dargestellte Versuch spricht nicht
fü r d iese Annahme. Andererseits kommt es nicht selten vor, daß die Tiere bereits in
größerer Entfernung von der Beute mit maximal ausgestrecktem Rüssel herumsuchen.
Meist wird er sofort ausgestülpt, wenn man einem funktionsbereiten Tier ein Beutestück
an das Rhynchostom bringt. Nach meinen Erfahrungen ist dies überhaupt eines der besten
Symptome, um die Schnecken auf ihre Eignung für Fütterungsversuche zu prüfen.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß der R ü s s e l a u f p l ö t z l i c h a u f t r e t e n d e
s t a r k e c h emi s c h e Re i z e in F u n k t i o n g e s e t z t wi rd, ganz gleich, ob es sich
dabei um Reize des Mediums, welche durch die Siphonalrezeptoren, oder um Reize des
Substrates, welche durch die übrige Körperoberfläche aufgenommen werden, handelt.
Auch Copeland (1918) kommt zu diesen Vorstellungen, offenbar waren aber seine
Versuchstiere viel leichter dazu zu bringen, ihren Rüssel auszustülpen, wie meine Well-
hornschnecken.
Der B a u des Rüssels und die bei seinem Heraustreten beteiligten Vorgänge sind
bereits verschiedentlich eingehend beschrieben worden [vgl. Oswald (1894); Amaudrut
(1928) und Dakin (1912)], und sollen daher nur soweit geschildert werden, als es im
Rahmen dieser Untersuchung nötig erscheint.
Auf Abb. 8ai u. a.2 sehen wir den Verlauf des Darmkanals und seiner Anhangsdrüsen,
unter besonderer Berücksichtigung der A u s s t ü l p u n g s - (Abb. 8 ai) und R u h e l a g e
(Abb. 8a2) des Rüssels s c h ema t i s c h dargestellt. Die Zeichnungen sind in Anlehnung an
zwei Abbildungen OSWALDS (1894), dem wir eine sehr gute Darstellung des Rüsselapparates
der Prosobranchier verdanken, vervollständigt. Abb. 8 bi u. b2 zeigt die gleichen Stellungen
des Rüssels von oben [nach J ordan (191.3)].
Aus den Schematen geht sofort mit Deutlichkeit hervor, daß die längliche Spalte,
welche wir beim lebenden Tiere auf der Unterseite des Kopfes zwischen den Tentakeln
während der Ruhelage des Rüssels ohne Schwierigkeit finden, nicht der eigentliche Mund
sein kann. Im Anschluß an Oswald wollen wir diese Öffnung daher mit dem Worte
R h y n c h o s t om bezeichnen. Oben hatten wir schon mehrmals Gelegenheit, uns mit ihr
zu beschäftigen. Sie führt in die Rüsselscheide, einen Hohlraum, in welchem der
zurückgezogene Rüssel verborgen liegt. Die Wandung der Rüsselscheide bildet die am
Rhynchostom umgeschlagene äußere Körperwand, welche am proximalen Ende nach vorn
u m b i e g t und in die äußere Büsselwandij-Rhynchodaeum H übergeht. Ist der Büssel vollständig
ausgestreckt (Abb. 8ai u. bi), so liegt an der Übergangsstelle von Seheidenwandung
und Rhynchodaeum ein leicht zu erkennender Muskelring von rotbrauner Farbe, welcher
durch Kontraktion das Zurückfließen des in den Büssel gepreßten Blutes verhindert und
Tentakel Rückziehmuskeln des Rüssels
Rüsselscheide, beweglicher After Enddarm
Tèi! ihrer Wand gestri dielt ^ |
Mitteldarmdrüse mit Öffnung
mit Öffnung
Magenkappe
Magenausgang / Magensack
Leibleindrüse
Rhynchostom— --.
i m m
Öffnung des Unken Vorder-
darmdrüsenausführganges
Rotbrauner
Muskelring
Vorderdarmdrüse
m it Ausführgang / Vorderdarm
Mitteldarm
Mageneingang
Caecum
Abb. 8a4 u. 2: Schema des Dannkanals von Buccinum undatw.
Oben: ausgestülpter Rüssel. Unten: eingezogener Rüssel. [In Anlehnung an (
on der linken Seite.
: Abbildung von O s w a l d (1894).]
Vorderdarmdrüsen m it Ausführgängen
Rüsselscheide, beweglicher
Teil ihrer Wand schraffiert
Mündungen der Vorderdarmdrüsengänge Rharynx voroeroarm
Rüssels und seiner Scheide von Buccinum undatum L. Von oben s
Rüssel. Unten: eingezogener Rüssel. [Nach J o r d a n ( 1 9 1 3 ) .]
ihm dadurch seine Festigkeit verleiht. Infolge seines Muskelsystems behält er trotzdem
eine große Beweglichkeit und kann daher in alle Bitzen und Spalten eingeführt werden.