
G. Zusammenfassung.
1. Die mo r p h o l o g i s c h e Untersuchung des Nervensystems der Rhynchoten ergab, daß
Vertreter derselben Familie weitgehende Übereinstimmung bezüglich des Grades der
Ganglienkonzentration aufweisen und daß verwandte Familien eine ähnliche Konzentration
des Nervensystems zeigen (Tabelle 1). Der Grad der Ganglienkonzentration kann
somit als systematisches Merkmal verwendet werden. Eine kurze Zusammenfassung
der diesbezüglichen Ergebnisse wurde Seite 18 f. gegeben.
2. Do p p e l a u g e n sind bei den Rhynchoten sehr verbreitet. Eine vollkommene Trennung
der Augenhälften tritt auf bei den Aleurodinen und den Männchen der Cocciden. Bei
den Wasserwanzen unterscheidet sich die dorsale Augenhälfte von der ventralen durch
verschiedene Anordnung der Sehzellen und verschiedene Pigmentierung. Die Duplizität
der Augen der Pentatomiden ist durch das Auftreten von zwei Retinafaserbündeln
bewiesen.
Die Psylliden weichen in der Dreizahl ihrer Kristallzellen von allen ändern Rhynchoten
ab.
Die imaginalen A u g e n d e r C o c c i d e nmä n n c h e n müssen als stark abgeänderte
unicorneale Fazettenaugen aufgefaßt werden.
Die L a r v e n a u g e n der Aleurodidae, Aphidae und Coccidae sind frühzeitig differenzierte
Teile der Fazettenaugenanlage. Sie bestehen aus drei Einzelommatidien, welchen
eine gemeinsame Linse (Coccidae) zukommen kann. Sie werden durch zwe i larvale
optische Ganglien innerviert.
Die Entwicklung der drei imaginalen optischen Ganglien erfolgt unabhängig von den
larvalen Ganglien. Sie entstehen nicht durch Spaltung einer undifferenzierten Ganglienmasse
(H a n s t r ö m ) , sondern durch Neubildung.
3. Durch Anwendung spezifischer Methoden konnte eine weitgehende An a l y s e des
G e h i r n s je eines V ertreters der Geocorisae, Hydrocorisae und der Homoptera durchgeführt
werden.
Die bei den Landwanzen gefundenen Neurone der Lo b i o p t i c i sind in Abbildung 32
in schematischer Weise dargestellt.
Alle Retinafasern endigen im I. Ga ngl ion. Bei den Landwanzen konnte nur eine Art
von Retinafasern festgestellt werden, bei den Wasserwanzen dagegen treten zwei Arten
auf, wodurch eine Schichtung des I. Ganglions bedingt wird. Umgekehrt besitzen die
Landwanzen zwei Arten hindurchziehender Fasern, die Wasserwanzen dagegen nur
eine Art.
Bei den Hydrometridae und Hydrocorisae treten außer den in Abbildung 32 dargestellten
Zellen noch Neurone mit Riesenfasern im II. Ganglion auf.
Die rückläufigen Fasern des II. Ga n g l i o n s endigen bei den Landwanzen in der
inneren Hauptzone, während sie bei den mit größeren Augen ausgestatteten Hydrocorisae
und Hydrometridae bis in die äußere Hauptzone eindringen.
Bei Notonecta steht das II. Ganglion außer durch den Tractus opticus posterior noch
durch ein Bündel hindurchziehender Fasern mit den zentralen Hirnteilen in Verbindung.
Bei Notonecta tritt zwischen der 3. und 4. Hauptzone des III. G a n g l i o n s eine ausgesprochene
Überkreuzung auf.
Bei den Männchen von Lecanium ist das III. Ganglion, ähnlich wie bei den Dipteren,
gespalten.
Die Verbindung des III. Ganglions mit dem zentralen Gehirn erfolgt durch den Tractus
opticus anterior und die T ractus optici mediales superiores und inferiores. Ersterer
besteht aus hindurchziehenden Fasern, während letztere durch Horizontalfaserzellen
gebildet werden. Besonders große Horizontalgeflechte wurden bei Notonecta gefunden.
4. Die C o r p o r a p e d u n c u l a t a sind am mächtigsten entwickelt bei den landlebenden
Wanzen. Es lassen sich jederseits zwei obere Glomeruli und ein unterer Glomerulus feststellen.
Die Neurone der ersteren sind nach dem T-Schema gebaut, während die des
unteren mehrere kürzere Kollateralen abgeben. Die Endverzweigung in der Pilzwurzel
erfolgt derart, daß in jeden Wurzellappen ein Faserzweig hineinragt.
Die Pilze der Hydrocorisae und der Homoptera sind viel schwächer entwickelt. Eine
klare Abgrenzung der Glomeruli gegen die umgebende Fasermasse ist ohne spezifische
Methoden unmöglich. Untere Glomeruli fehlen. Die Neurone sind alle nach dem
T-Schema gebaut. Die Kollateralen sind regellos auf die dorsale Hälfte des Stiels verteilt.
5. Die B r ü c k e steht in keiner direkten Verbindung mit den Ocellennerven. Bei den
Hydrocorisae, welche keine Ocellen besitzen, ist die Brücke trotzdem m ächtig entwickelt.
Sie steht in enger Verbindung mit dem vom II. optischen Ganglion kommenden Tractus
opticus posterior. Bei Formen, welchen Fazettenaugen fehlen, ist die Brücke rudimentär.
Die die Brücke aufbauenden Neurone haben einen ganz ähnlichen Bau wie
diejenigen des unteren Pilzglomerulus. Man kann daraus auf eine genetische Beziehung
zwischen Brücke und Corpora pedunculata schließen.
6. Der Z e n t r a l k ö r p e r stellt, wie die Entwicklungsgeschichte zeigt, ein erweitertes
Kommissurensystem dar. Bei den ungeflügelten Pemphigini bleibt er zeitlebens auf
dem Stadium der Kommissur. Die Verbindungen zu den übrigen Hirnteilen konnten
klargelegt werden.
7. Die I n n e r v a t i o n d e r Oc e l l e n erfolgt durch Zellen der Pars intercerebralis.
Diese Neurone endigen im dorsocaudalen Teil des Protocerebrums und haben weder
eine direkte Beziehung zur Brücke noch zum Zentralkörper noch zu den „Knollen“ .
Die Ocellennerven verlaufen bei den Heteropteren ventral, bei den Homopteren dorsal
von der Brücke.
Die I n n e r v a t i o n d e r so g . P h a r y n g e a l g a n g l i e n erfolgt durch Riesenzellen
der Pars intercerebralis, deren Axone zwei Paare von Faserbündeln bilden, von denen
das eine P a a r ventral, das andere dorsal vom Zentralkörper verläuft und mit dem
Zentralkörper durch Kollateralen in Verbindung steht. Bei den Zikaden konnte ein
drittes Bündelpaar, welches vom Tritocerebrum kommt, nachgewiesen werden.