absehen. Da die ungeflügelten Generationen zeitlebens nur Larvenaugen besitzen, während
die geflügelten Generationen außerdem noch Fazettenaugen und Stirnocellen erhalten, so ist
es einleuchtend, daß der verschiedene Bau des Nervensystems der Geflügelten und der
Ungeflügelten in der verschiedenen Ausbildung der Sinnesorgane begründet sein muß.
In welch hohem Maß der Bau der Sinnesorgane, in diesem Fall der Augen, den Bau
des Zentralnervensystems bedingt, zeigt ein Vergleich der Abbildungen 15 und 16. Abbildung
15 stellt das Nervensystem einer geflügelten Generation (?) dar. Man erkennt die auffallende
Übereinstimmung mit den Aleurodiden, sowohl was die Gesamtform des Nervensystems
als auch den Grad der Ganglienkonzentration betrifft. Das Protocerebrum hat ungefähr
nierenförmige Gestalt. Ihm sitzen jederseits m it breiter Basis die Lobi optici (L. opt)
an, welche entsprechend den gut entwickelten Fazettenaugen (FA) eine bedeutende Größe
erlangen. Die Larvenaugen (LA) stehen gleichfalls mit den Lobi optici in Verbindung, ihre
Retinafasern legen sich eng denjenigen der Fazettenaugen an. Die Lateralocellen liegen
dicht bei den Fazettenaugen. Die sie innervierenden Nervenbündel verlaufen in mediolateraler
Richtung. Auf ihren Verlauf innerhalb des Gehirns sei weiter unten eingegangen.
Der Medianocellus ist wie bei den Psylliden auf die Ventralseite des Kopfes gerückt. Sein
Nerv verläuft in der Medianebene auf die beiden Nerven der Lateralocellen zu.
Das Deuterocerebrum tritt wie bei den meisten Homopteren oberflächlich nicht in E rscheinung.
Das Tritocerebrum ist relativ sehr m ächtig entwickelt. Von ihm zieht jederseits
ein Frontalnerv in Form eines ziemlich dicken Faserbündels zum Ganglion frontale. Dicht
bei den Frontalnerven entspringen auch die Labrainerven. Ein Nervus recurrens verbindet
das Ganglion frontale mit dem Ganglion hypocerebrale. Erwähnt sei schließlich noch ein
Nervenpaar, welches am Hinterende des Protocerebrums entspringt (N. c. a.) und zu dem
Corpus allatum zieht.
Vergleichen wir damit das Nervensystem der Ungeflügelten, etwa der F undatrix (Abb.
16), so fällt vor allem die viel geringere Mächtigkeit des gesamten Nervensystems auf, um
so mehr als die Fundatrix die geflügelten Generationen an Körpergröße weit übertrifft.
Das Nervensystem beider Formen ist in Abbildung 15 und 16 in derselben Vergrößerung
dargestellt. Unterschiede zeigen sich in erster Linie am Gehirn. Auffallend ist die geringe
Entwicklung der optischen Ganglien, welche jederseits dem Protocerebrum aufsitzen und
ohne scharfe Grenze in dasselbe übergehen. Die Retinafasern (Rf), welche zu den dreiteiligen
Larvenaugen ziehen (LA), sind sehr lang. Vom Hinterrand des Protocerebrums entspringt
wie bei den Geflügelten ein Nervenpaar, welches zum Corpus allatum zieht, es
wurde jedoch in Abbildung 16 nicht eingezeichnet.
Das Deuterocerebrum und das Tritocerebrum unterscheiden sich nur wenig von den
entsprechenden Hirnteilen der geflügelten Generationen. Das Bauchmark der Ungeflügelten
zeigt einen gedrungeneren Bau als bei den Geflügelten, dies gilt sowohl für das Unter-
schlundganglion als auch für das thorako-abdominale Ganglion. Letzteres erscheint bei den
Geflügelten in seinem thorakalen Abschnitt mächtiger entwickelt als bei den Ungeflügelten,
was durch das Vorhandensein von Flügelnerven zu erklären sein dürfte.
Hinzugefügt muß noch werden, daß der Unterschied im Bau des Nervensystems von
geflügelten und ungeflügelten Generationen bei den meisten Blattläusen nicht annähernd
so stark ausgeprägt ist wie bei Pemphigus. Die überwiegende Mehrzahl besitzt auch in den
ungeflügelten Generationen Fazettenaugen und damit optische Ganglien, deren Größe zu
der Augengröße in direkter Beziehung steht.
Von den Coccidae konnte ich leider nur Lecanium corni in beiden Geschlechtern untersuchen.
Der auffallende Unterschied in der äußern Gestalt von cf und ? läßt vermuten, daß
ein entsprechend großer Unterschied im Bau des Nervensystems zu erwarten ist. Besser als
jede Beschreibung zeigt diesen Dimorphismus ein Vergleich von Abbildung 17 und 18. In
Abbildung 17 ist das Nervensystem eines Cf, in Abbildung 18 in derselben Vergrößerung
dasjenige eines $ dargestellt. Der auffallendste Unterschied besteht im Bau der optischen
Ganglien. Diejenigen des Weibchens erinnern in ihrer Form sehr an die ungeflügelten Generationen
der Pemphigini. Diese Übereinstimmung ist dadurch bedingt, daß in beiden
Fällen nur Larvenaugen vorhanden sind. Die Lobi optici der Männchen weichen in ihrer
Gestalt sehr von denjenigen aller bisher betrachteten Rhynchoten ab. Wir müssen dieses
eigenartige Verhalten zweifellos m it dem merkwürdigen Bau der Augen in Zusammenhang
bringen. Diese Augen werden gewöhnlich als „Ocellen“ bezeichnet und den Stirnaugen
anderer Insekten gleichgesetzt. Die Art ihrer Innervation und, wie wir noch sehen werden,
auch der feinere Bau der Lobi optici, sowie die Entwicklung der Augen beweisen indessen,
daß es sich um abgewandelte Fazettenaugen handelt. Merkwürdig ist die Lage dieser
Augen: das dorsale P a a r (DA) hat normale Stellung, während das ventrale Augenpaar
(VA) an die Stelle der fehlenden Mund Werkzeuge getreten ist. Diese auffallende Anordnung
der Augen bedingt natürlich weitgehend die Form und Beschaffenheit der Lobi optici, doch
soll hierauf erst weiter unten eingegangen werden.
Das Deuterocerebrum ist in beiden Geschlechtern durchaus ähnlich entwickelt. Auffallende
Unterschiede bestehen dagegen bezüglich des Tritocerebrums. Dieses ist beim Cf nur
in Form von geringen Resten vorhanden, was zweifellos mit der Rückbildung der Mund-
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